Piraterie GSG 9 sollte entführte "Hansa Stavanger" stürmen
Hamburg - Eine Befreiungsaktion für die Crew der entführten "Hansa Stavanger" ist nach Informationen des SPIEGEL kurzfristig abgeblasen worden. Nachdem Piraten am vergangenen Samstag 320 Seemeilen östlich von Mombasa den Containerfrachter kaperten, hatte der Krisenstab im Auswärtigen Amt eine gewaltsame Befreiung der Besatzung erwogen. Der Kapitän und vier leitende Offiziere des Schiffes der Hamburger Reederei Leonhardt & Blumberg kommen aus Deutschland.
Ein Vorauskommando der GSG 9 war bereits unterwegs nach Kenia. Zu einem Einsatz kam es aber nicht - die fünf Piraten hatten das Schiff zu schnell zu ihrem Stützpunkt in der Bucht von Harardere (Somalia) gebracht.
Auch die deutsche Fregatte "Rheinland-Pfalz" kam nicht zum Zuge: Bis auf Sichtweite fuhr sie an die "Hansa Stavanger" heran, musste aber abdrehen, nachdem die Piraten gedroht hatten, die Besatzung des Frachters zu töten. Er liegt nun in Harardere neben anderen gekaperten Schiffen vor Anker und wird aus sicherer Entfernung von der deutschen Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern" überwacht. Am Dienstag meldeten sich die Piraten telefonisch bei der Hamburger Reederei und verlangten ein Lösegeld in Millionenhöhe.
Die "Hansa Stavanger", ein 1997 erbautes Schiff mit einer Gesamttragefähigkeit von 21.000 Tonnen, war am Samstag etwa 400 Seemeilen vor der Küste Somalias zwischen Kenia und den Seychellen geentert worden. Bisher gehen die Behörden von fünf Piraten aus. Das Schiff war gerade auf dem Weg zu den Seychellen, wo es auftanken und dann weiter nach Daressalam in Tansania wollte. Das Gebiet liegt mitten in einer sogenannten Risiko-Zone, vor der internationale Anti-Piraterie-Organisationen in den vergangenen Wochen massiv gewarnt hatten.
Eliteeinheiten nach Dschibuti und Mombasa
Grundsätzlich ist für die Befreiung deutscher Geiseln im Ausland die Bundespolizei zuständig, Teile der Einheit sind darauf trainiert, gekaperte Schiffe auf See zu entern und die Geiseln zu retten. In kriegerischen Situationen kommt die Bundeswehr zum Einsatz, die ebenfalls entsprechende Spezialeinheiten bereithält. Die Bundesregierung erwägt nun, Eliteeinheiten von Bundespolizei und Bundeswehr in Dschibuti und Mombasa zu stationieren, um künftig schneller vor Ort sein zu können.
Die Serie der Überfälle durch Seeräuber reißt indessen nicht ab - die Zahl von Entführungen nahm in den vergangenen Wochen rasant zu. Erst am Mittwoch entführten somalische Piraten einen dänischen Frachter mit US-amerikanischer Besatzung. Der unbewaffneten Crew gelang es, die Angreifer zurückzuschlagen. Der Kapitän des Frachters "Maersk Alabama" Richard Phillips ist aber noch immer in der Gewalt der Seeräuber, die Piraten halten ihn als Geisel. Das US-Kriegsschiff "USS Bainbridge" traf am Donnerstagmorgen am Ort des Überfalls vor der Küste Somalias ein. Ein zweites US-Kriegsschiff ist bereits auf dem Weg. CNN zufolge besteht Kontakt mit den Seeräubern, sie fordern Lösegeld.
Der 17.000-Tonnen-Frachter gehört der dänischen Reederei A.P. Møller-Mærsk, der größten Reederei der Welt. Die Entführung des 155 Meter langen Containerschiffes war der sechste Überfall von Piraten innerhalb einer Woche vor der somalischen Küste - ungeachtet aller Sicherheitsvorkehrungen und Patrouillen internationaler Marineeinheiten.
In der Hand somalischer Piraten befindet sich auch ein französisches Paar mit einem dreijährigen Kind. Die Familie sei mit ihrer Segelyacht "Tanit" auf dem Weg nach Sansibar den Seeräubern in die Hände gefallen, berichtete das französische Fernsehen. An Bord befand sich nach Angaben der Hilfsorganisation Ecoterra offenbar auch ein unterwegs zugestiegenes weiteres Paar. Am vergangenen Montag wurden außerdem ein britisches und ein taiwanisches Schiff vor der somalischen Küste entführt.