Pentagon-Report Guantanamo-Entlassene werden häufig rückfällig

Für Barack Obamas Kritiker liest es sich wie eine Argumentationshilfe: Jeder siebte entlassene Guantanamo-Häftling verschreibt sich einem unveröffentlichten Pentagon-Bericht zufolge dem Terror. Das Papier ist brisant - der US-Präsident will heute seinen Plan zur Schließung des Lagers vorstellen.

Washington - Viele der bislang 534 aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba entlassenen Häftlingen haben sich erneut dem Terror verschrieben oder sind militant aktiv geworden. Zu diesem Ergebnis kommt laut "New York Times" ein neuer, noch unveröffentlichter Report des US-Verteidigungsministeriums. Wie die Zeitung am Mittwoch unter Berufung auf Regierungskreise berichtete, wird der Bericht zurückgehalten - mit Rücksicht auf die Pläne von US-Präsident Barack Obama, Guantanamo bis Januar 2010 zu schließen.

Dem Bericht zufolge geht das Pentagon davon aus, dass 74 aus Guantanamo in ihre Heimat- oder Drittländer entlassene Häftlinge zum Terror zurückgekehrt sind, was einer Rückfallquote von fast 14 Prozent entspreche. Die neuen Zahlen dürften Kritiker des Präsidenten stärken, die vor einer Freilassung weiterer Terrorverdächtiger warnen. Auch in Deutschland und anderen Ländern, die von der US-Regierung um Aufnahme entlassener Häftlinge gebeten wurden, gibt es Sicherheitsbedenken. Menschenrechtsaktivisten hatten in der Vergangenheit jedoch Zweifel an den vom Pentagon genannten Zahlen geäußert, da sie wenig konkret und nur schwer zu überprüfen seien.

Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums hätten den Bericht aus Angst zurückgehalten, die Regierung zu verärgern, berichtete die "New York Times" weiter. Von Regierungsseite sei dies nicht bewirkt worden. Der Wille zur Veröffentlichung sei im Ministerium sehr gering gewesen, bestätigte ein namentlich nicht genannter Pentagon-Vertreter dem Blatt: "Wenn wir ihn (den Bericht) zurückhalten, sagt jeder, das ist politisch und ihr schützt die Regierung Obama. Und wenn wir ihn rausgeben, sagt jeder, ihr untergrabt Obama."

Das Pentagon hatte dem Zeitungsbericht zufolge bereits im Januar die baldige Veröffentlichung des neuesten Berichts angekündigt. Darauf angesprochen habe der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Bryan Whitman, in dieser Woche gesagt, dass der Report noch überprüft werde. Im letzten unter der Regierung von Obamas Vorgänger George W. Bush veröffentlichten Bericht lag die geschätzte Rückfallquote unter entlassenen Guantanamo-Gefangenen bei elf Prozent.

Aus Angst, dass viele der noch in Kuba einsitzenden 240 Häftlinge in die USA verlegt werden könnten, versagten viele Senatoren beider Parteien am Mittwoch der Regierung die zur Schließung des Lagers beantragten 80 Millionen Dollar (59 Millionen Euro). Obama halte aber trotzdem an seinen Schließungsplänen fest, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, im Anschluss. Der Kongress benötige weitere Details für seine Entscheidung. Über viele Fragen gebe es aber noch keine Entscheidung der Regierung. So habe etwa "der Präsident noch nicht entschieden, wohin einige der Gefangenen gebracht werden", sagte Gibbs. Wichtigste Aufgabe Obamas sei es allerdings, die Sicherheit der Amerikaner zu garantieren, meinte Gibbs mit Blick auf eine Verlegung der Terrorverdächtigen in die USA.

Obama will am Donnerstag einen detaillierten Plan für die Schließung des umstrittenen Gefangenenlagers auf Kuba vorlegen.

Der Präsident erlitt wegen der Guantanamo-Frage seine bislang deutlichste Niederlage im Kongress. Mit 90 gegen sechs Stimmen sprach sich der Senat am Mittwoch gegen die Verlegung der dortigen Häftlinge in die USA aus. Damit versetzte auch eine überwältigende Mehrheit der Demokraten dem Plan Obamas, das Lager auf Kuba bis Anfang kommenden Jahres zu schließen, einen schweren Rückschlag.

Das Repräsentantenhaus hatte in der vergangenen Woche eine ähnliche Entscheidung gefällt. Beide Häuser des Kongresses wiesen damit Obamas Antrag auf die Bereitstellung von 80 Millionen Dollar (58 Millionen Euro) zur Schließung des Lagers zurück.

Einem mutmaßlichen Qaida-Anhänger aus Tansania soll US-Regierungskreisen zufolge als erstem Guantanamo-Gefangenen vor einem zivilen Gericht in den Vereinigten Staaten der Prozess gemacht werden. Die US-Regierung werde voraussichtlich am Donnerstag ankündigen, Khalfan Ghailani wegen der Unterstützung und der Beschaffung von Material für die Anschläge auf zwei US-Botschaften in Ostafrika 1998 vor einem Bundesgericht in New York anzuklagen, sagte ein Regierungsvertreter am Mittwoch. Dem Tansanier wird zur Last gelegt, am Tod von mehr als 200 Menschen beteiligt gewesen zu sein.

Bei den fast zeitgleichen Anschlägen auf die US-Botschaften in Tansania und Kenia wurden insgesamt 224 Menschen getötet und Dutzende verletzt. Ghailani wurde 2004 in Pakistan gefasst und im September 2006 aus einem CIA-Geheimgefängnis in das umstrittene Gefangenenlager auf dem US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba verlegt. 2007 gestand er bei einer Anhörung, Sprengstoff und ein Handy für den Anschlag in Tansania gekauft zu haben. Protokollen des Militärs zufolge gab er dabei aber an, nichts vom geplanten Verwendungszweck gewusst zu haben.

hen/dpa/Reuters/AP

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