Europarat Demokratie-Kommission sieht Polen in Verfassungskrise

Demonstration gegen Polens Regierung: "Wir, das Volk"
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesPolens umstrittene Reform des Verfassungsgerichts durch die nationalkonservative Regierung hat ein Nachspiel: Die Kommission für Demokratie und Recht des Europarats, die Venedig-Kommission, hat einem polnischen Medienbericht zufolge Bedenken gegen das Gesetz geäußert, das die Entscheidungsfindung des Gerichts erschwert.
Polen stecke demnach in einer "Verfassungskrise", zitiert die Zeitung "Gazeta Wyborcza" aus einem Papier der Kommission. Wenn das Verfassungsgericht seine Arbeit nicht wirksam ausüben könne, sei nicht nur der Rechtsstaat in Gefahr, sondern auch Demokratie und Menschenrechte.
Regierungssprecher Rafal Bochenek bestätigte, dass er das Dokument der Kommission erhalten habe. Ein Sprecher der Venedig-Kommission sagte, die abschließende Fassung des Papiers werde am 11. oder 12. März beschlossen.
Der Europarat mit seinen 47 Mitgliedstaaten ist ein renommiertes Debattenforum ohne bindende Entscheidungsgewalt. Die Venedig-Kommission ist innerhalb des Europarats ein wichtiges unabhängiges Beratungsorgan für Verfassungsfragen.
Dem neuen Gesetz zufolge benötigt das Verfassungsgericht Polens für seine Entscheidungen künftig eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Außerdem müssen bei wichtigen Entscheidungen mindestens 13 der 15 Richter anwesend sein, um ein Urteil fällen zu können.
Auch EU-Ratspräsidentschaft lässt Reformen Prüfen
Die niederländische EU-Ratspräsidentschaft hat ebenfalls ein Verfahren zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen eingeleitet, das Warschau jedoch zurückwies. Auf Kritik der EU stößt zudem, dass die Chefs des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP und des Radiosenders PR künftig direkt von der Regierung und nicht durch ein unabhängiges Gremium bestimmt werden können.
Ministerpräsidentin Beata Szydlo von der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sagte dazu Mitte Januar, ihre Regierung sei zwar zum Dialog mit der EU bereit, aber nicht zu einem Verzicht auf ihre "Freiheit und Souveränität".
In Warschau hatten am Samstagabend Zehntausende Menschen gegen die Regierung demonstriert. Auch Oppositionspolitiker schlossen sich dem Demonstrationszug im Zentrum der polnischen Hauptstadt an, der unter dem Motto "Wir, das Volk" für Demokratie demonstrierte.
"Wir sind gekommen, um deutlich zu machen, dass Freiheit und Demokratie die wichtigsten Werte sind, die von der Verfassung geschützt werden", sagte Mateusz Kijowski, Gründer des Komitees zur Verteidigung der Demokratie (KOD), das die Demonstration organisiert hatte.
Die Kundgebung wandte sich vor allem gegen die Reformpolitik der alleinregierenden PiS. Die Demonstranten stellten sich am Samstag außerdem hinter den ehemaligen Präsidenten und Solidarnosc-Chef Lech Walesa. Er soll bei der kommunistischen Geheimpolizei SB eine Verpflichtung zur Mitarbeit mit "Lech Walesa" und dem Tarnnamen "Bolek" unterschrieben haben. Auch lägen Quittungen über Honorarzahlungen vor.
Walesa ist ein entschiedener Widersacher der PiS. Er wies die Spitzelanschuldigungen - wie schon 2008 - umgehend zurück. Auf sein Betreiben wird nun wegen einer möglichen Fälschung der Dokumente ermittelt.