
Wahlen in Peru Die Wiedergängerin
Keiko Fujimori redet nicht gerne über Alberto Fujimori. Wo sie kann, vermeidet sie das Thema. Wenn dann aber doch mal Journalisten fragen, ob die peruanische Präsidentschaftskandidatin ihren Vater im Gefängnis besucht, antwortet sie meist knapp und verkrampft: "Ja", um dann gleich hinterherzuschieben: "Aber meinen Wahlkampf mache ich selber."
Die 40 Jahre alte rechtsgerichtete Politikerin schickt sich an, am Sonntag neue Staatschefin des südamerikanischen Landes zu werden, gut 15 Jahre nachdem ihr Vater aus dem fernen Japan per Fax seinen Rücktritt als Staatschef erklärt hatte. Und sechs Jahre nachdem er wegen Korruption und Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu einem Vierteljahrhundert Haft verurteilt wurde.
Dieses politische Family-Business entzweit Peru. Vielen gilt Keiko als Wiedergängerin ihres Vaters. Schließlich stand die älteste Tochter selbst in den finstersten Zeiten immer fest zu dem Präsidenten, der zwischen 1990 und 2000 regierte. Er setzte Sozialprogramme für die Armen auf und besiegte die Links-Guerilla "Sendero Luminoso" (Leuchtender Pfad), aber er institutionalisierte auch Korruption, schuf Todesschwadronen, ließ Zigtausende Frauen zwangssterilisieren, entmachtete das Parlament und endete als Operetten-Staatschef. Noch heute spaltet der japanisch-stämmige Alberto Fujimori die Peruaner in glühende Anhänger und solche, die ihn hassen.
So ist der 77 Jahre alte Fujimori senior das stärkste Zugpferd im Wahlkampf von Fujimori junior - und zugleich ihr größter Klotz am Bein. In Umfragen hält Keiko zwar mit rund 35 Prozent einen großen Vorsprung. Aber zugleich trifft keiner der anderen neun Kandidaten bei den Wählern auf so große Vorbehalte wie sie. Auf dem Land, bei den Armen und den Frauen hat die Kandidatin der Partei "Fuerza Popular" Rückhalt. In den Städten und bei der Mittelschicht, Künstlern und Intellektuellen zweifeln viele an ihrer demokratischen Gesinnung.
Fujimoris Kandidatur polarisiert Peru
Unlängst ließen sich 24 Darsteller einer der beliebtesten Seifenopern des Landes mit einem Plakat ablichten, auf dem steht: "#NoaKeiko" - "Nein zu Keiko". Schauspielerin Mónica Sánchez sagt: "Es wird Zeit, dass wir uns darum kümmern, ein anderes Land aufzubauen". Zehntausende gingen am Dienstag in ganz Peru gegen Keiko auf die Straße. Anlass war der 24. Jahrestag der Auflösung des Parlaments durch ihren Vater.
Schon mit 19 Jahren hatte Alberto Fujimori seine Tochter in die große Politik eingeführt. Im August 1994 hatte er seine Frau Susana aus dem Präsidentenpalast gejagt, weil sie ihn als eine der ersten überhaupt öffentlich der Korruption beschuldigt hatte. Die älteste Tochter schlüpfte in die Rolle der "Primera Dama". Bilder und Interviews aus dieser Zeit zeigen einen Teenager mit spätpubertärem Gesicht, der naive Sätze sagt. Aber im Laufe der sechs Jahre an der Seite ihres Vaters hat Keiko viel gelernt über Politik.
Als sich Keiko 2011 schon einmal um das höchste Staatsamt bewarb, versprach sie pathetisch: "Ich schwöre bei Gott, dass ich Alberto Fujimori nicht begnadigen werde." Doch so richtig glaubte ihr damals niemand. Denn sie ließ sich auf den Plakaten neben ihrem Vater ablichten, hatte seine Berater übernommen, und es hieß: Den Wahlkampf führt Papa aus dem Knast. Sie unterlag damals.
2016 ist Keiko vorsichtiger, seriöser und gibt sich als Staatsfrau. Die Hände gerne mal zu einer Art Merkel-Raute geformt, versucht sie einen fast unmöglichen Spagat: Das Erbe ihres Vaters nicht zu verraten, aber dennoch wählbar für eine breite Mehrheit zu sein.
Zum Beispiel überraschte sie ihre Konkurrenten und die Bevölkerung in einer Fernsehdebatte mit einer "Ehrenerklärung". Im weißen Sakko und den Blick fest in die Kameras gerichtet, zog sie ein Blatt Papier hervor und las sei vor: "Ich werde die demokratische Ordnung, die freie Presse und die Meinungsfreiheit respektieren, ich werde hart gegen die Korruption vorgehen." Dann folgte der entscheidende Satz: "Ich werde meine politische Macht nicht dazu missbrauchen, ein Familienmitglied zu bevorteilen." Sprach es, zog einen Stift hervor und unterzeichnete diese Selbstverpflichtung.
Ob die Peruaner ihr den Schwur abnehmen, wird sich am Sonntag zeigen. Wenn keiner der Kandidaten 50 Prozent der Stimmen erreicht, machen die besten zwei das Rennen am 5. Juni in einer Stichwahl unter sich aus.

Klaus Ehringfeld lebt seit 2001 als freier Korrespondent in Mexiko und berichtet regelmäßig für SPIEGEL ONLINE aus Mittel- und Südamerika.