Staatsoberhäupter bei Twitter Das Zwitschern der Macht

Obamas erfolgreichster Tweet: Im November 2012 jubelte er bei seiner Wiederwahl über "Four more years."
Foto: Twitter/ dpaHamburg - Michelle und Barack Obama in inniger Umarmung, dazu der Text: "Four more years". Zu seiner Wiederwahl im November 2012 landete der US-Präsident so seinen erfolgreichsten Tweet : mehr als 750.000 Retweets, knapp 300.000 Favorites. Oder die Botschaft von Ägyptens Präsident Abd al-Fattah al-Sisi: "Ich bin bereit, hart zu arbeiten, und ich rufe jeden auf, gemeinsam mit mir Verantwortung zu übernehmen. Der Aufbau dieser Nation liegt in unser aller Verantwortung #EslebeÄgypten". Immerhin noch 5000 Twitterern gefiel das.
Laut der "Twiplomacy"-Studie , die die PR-Agentur Burson-Marsteller jedes Jahr veröffentlicht, führt Obama mit 43,9 Millionen Followern die Rangliste der erfolgreichsten twitternden Politiker weltweit an. Gefolgt von Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono und Indiens Regierungschef Narendra Modi mit jeweils 5,1 Millionen Followern.
Mittlerweile füttern 83 Prozent der Regierungen von Uno-Mitgliedstaaten ihre Twitter-Accounts mit politischen Botschaften und Links zu Berichten. 68 Prozent der Staatschefs haben einen persönlichen Account und schreiben dort selbst oder lassen twittern.
Dabei ist laut Studie ein Trend festzustellen: Den Kanzlern und Präsidenten geht es nicht mehr nur darum, sich und ihre Politik selbst darzustellen, sondern auch um "Twiplomacy". Kanzler, Außenminister, Präsidenten sind dort untereinander vernetzt, schreiben sich gegenseitig, zeigen sich gemeinsam auf TwitPics, also Fotos.
Und deutsche Politiker? Tauchen zumindest in den Tweets anderer auf. Auch wenn die Bundeskanzlerin selbst keinen Twitter-Account hat, ist sie zum Beispiel Thema für den Top-Tweet der japanischen Regierung.
Einen Monat vor Beginn der Fußball-WM 2014 überreichte Premier Shinzo Abe Angela Merkel ihr persönliches Japan-Trikot. So leicht kann Politik auf Twitter sein.
Und wenn Kenias Präsident Uhuru Kenyatta Schauspielerin Lupita Nyong'o zu ihrem Oscar für den Film "Twelve Years a Slave" gratuliert, ist die Twitter-Welt in Ordnung.
Aber auch schlechte Nachrichten verbreiten sich bei Twitter rasant. So etwa die Mitteilung des südafrikanischen Präsidenten, dass Nelson Mandela sich im Krankenhaus und in einem kritischen Zustand befinde:
Politische Entwicklungen lassen sich bei Twitter hautnah verfolgen. So zum Beispiel im Atomstreit mit Iran. Hier die erleichterte Botschaft von Irans Außenminister Dschawad Sarif: "Wir haben eine Einigung getroffen."
Dabei hatte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu mit seinem erfolgreichsten Tweet noch eindringlich via Twitter vor Iran gewarnt.
Was Deutschland betrifft, ist das Fazit der PR-Agentur harsch: "Angela Merkel weigert sich, dem Schwarm der Weltpolitiker auf Twitter zu folgen, und gibt zu, dass das Internet 'Neuland für uns alle', also unbekanntes Terrain für uns alle ist." Deutschland sei das einzige G7-Land, in dem weder das Staatsoberhaupt noch die Regierungschefin bei Twitter sei.
Immerhin gelte der Account von Regierungssprecher Steffen Seibert als Merkels Stimme auf Twitter. Und auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier sei durch das Auswärtige Amt vertreten - das mit den Glückwünschen an Conchita Wurst , die bärtige Gewinnerin des Eurovision Song Contests, punkten konnte.
Einen rein zahlenmäßigen Vergleich will Politik- und Social-Media-Berater Martin Fuchs aber nicht gelten lassen. "Die Anzahl sagt nichts über Reichweite und den Einfluss aus." Entscheidend sei vielmehr die Qualität der Follower, ob darunter entscheidende Politiker und Botschafter sind.
Keine Vorreiterrolle für Deutschland
Auch die Kritik an Angela Merkels "Twitter-Boykott" kann der Experte so nicht nachvollziehen. "Angela Merkel hat sich Twitter vor ein paar Jahren angeschaut, hat schnell gemerkt, dass es nicht ihr Kanal ist und sich aktiv gegen eine Nutzung entschieden", sagt der Hamburger Wahlbeobachter Fuchs. Das sei konsequent. Auch sich bewusst gegen ein Kommunikationsinstrument zu entscheiden, zeuge von einer Social-Media-Kompetenz. "Als Staatsfrau ist auch wenig Platz für pointierte Tweets."
Außerdem twitterten allein in der Bundesregierung 22 von 50 politischen Mitgliedern , also Ministern, parlamentarischen Staatssekretären und Staatsministern. Dazu kämen weitere Spitzenpolitiker wie Partei- und Fraktionschefs, Ministerpräsidenten und der Regierungssprecher - "also eine ganze Menge Spitzenpolitiker", summiert Fuchs.
Bei aller Schönrederei - Vorreiter sind die Deutschen wahrlich nicht. Der erste Tweet von Regierungssprecher Seibert kam Ende Februar 2011, das Auswärtige Amt folgte Anfang Mai. International betrachtet legten sich die ersten Staatsmänner dagegen bereits 2007 einen Account zu.
Hier sind ein paar erste Tweets:
"Gut, jetzt bin ich dran. Ich verlange den Kopf von Didier oder den Posten des Premierministers…" So selbstbewusst kann man auf Twitter einsteigen. Heute ist Elio Di Rupo Premierminister des Königreichs Belgien, sein damaliger Konkurrent Didier Reynders ist Außenminister. Ganz artig startete der mexikanische Präsident Enrique Pena Nieto. Er freue sich darauf, Erfahrungen, Meinungen und Vorschläge auszutauschen und wünsche seinen Followern einen schönen Tag.
US-Präsident Barack Obama hat nicht nur die meisten Follower, er war laut der Studie tatsächlich auch der erste Staatschef, der 2007 twitterte. Seinen ersten Tweet sendete er am 29. April 2007, damals noch als Senator und Bewerber auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten. Die Mitteilung bekommt ob der aktuellen politischen Entwicklung einen bitteren Beigeschmack: "Ich denke, wir sind nur eine Unterschrift davon entfernt, den Krieg im Irak zu beenden."