Parlamentswahlen Angolas Polit-Dino klammert sich an die Macht
Kapstadt - Eduardo dos Santos lässt sich feiern und die Wahlparty wird zum Volksfest. Es gibt Freibier. MPLA-Aktivisten haben T-Shirts, Mützen und Fähnchen in den Parteifarben Rot, Schwarz und Gelb verteilt. Aus riesigen Lautsprechern plärren Lobgesänge auf Angolas Präsidenten und seine MPLA-Partei über das riesige Freigelände in Luandas Vorort Cacaupo. Mehrere Hunderttausend MPLA-Anhänger sind nach Polizeischätzungen zu diesem einzigen Wahlkampfauftritt des Staatspräsidenten gekommen. Dos Santos spart nicht an starken Worten: "Wir werden die Demokratie stärken, die Grundrechte sichern und eine Zivilgesellschaft aufbauen", verspricht der 66-Jährige, der das Land seit 29 Jahren regiert. "In der Regierung werden Köpfe rollen", kündigt er an. "Wer nichts taugt, wird aus dem Team geworfen."
Die 14 Millionen Angolaner sind an diesem Freitag zum ersten Mal seit 1992 an die Wahlurnen gerufen. Der Führer der größten Oppositionspartei Unita, Isaias Samakuva, hat nur Hohn und Spott für die vollmundigen Versprechungen des Präsidenten. "Glaubt ihr denn, dass jemand, der fast 30 Jahre lang keines seiner Versprechen gehalten hat, jetzt auf einmal wahr macht, was er ankündigt?", fragt er wenige Kilometer von der MPLA-Wahlparty entfernt seine rund 8000 Unita-Fans. Mehr sind nicht gekommen, um ihm zuzuhören, obwohl er ihnen eine goldene Zukunft verheißt: "Wir werden die Ölmilliarden für die Armen einsetzen." Samakuva erklärt den schwachen Zulauf, den er bei seinen Wahlkampfauftritten hat, mit einer systematischen Gewaltkampagne der Regierungspartei MPLA. "Wenn ich sehe, wie unsere Leute eingeschüchtert, bedroht und vom Besuch unserer Veranstaltungen abgeschreckt werden, bin ich durchaus zufrieden", sagt er.
Auch Menschenrechtsgruppen haben massive Zweifel, dass die Wahl an diesem Freitag wirklich frei und fair ablaufen kann. "Die Regierung ist mehr damit beschäftigt, den Machterhalt der MPLA zu sichern, als den Angolanern wirklich eine faire Chance zu geben, sich ihre Regierung frei zu wählen", wettert die Afrika-Direktorin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). Es fehle an den Grundvoraussetzungen für faire Wahlen. HRW-Beobachter haben den Vorwahlkampf in Angola beobachtet und vor allem in den ländlichen Gebieten "zahlreiche Vorfälle von politischer Gewalt durch Anhänger der Regierungspartei" gegen Oppositionelle dokumentiert. Nach Unita-Angaben sind dabei sogar fünf Oppositionelle ermordet und 19 schwer verletzt worden.
Die deutsche Hilfsorganisation Medico international, die seit zehn Jahren in Angola ein Projekt für die Opfer von Landminen unterhält, berichtet ebenfalls von "massiven Repressionen" gegen die Opposition. "Während Simbabwe zu Recht an den Pranger gestellt wird, werden die Menschenrechtsverletzungen in Angola kaum zur Kenntnis genommen", heißt es in einer Pressemitteilung der Hilfsorganisation. Aus wirtschaftlichen Erwägungen werde hier "mit zweierlei Maß gemessen".
Eldorado auch für deutsche Investoren
Angola, das nach der Unabhängigkeit 1975 in einen 27-jährigen blutigen Bürgerkrieg verstrickt war, ist inzwischen Afrikas Wirtschaftswunderland Nummer eins und mit Wachstumsraten von mehr als 20 Prozent für ausländische - auch deutsche - Investoren ein Eldorado. Allein die Ölindustrie will nach Angaben der Bundesagentur für Außenwirtschaft in den kommenden fünf bis sieben Jahren 100 Milliarden US-Dollar neue Investitionen tätigen, um das gegenwärtige Förderniveau von zwei Millionen Tonnen pro Tag zu sichern. Mehrere hundert Millionen US-Dollar sollen nach diesen Angaben zusätzlich in die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur fließen.
Angola hat im April Nigeria als größter Ölproduzent Afrikas abgelöst. Es ist wichtigster Öllieferant Chinas und sechstgrößter Öllieferant der USA. Mitten in der Hauptstadt Luanda wird gerade das 22 Stockwerke große Verwaltungsgebäude der staatlichen Ölgesellschaft fertiggestellt, ein Palast aus Glas und Stahl mit eigenem Hubschrauberlandeplatz. Luanda ist für Ausländer die teuerste Stadt der Welt. Auf der "Ilha", der Flaniermeile der Reichen und Schönen an der weiten Bucht der Hauptstadt, kostet der Burger 20 US-Dollar. Dort sind die Nachtclubs, dort schieben sich die Luxuskarossen abends Stoßstange an Stoßstange voran. Dort glitzert es von Gucci und Versace.
Wenige Kilometer entfernt liegt die reale Welt Angolas: Boa Vista, ein Slum inmitten von Müllbergen. Denn das ist die andere Seite des Wirtschaftswunderlands, in dem weniger als ein Prozent der Bevölkerung 90 Prozent seines Wohlstandes besitzen. Angola hat die zweithöchste Kindersterblichkeitsrate der Welt. Statistisch gesehen stirbt alle drei Minuten ein angolanisches Kind unter fünf Jahren. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 40 Jahren. Im Uno-Entwicklungsindex rangiert Angola unter den letzten zehn Ländern. Fast drei Viertel der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. In der internationalen Korruptionsstatistik liegt Angola dagegen in der Spitzengruppe. Nach HRW-Schätzungen versickerten allein zwischen 1997 und 2002 rund 4,2 Milliarden US-Dollar aus den Öleinnahmen des Landes in den Taschen der regierenden Clique. Das Parlament wird im Volksmund spöttisch "Audi-Torium" genannt, nachdem Staatspräsident dos Santos die Abgeordneten großzügig mit Luxuswagen deutscher Provenienz versorgt hatte.
Der frühere Wirtschaftsstaatssekretär Erich Riedl sagt offen, Angola, in dem die USA und China längst den Fuß in der Tür haben, sei wegen seiner Rohstoffvorkommen auch für Deutschland ein "Land von strategischer Bedeutung". Und auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul, die das Land noch im April 2006 bei einer Weltbanktagung wegen seines verantwortungslosen Umgangs mit den Ölmilliarden als "trauriges Beispiel" kritisiert hatte, hat Angola jetzt in die Liste der Partnerländer für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit aufnehmen lassen.
Denn das afrikanische Land, so prophezeien führende Analytiker, ist trotz seiner Defizite bei Demokratie und Menschenrechten auf dem besten Weg zu einer neuen Führungsmacht auf dem Schwarzen Kontinent. "Nach dem Desaster der Wahlen in Kenia und Simbabwe ist das Timing für die Wahl in Angola deshalb perfekt", sagt Manuel Mwanza, politischer Beobachter in Luanda. "Bei einem fairen Ablauf könnte sie Angolas neue Machtstellung festigen."
Für den fairen Ablauf sollen 70.000 Polizisten sorgen, die Polizeikommandeur Paulo de Almeida an diesem Freitag vorsichtshalber aufmarschieren lassen will. Auch der Sieger dieser Wahl, da hat Eduardo dos Santos keinen Zweifel, steht schon fest. "Die Opposition wird die MPLA nicht von der Macht verdrängen", versichert er seinen jubelnden Anhängern bei der Wahlparty in Cacaupo und erinnert dabei stark an seinen alten Genossen Robert Mugabe im Nachbarland Simbabwe.