Designierter EU-Kommissar Moscovici Monsieur Euro gibt sich selbstbewusst

Designierter EU-Währungskommissar Moscovici: Will Europa vertreten, nicht Frankreich.
Foto: KENZO TRIBOUILLARD/ AFPIn dem Brüsseler Konferenzraum, den sich Pierre Moscovici für seinen Auftritt ausgesucht hat, hängt ein Filmplakat mit dem Aufdruck "Der unsichtbare Mann". Und fast wirkt es, als wolle der designierte EU-Wirtschafts-und Währungskommissar am liebsten selber unsichtbar sein.
Der Sozialist trägt einen unauffälligen grauen Anzug, er spricht betont leise und sachlich, als könne er so der lauten Kritik ausweichen, die seit Wochen auf ihn einprasselt.
Einen "Schuldensozialisten" nennen ihn deutsche Konservative. Oder auch ein "trojanisches Pferd" Frankreichs, das neue Schulden in der EU auf Deutschland abwälzen wolle - und als ehemaliger französischer Finanzminister keinen einzigen Haushalt vorgelegt habe, der den Maastricht-Kriterien entsprach.
Das alles soll bei der Anhörung im Europaparlament kommende Woche zur Sprache kommen, wenn Moscovici um die Rückendeckung der Parlamentarier werben muss.
Um dafür den Weg zu ebnen, hat Moscovici deutsche Journalisten zum Gespräch gebeten, zeitgleich mit dem Berlin-Besuch seines Premiers Manuel Valls. Doch mit seiner Heimat will er partout nichts mehr zu tun haben. "Ich bin nicht nach Brüssel gekommen, um der französischen Regierung zu dienen", betont er. Vielmehr sei er dort nun in einer anderen Rolle - als Interessenvertreter Europas.
So oft wiederholt der designierte Kommissar dies, dass die spöttische Frage aufkommt, ob er denn eigentlich wirklich noch Pierre Moscovici sei. Der Franzose ignoriert den Einwand und sagt lieber, sich bei seiner EU-Arbeit stets an bestehende Regeln und objektive Kriterien halten zu wollen, "die sind mein Anker".
Ob er dennoch ein trojanisches Pferd seines Heimatlandes sei? Ach, was ganz im Gegenteil - gerade er dürfe doch nicht den Eindruck erwecken, allzu nachgiebig gegenüber Frankreich zu sein.
Diese Sätze sollen vor allem seine Kritiker in Deutschland beruhigen - genauso wie Verweise auf eine enge Beziehung zu Wolfgang Schäuble, mit dem Moscovici nach eigener Aussage als Finanzminister jede wichtige Entscheidung abgestimmt habe.
Im Berliner Finanzministerium wird die Entschlossenheit des Franzosen dennoch angezweifelt, gegenüber der Regierung in Paris besonders streng zu sein. Dort hält man Moscovici in dieser Frage schlicht für befangen. Außerdem ist von Kritikern oft zu hören, der 57 Jahre alte Sozialist hege noch politische Ambitionen daheim und wolle es sich schon deshalb kaum mit Paris verscherzen.
Keine Aufpasser
Berlin fürchtet zudem, dass die Struktur der neuen Juncker-Kommission ein Einfangen des selbstbewussten Kommissars keineswegs leicht machen wird - und diese Sorge befeuert Moscovici bei seinem Auftritt:
Zwar sitzt neben ihm ein deutscher Beamter, der sein Vizekabinettschef werden wird. Das hatte sich die Bundesregierung so gewünscht. Doch sie setzt auch darauf, dass zwei der übergeordneten neuen "Vizepräsidenten" in der Juncker-Kommission - der als sparsam bekannte ehemalige finnische Regierungschef Jyrki Katainen sowie der frühere lettische Ministerpräsident Valdis Dombrovskis - ein wachsames Auge auf Moscovici haben.
Aber der Franzose scheint sich das anders vorzustellen. "Es gibt keine Hierarchie im Kolleg der Kommissare", erteilt er der Idee von Aufsehern eine klare Absage. Und er erinnert daran, direkten Zugriff auf den EU-Beamtenapparat zu haben - anders als die ihm formal übergeordneten Vizes Katainen und Dombrovskis.
Auch sonst lässt der designierte EU-Währungskommissar wenig Zweifel, andere Ansichten als die Vertreter reiner Sparpolitik zu vertreten. "Wir müssen die richtige Balance zwischen fiskalischer Konsolidierung und Wachstumspolitik finden", sagt Moscovici zum künftigen EU-Wirtschaftskurs. Beim Ankurbeln von Wachstum in der Eurozone komme es auf eine gesunde Mischung aus monetärer Politik, Reformen und einem "Investitionsplan" an.
Den letzten Teil hört man in Berlin nicht so gerne, zumindest wenn es um staatliche Konjunkturprogramme gehen sollte.
Schließlich verbittet sich Moscovici erneut allzu pauschale Kritik an Frankreich, "der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone", wie er betont. Das Land wird sein Defizit vermutlich nicht vor 2017 unter Kontrolle bekommen, zwei Jahre später als vorgegeben.
Für abschließende Urteile über das Pariser Budget sei es dennoch zu früh, beschwichtigt Moscovici, noch lägen ja keine offiziellen Zahlen vor. In der Debatte über möglichen Aufschub komme es zudem darauf an, ob wirksame Reformen zur Haushaltssanierung auf den Weg gebracht worden seien.
Die Kanzlerin, hebt Moscovici hervor, habe schließlich beim Treffen mit Premier Valls die "ambitionierte" Reformagenda in Frankreich gewürdigt. Das stimmt zwar vom Wortlaut. Doch Berliner Beobachter empfanden Merkels Einlassung eher als kühle Aufforderung, noch mehr zu tun.