Rechtsstaatlichkeit EU-Kommission setzt Polen unter Druck

In EU-Kommission und Bundesregierung wächst die Bereitschaft, die Auszahlung von Regionalfördermitteln künftig daran zu knüpfen, dass EU-Mitglieder wie Polen sich an rechtstaatliche Grundsätze halten. Entsprechende Pläne stellte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) nach Informationen des SPIEGEL am Mittwoch bei der Kommissionsitzung vor.
Oettinger will verhindern, dass die Bürger am Ende die Leidtragenden sind, wenn die EU einem Mitgliedsland wegen rechtsstaatlicher Probleme Gelder streicht. Daher will er künftig die Rückzahlungen kappen, die EU-Länder aus Brüssel erhalten, wenn sie bei der Bezahlung von mit EU-Geld finanzierten Projekten in Vorleistung getreten sind. Offiziell will Oettinger seinen Entwurf für ein Rahmenbudget für die Jahre 2021 bis 2027 am 2. Mai vorstellen. Davor findet eine weitere Diskussion im Kreis der EU-Kommissare statt. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte im neuen SPIEGEL.)
Bei einem Besuch in Warschau machte Oettinger am Montag klar, dass er eine solche Verknüpfung von Haushalt und Rechtsstaat für richtig erachtet. "Wir können nur dort Haushaltsmittel einsetzen, wo wir uns sicher sind, dass die Gerichte unabhängig sind", sagte Oettinger vor polnischen Unternehmern.
Oettinger betonte allerdings am Rande des Besuches auch, dass man auf die Klausel auch verzichten könne, wenn Polen im laufenden Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags wegen seiner umstrittenen Justizreform einlenke.
Unterstützung kommt aus der Bundesregierung. "Die EU ist eine Wertegemeinschaft, nicht allein ein Binnenmarkt", sagt Michael Roth (SPD), Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt. "Das muss sich dann aber auch in den Haushalten der EU widerspiegeln." Alle Mitgliedstaaten stünden in der Pflicht, die Prinzipien des Rechtsstaats zu achten. "Wenn dies nicht geschieht, dann muss das auch Auswirkungen auf die Gewährung von EU-Mitteln haben."
Offenbar zeigt dieser Druck bereits Wirkung, auch im Artikel-7-Verfahren. Nach monatelanger Blockade hatte Polen zuletzt erstmals drei Änderungsvorschläge an der Reform vorgeschlagen, die nun in Brüssel ausgewertet werden. Unter anderem kündigte die Regierung in Warschau an, das Renteneintrittsalter von Richter und Richterinnen anzugleichen. Die Kommission hatte diesbezüglich Diskriminierung gerügt.
Noch, so die Einschätzung in Brüssel, reicht das nicht, um die Forderungen der EU-Kommission zu erfüllen, aber viele glauben, dass die Verbesserungsvorschläge nur ein erstes Signal sind. "Weitere werden folgen", sagte ein EU-Diplomat.
Die Tatsache, dass in das bislang festgefahrene Verfahren nun Bewegung kommen könnte, führt Staatsminister Roth auch auf die Drohung im Rahmen der Budgetgespräche zurück. "Unsere Gespräche zeigen Wirkung", sagt Roth. Die Sprecherin der EU-Kommission bestritt, dass es einen Zusammenhang zwischen den Plänen für das mehrjährige Rahmenbudget und dem Artikel-7-Verfahren gebe.
Unterstützung für seine Pläne erhält Oettinger aus dem EU-Parlament. "Ich wünsche mir schärfere Instrumente im nächsten mehrjährigen Finanzrahmen, auch eine Verknüpfung mit der Frage der Rechtsstaatlichkeit ist angebracht", sagte die Chefin des Haushaltskontrollausschusses Inge Gräßle (CDU).
Die Haushaltskontrolleure bemängeln immer wieder, das EU-Gelder auch in osteuropäischen Ländern missbräuchlich ausgegeben werden. Zuletzt sorgte die Ermordung des slowakischen Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten für Schlagzeilen. Kuciak hatte recherchiert, wie EU-Gelder offenbar in mafiösen Kanälen versickerten.