Polen
Erneute Proteste gegen verschärftes Abtreibungsrecht
In Polen wurde das umstrittene Abtreibungsverbot in Kraft gesetzt. Damit sind Schwangerschaftsabbrüche künftig in fast allen Fällen verboten. Frauenrechtsaktivistinnen riefen zu Protesten in der Hauptstadt Warschau auf.
Menschen demonstrieren gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes vor dem Sitz des Verfassungsgerichts in Warschau am Mittwochabend
Foto: RADEK PIETRUSZKA/EPA-EFE/Shutterstock
In Polen hat die Frauenbewegung neue Proteste wegen der Umsetzung des nahezu vollständigen Abtreibungsverbots angekündigt. Die rechtskonservative Regierung setzte ein umstrittenes Urteil des Obersten Gerichts vom Oktober um, mit dem die bisherige Erlaubnis zur Abtreibung schwer fehlgebildeter Föten gekippt worden war. Für Mittwochabend seien eine Demonstration vor dem Gerichtsgebäude in Warschau sowie weitere Aktionen in den größeren polnischen Städten geplant, kündigte die Organisation Allpolnischer Frauenstreik an.
Im Oktober hatte das Verfassungsgericht des EU-Landes entschieden, dass Frauen auch dann keine Abtreibung vornehmen dürfen, wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen aufweist. Danach gab es wochenlange Proteste. Die Entscheidung bedeutet eine Verschärfung des polnischen Abtreibungsrechts, das ohnehin zu den strengsten in Europa gehört. Bislang war ein Abbruch in Polen legal, wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet, Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder wenn das Ungeborene schwere Fehlbildungen aufweist. Ein Verbot von Abtreibungen in letzterem Fall kommt nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen einem vollständigen Abtreibungsverbot gleich.
In Polen gibt es jährlich weniger als 2000 legal vorgenommene Schwangerschaftsabbrüche. Frauenrechtsorganisationen schätzen jedoch, dass pro Jahr etwa 200.000 Polinnen illegal abtreiben oder dafür ins Ausland gehen. Frauenrechtlerinnen befürchten, dass diese Zahl noch steigt, wenn das Urteil des Obersten Gerichts nun umgesetzt wird.
Entgegen den Gepflogenheiten war die Entscheidung des Verfassungsgerichts bislang nicht im amtlichen Anzeiger veröffentlicht worden. Die Neuregelung werde noch am Mittwoch im Gesetzesblatt veröffentlicht, teilte die PiS-Regierung über Twitter mit – damit hätte die Entscheidung offiziell Gültigkeit.