Nein zur Justizreform Dudas Veto erschüttert Polen

Demonstranten in Polen protestieren für ein Veto gegen die Reformen
Foto: KACPER PEMPEL/ REUTERSAndrzej Duda war bisher nicht unbedingt als Mann mit eigenem Kopf bekannt. Im Gegenteil: Noch die umstrittensten Gesetze der Regierungspartei PiS um Chef Jaroslaw Kaczynski hatte Polens Präsident in der Vergangenheit widerstandslos durchgewunken. Kritiker verhöhnten ihn daher auch gern mal als "Kaczynskis Kugelschreiber".
Umso mehr Wucht entfaltete daher Dudas Satz vom Montag: "Als Präsident fühle ich, dass die Justizreform in dieser Form nicht das Gefühl von Gerechtigkeit und Sicherheit stärkt", erklärte er in einer vom Fernsehen übertragenen Erklärung. Er werde die von den beiden Parlamentskammern im Eiltempo verabschiedeten Gesetze zur Reform des Landesrichterrates und des Obersten Gerichts nicht unterschreiben. Stattdessen sollen in den nächsten zwei Monaten neue Gesetzesvorschläge entstehen. Damit stellt er sich gegen die PiS-Linie - und damit gegen Kaczynski.

Polens Präsident Andrzej Duda
Foto: KACPER PEMPEL/ REUTERSSeine Entscheidung begründete Duda nicht nur mit den landesweiten Protesten, sondern auch mit den Bedenken seiner Gesprächspartner, die er in den vergangenen Tagen getroffen hat. Dabei hob Duda, selbst promovierter Jurist, besonders Zofia Romaszewska hervor. Die ehemalige antikommunistische Aktivistin berät den Präsidenten in gesellschaftlichen Fragen. "Frau Zofia hat mir gesagt, dass sie schon einmal in einem Staat lebte, in dem der Generalstaatsanwalt unbegrenzte Macht hatte und so gut wie alles durfte. In so einen Staat möchte ich nicht zurückkehren", erklärte der Präsident, der sich damit auch klar gegen Justizminister Zbigniew Ziobro positionierte. Dieser ist seit 2016 gleichzeitig auch noch Generalstaatsanwalt und hätte durch die von der PiS geplante Justizreform einen noch größeren Einfluss auf die Gerichte.
Die Erklärung Dudas löste gemischte Reaktionen aus. "Ich habe mich bei dem Präsidenten für sein Veto bedankt", erklärte Malgorzata Gersdorf, die Präsidentin des Obersten Gerichts. Auch die Kirche, in den vergangenen Tagen noch sehr zurückhaltend, lobte Duda in einem von der Bischofskonferenz veröffentlichten Brief. Liberale Medien erklärten, dass Duda sich endlich wie ein Präsident verhalte.

Polnischer Präsident gegen Reform: Duda blockiert
In Brüssel reagierte der Chef der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, dagegen zurückhaltend. Dieses sei ein "Etappensieg", aber "kein Grund zur Entwarnung", sagte der CSU-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Änderungen an den Justizgesetzen in Polen dürften "nicht nur kosmetischer Natur sein", sagte Weber. Es sei "zu früh, den Druck von der polnischen Regierung zu nehmen".
Das gilt nicht zuletzt, weil es in Polen, aber auch in Brüssel Stimmen gibt, die hinter Dudas Schritt ein abgekartetes Spiel vermuten. Eine Art demokratisches Scheinmanöver, um den Druck von der Straße zu nehmen und die Lage zu beruhigen.
Wütend beim Parteitreffen aufgetaucht
Zunächst aber sorgt das präsidiale Veto für erhebliche Erschütterungen im Regierungslager. Bereits kurz nach Dudas Ankündigung fand in der Pis-Zentrale eine Krisensitzung statt, an der neben Kaczynski und Ministerpräsidentin Beata Szydlo weitere wichtige PiS-Politiker teilnahmen, die aus ihrem Unmut kein Geheimnis machten. "Ich bin enttäuscht von der Entscheidung des Präsidenten, weil es eine gute Reform war", erklärte der Wirtschaftsminister und stellvertretende Ministerpräsident, Mateusz Morawiecki.
Kaczynski sei wutentbrannt bei dem Termin aufgetaucht, berichten polnische TV-Sender. Ein weiteres Krisentreffen fand am Nachmittag im Amtssitz von Szydlo statt. Am frühen Abend wurde bekannt, dass die Arbeiten an einer neuen Version der Reform bereits in der kommenden Woche starten sollen - obwohl dann eigentlich schon Sommerferien sind.
Premierministerin Beata Szydlo sagte laut der Nachrichtenagentur Reuters in einer vom Fernsehen übertragenen Ansprache, das Veto des Präsidenten habe den notwendigen Reformprozess verlangsamt. Die Regierung solle sich nicht dem "Druck von der Straße und aus dem Ausland" beugen.
Lassen sich die Massen auf den Straßen beruhigen?
Selbstkritik sucht man bei den Nationalkonservativen dagegen vergebens. Dabei wäre diese nicht nur wegen der innergesellschaftlichen Spannungen angebracht, die die Justizreform noch mehr verschärft hat, sondern auch wegen des Dilettantismus' der Regierung. Wie am Wochenende bekannt wurde, unterschied sich die Gesetzesvorlage, über die am Freitag der Senat abstimmte, in einigen Punkten von der, die vom Parlament verabschiedet wurde.
Sieger dieser turbulenten Tage könnte die polnische Zivilgesellschaft werden. Trotz aller Versuche regierungsnaher Medien, die Proteste als aus dem Ausland geleiteten Putsch darzustellen, zog es in den letzten Tagen immer mehr Menschen zu Lichterketten und Demos. Und ob diese mit dem Veto des Präsidenten aufhören, ist fraglich. Denn trotz aller Kritik wird der Präsident das Gesetz über die Reform der Ordentlichen Gerichtsbarkeit unterschreiben. Dieses erlaubt beispielweise dem Justizminister, Gerichtspräsidenten und ihre Stellvertreter zu entlassen, falls man mit deren Arbeit nicht zufrieden war. Auch bei diesem Gesetz verlangen die Demonstranten ein Veto des Präsidenten - sie werden es nicht bekommen.
Gut möglich also, dass Dudas bemerkenswerter Schritt vom Montag nicht mehr ausreicht, um die aufgebrachten Polen wieder von der Straße zu holen.