Polenbesuch Köhlers Gang nach Warschau
Berlin - Es ist, nach der Teilnahme an den Trauerfeierlichkeiten für den überraschend verstorbenen österreichischen Bundespräsidenten Thomas Klestil, die erste offizielle Reise des neuen Bundespräsidenten Horst Köhler ins Ausland. Und es wird keine leichte Aufgabe.
Denn schon vor dem heutigen Besuch in Polens Hauptstadt Warschau ist klar: Sein Auftritt wird mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Zwar wurde in Polens Medien ausdrücklich gewürdigt, dass der neue Amtsinhaber zuerst den östlichen Nachbarn Deutschlands besucht und erst im Anschluss nach Frankreich reist. Ein politischer Akzent, den Köhler in seiner Antrittsrede eher beiläufig erwähnt hatte - und der doch hochsymbolisch ist, weil seine Amtsvorgänger in der Regel zunächst Paris aufsuchten. Köhler weiß um die Schwierigkeit seiner Visite, wird doch, wie bereits Raus Auftritt im April, von Teilen der polnischen Öffentlichkeit mißtrauisch beobachtet.
In den vergangenen Monaten sind es vor allem zwei Themen, die insbesondere in den polnischen Medien immer wieder für Aufregung sorgen: Das von der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach (CDU) und dem SPD-Politiker Peter Glotz anvisierte Zentrum gegen Vertreibungen. Und jene Vermögensforderungen früherer Vertriebener, die die Preußische Treuhand sammelt und vor Gericht in Polen durchsetzen will.
Als Köhlers Vorgänger Johannes Rau zuletzt im Frühjahr vor dem Sejm, dem Parlament, in Warschau sprach, kam es zu einem Eklat. Abgeordnete der Liga der polnischen Familien, einer rechtskonservativen katholischen Vereinigung, verließen den Saal.
Vor Köhlers Besuch waren warnende Stimmen aus dem rechten Spektrum erhoben worden. So forderte die rechtsgerichtete polnische Tageszeitung "Zycie" Köhler auf, sich von dem Zentrum gegen Vertreibungen, das nach Ansicht der Betreiber in Berlin entstehen soll, und der Preußischen Treuhand klar zu distanzieren.
Der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Byrt, gab sich am Donnerstag im RBB-Inforadio vor dem Besuch Köhlers gewohnt diplomatisch: "Ich würde sagen, dass diese Entscheidung des Präsidenten eine neue Phase der deutsch-polnischen Kontakte widerspiegelt." Die beiden großen Auseinandersetzungen zwischen Polen und Deutschland - der Einsatz im Irakkrieg und die unterschiedlichen Positionen zur EU-Verfassung - sehe er als beigelegt an.
Auch Polens Staatspräsident Aleksander Kwasniewski hatte zuvor dem "Tagesspiegel" erklärt: "Der Geburtsort des Bundespräsidenten führt unsere Völker enger zusammen. Die Geschichte muss uns nicht trennen." Ein dezenter Hinweis des Präsidenten auf die Biographie des neuen Bundespräsidenten, der möglicherweise am Donnerstag eine Rolle spielen könnte. Köhler war 1943 im Dorf Skierbieszow geboren worden, aus dem die SS zuvor alle Polen und Juden vertrieben hatte. Viele Dorfbewohner wurden in Auschwitz von den Nazis umgebracht. Mit Spannung wird wohl nicht nur in Polen darauf gewartet, wie Köhler seine Herkunft für versöhnliche Gesten in Polen nutzt.
Vertriebene gedenken des Warschauer Aufstandes
Wie schwierig, trotz aller offiziellen Freundschaftsbekundungen, das Verhältnis zu Deutschland in Teilen der polnischen Gesellschaft derzeit ist, zeigt auch ein anderes Ereignis. An kommenden Montag wird der Bund der Vertriebenen in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung in Berlin des Warschauer Aufstands von 1944 gedenken.
Das Ereignis hat bereits vorab zu harscher Kritik in polnischen Medien geführt. Der Vertriebenen-Funktionärin Steinbach wurde unterstellt, mit dieser Veranstaltung in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt für ihr Projekt eines Zentrums gegen Vertreibung werben zu wollen.
An der Veranstaltung im Rahmen der Vortragsreihe "Empathie - der Weg zum Miteinander" nehmen unter anderem der Publizist und Holocaust-Überlebende Ralph Giordano und der frühere bayerischen Staatsminister Hans Maier teil. Die Vertriebenen-Vorsitzende Steinbach, die im vergangenen Jahr von einem der führenden Magazine des Landes, der Wochenzeitschrift "Wpost", in einer SS-Uniform abgebildet wurde, begründete die Veranstaltung unter anderem mit der Notwendigkeit, dass beide Völker das Wissen und den Erfahrungsaustausch über die Vergangenheit bräuchten: "Nur daraus erwächst Mitgefühl und Verständnis", so Steinbach. Die Traumata der östlichen Nachbarn, die nun in der EU sind, seien in Deutschland "viel zu wenig bekannt."
Der Warschauer Aufstand von 1944 gehört unzweifelhaft dazu. Damals hatte die polnische, nicht-kommunistische Widerstandarmee versucht, die von den Deutschen besetzte Stadt zu übernehmen, um damit die Unabhängigkeit des Landes, auch vor der am anderen Ufer der Weichsel stehenden Roten Armee, zu unterstreichen. Doch Wehrmacht und SS gelang es schließlich, den Aufstand mit brutalen Mitteln unter den Augen der tatenlos zuschauenden Sowjets niederzukämpfen.