Mord an Kreml-Kritikerin Politkowskaja Russisches Gericht verurteilt Täter zu langer Haft

Fall Anna Politkowskaja: Ein Mann gedenkt der ermordeten russischen Journalistin
Foto: Maxim Shipenkov/ dpaMoskau - Am 7. Oktober 2006 wurde die Kreml-kritische Journalistin Anna Politkowskaja vor ihrer Wohnung durch mehrere Schüsse getötet. Nun hat das Moskauer Stadtgericht in dem Mordfall lange Haftstrafen gegen fünf Männer verhängt. Der mutmaßliche Organisator sowie der Todesschütze müssen demnach lebenslang ins Straflager.
Richter Pawel Meljochin verurteilte außerdem drei Komplizen zu zwölf, 14 und 20 Jahren Straflager. Die Beschuldigten sind drei Brüder aus Tschetschenien, ihr Onkel sowie ein früherer Moskauer Polizeioffizier. Einer der Brüder soll Politkowskaja erschossen haben. Politkowskaja hatte aus dem früheren Kriegsgebiet Tschetschenien im Nordkaukasus berichtet.
Die Verteidigung hatte aus Mangel an Beweisen einen Freispruch verlangt und kündigte an, das Urteil anfechten zu wollen - wenn nötig vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. "Der Mord wurde von anderen Leuten verübt. Und der Auftraggeber wurde nicht genannt", sagte der Anwalt Said Achmet Artamirsajew.
Denn wer hinter dem Mord an der Journalistin steckt, ist weiterhin unbekannt. "Es bleiben viele Fragen zu den Drahtziehern", sagte auch Politkowskajas Sohn, Ilja Politkowski. Die Familie Politkowskajas sowie ihre Kollegen der Kreml-kritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" suchen weiter nach den Hintermännern. Erst wenn alle Schuldigen bestraft seien, könne ein Schlussstrich gezogen werden, erklärte die Anwältin der Familie. Auch die nationale Ermittlungsbehörde suche weiter nach dem Auftraggeber, sagte ein Sprecher der Agentur Interfax. Bis heute halten sich Gerüchte, wonach die Auftraggeber im russischen Machtapparat sitzen könnten.
Nur ein "kleiner Schritt"
Menschenrechtler forderten eine Aufklärung des politischen Verbrechens. "All diese Menschen haben eine harte Strafe verdient. Aber sie alle hatten kein persönliches Motiv, Politkowskaja zu verfolgen und zu töten", sagte die Chefin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Alexejewa. Amnesty International schloss sich der Kritik an. Die Urteile seien nur ein "kleiner Schritt" bei der Herstellung der Gerechtigkeit, sagte der Russland-Chef der Menschenrechtsorganisation, Sergej Nikitin. Der Mord zeige die "große Gefahr, die allen droht, die über Menschenrechtsverstöße oder Korruption in Russland sprechen oder schreiben".
Für einen Teil der Beteiligten ist es bereits der zweite Prozess, weil ihnen bei einem ersten Verfahren 2009 eine Schuld nicht nachgewiesen werden konnte. Im Mai waren jedoch alle fünf Verdächtigen von den Geschworenen schuldig gesprochen worden.
Wichtigstes "Beweismittel" war diesmal eine Aussage des Ende 2012 verurteilten früheren Polizisten Dmitri Pawljutschenkow. Er hatte nach einer Abmachung mit der Anklage eingeräumt, die Mordwaffe organisiert und dem Mörder übergeben zu haben.