Politstar Naser Khader Der Mann, der Dänemark munter macht
Berlin - Naser Khader ist allgegenwärtig: Er schüttelt Hände in Fußgängerzonen, schlendert in Jeans und Fellkragenparka durch die Straßen dänischer Städte. Vormittags verkündet er seine neuesten Vorschläge zur Einwanderungspolitik. Abends führt er ein Gesprächsduell mit der Vorsitzenden der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, Pia Kjærsgaard. Der 44-jährige Politiker tummelt sich in der letzten Phase des dänischen Wahlkampfes.
Am Dienstag kommender Woche ist Wahltag. Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen hatte die Neuwahlen vor zwei Wochen kurzfristig anberaumt. Und Naser Khader, der Vorsitzende der neu gegründeten Partei "Ny Alliance" (Neue Allianz) ist der Shooting-Star der dänischen Politik: charismatisch, mediengewandt, mutig - und der erste Migrant, der in Dänemark je ins Parlament einzog.
Seit 2001 regiert in Dänemark das rechtsliberal-konservative Bündnis unter Ministerpräsident Rasmussen. Gestützt wird die Koalition im Parlament von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei. In neuesten Umfragen liegen die oppositionellen Sozialdemokraten und die Rechtsliberalen von Rasmussen bei ungefähr 25 Prozent fast gleichauf.
Etwa sechs Prozent Stimmanteil sagen Umfragen der "Ny Alliance" voraus - die Partei könnte entscheiden, ob das rechtsliberal-konservative Bündnis an der Macht bleibt, oder ob Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen von einem Linksbündnis abgelöst wird. Khader könnte dafür sorgen, dass die Regierung nicht länger auf die Unterstützung der Rechtspopulisten angewiesen ist.
Das Rennen zwischen den beiden politischen Lagern ist eng. Die etablierten dänischen Parteien sind nervös. In der Parteiführung der rechtsliberalen "Venstre" von Rasmussen fragt man sich genervt: Sind die nun bürgerlich oder sozialistisch, die neuen Politiker der "Ny Alliance"?
Mittler in der Mohammed-Karikaturen-Krise
Prominent wurde Naser Khader, der 44-jährige Sohn einer syrischen Mutter und eines palästinensischen Vaters, bereits vor knapp zwei Jahren. Damals erlebte Dänemark eine Krise, die das Land bis auf die Grundfesten erschütterte. Die Zeitung "Jyllandsposten" hatte Karikaturen des Propheten Mohammed gedruckt. Radikale Muslime fühlten sich beleidigt. In islamischen Ländern wurden dänische Flaggen abgefackelt, Botschaften angegriffen, zum Boykott dänischer Waren aufgerufen. Bei gewalttätigen Demonstrationen starben Dutzende Menschen, viele in Pakistan. Die Zeichner der Karikaturen mussten untertauchen.
Khader, schwarze Haare, athletischer Körper, markantes Gesicht und als erfolgreicher Muslim Sinnbild für eine gelungene Integration in Dänemark, stellte sich vor die Kameras und sprach klare Worte. Der damalige Abgeordnete der Linksliberalen beschuldigte in Dänemark lebende Imame, das Feuer absichtlich geschürt zu haben. Sie hätten vor arabischen Fernsehsendern gegen Dänemark gehetzt. Khader, damals seit fünf Jahren Parlamentsabgeordneter, beriet die Regierung von Anders Fogh Rasmussen während des Streits - und er forderte einen Dialog. Der 44-Jährige gründete das Netzwerk der moderaten Muslime.
Mit seinem Engagement machte sich der liberale Politiker auch Feinde: Ein Imam aus Kopenhagen geiferte, Khader und Hirsi Ali seien wie "Ratten, die aus den Löchern" kämen. Wegen Drohungen aus dem islamistischen und dem rechtsradikalen Lager steht Khader seitdem unter Polizeischutz.
Khader streitet ums Kopftuch
Im Mai dieses Jahres dann eine fulminante Wende: Von einer "Schockwelle" schrieben Zeitungen, als Khader den Linksliberalen den Rücken kehrte und zusammen mit der Konservativen Gitte Seeberg und einem alten Parteikollegen die "Ny Alliance" aus der Taufe hob.
Die Botschaft der drei Politiker: "Ny Alliance" ist eine Partei der Mitte, die nicht auf Koalitionen festgelegt ist. Eine Gruppierung, die offen ist - und sich nur auf einen Gegner festlegt: die rechtspopulistische dänische Volkspartei, die mit ihrer ausländerfeindlichen Politik Stimmung macht und die Regierung Rasmussen stützt. "Wir treten an, um die Macht der Dänischen Volkspartei zu brechen", erklärte Khader.
Der Gründung der "Ny Alliance" war Zwist in Khaders alter Partei, voraus gegangen. Zuletzt hatte vor allem eine liberale Parteikollegin Khader erzürnt. Sie hatte sich, nachdem die Rechtspopulisten Nazi-Symbole mit dem muslimischen Kopftuch verglichen, verhüllt ins Parlament gesetzt. Damit stärke sie nur die Islamisten, kritisierte Khader.
Das Echo in Bevölkerung und Medien auf den Gründungs-Coup vom Mai war gewaltig. Ministerpräsident Rasmussen sagte, er habe persönlich großen Respekt für Khader. Khader habe unablässig für Meinungsfreiheit, Gleichstellung und Demokratie gekämpft - auch wenn es für ihn mit Schwierigkeiten verbunden war. Die "Ny Alliance" heiße er in der dänischen Politik herzlich willkommen.
"Der Traum um Naser Khader"
Die Begeisterung von Rasmussen dürfte inzwischen geschwunden sein. Die "Ny Alliance" von Naser Khader wird zu einem unkalkulierbaren Risiko: Sie bringt sowohl Sozialdemokraten und Konservative mit immer neuen Reformvorschlägen in Bedrängnis.
Khaders Partei fordert massive Steuersenkungen bei gleichzeitiger Verbesserung der Wohlfahrtsleistungen. Khader will, dass Asylbewerber in Dänemark nicht in Heimen wohnen, sondern mitten in der Gesellschaft - wo sie auch arbeiten dürfen sollen. Er kritisiert die ausländerfeindliche Politik der dänischen Volkspartei, fordert, dass Dänemark seiner humanitären Verpflichtung nachkommt und Flüchtlingen Schutz bietet. Abgewiesene irakische Flüchtlinge sollten mindestens zwei Jahre in Dänemark bleiben dürfen, lautet sein neuester Vorschlag. Und wenn sich die Situation im Irak nicht bessere, auch viel länger.
Andererseits will Khader, dass reguläre Einwanderung von der wirtschaftlichen Situation und dem arbeitsmarktpolitischen Bedarf in Dänemark abhängig gemacht wird. Streng, aber human lautet sein Motto. Erfolgreiche Integration hänge auch von der Zahl derer ab, die nach Dänemark kommen, heißt es im Parteiprogramm.
Bei den Konservativen geht man bereits zum Angriff über: "Für die 'Ny Alliance' zu stimmen ist eine unsichere Sache, solange sich die Partei nicht für Fogh Rasmussen als künftigen Ministerpräsident entscheidet", sagt der Vorsitzende. Die Sozialdemokraten indes sollen Khader schon einen Ministerposten in Aussicht gestellt haben, damit er sich endlich festlegt.
Beschuldigungen wegen Schwarzarbeit
Aber Khader - der weiß, dass er mit seiner Partei als Zünglein an der Waage eine wichtige Rolle spielen kann - bleibt kühl und gibt den Schwarzen Peter zurück: Der Ministerpräsident solle selbst sagen, ob er seine Minderheitsregierung weiter mit der Unterstützung der Rechtspopulisten der Dänischen Volkspartei aufrecht erhalten würde. Wenn Rasmussen bereit sei, auf die "Ny Alliance" in wichtigen Fragen - etwa in der Asylpolitik - zuzugehen, dann werde er ihn auch als Ministerpräsident stützen.
Unterdessen bewegen Dänemark nicht nur die letzten Umfragewerte: Zwischen Khader und dem Chefredakteur der Zeitschrift "Se og Hør" ist ein heftiger Streit entbrannt. "Se og Hør" hatte geschrieben, der Politiker habe Handwerker schwarz bei sich beschäftigt. Khader streitet die Vorwürfe ab und ging zum Gegenangriff über. Vor Wut bebend nannte er den Chefredakteur ein "Schwein".
"Der Traum um Naser Khader" hatte die norwegische Zeitung "Aftenposten" einen Artikel über den Politiker überschrieben - und gefragt, ob der charismatische Khader auch professionell und staatsmännisch genug ist, um eine Partei zu führen und auf einem Ministersessel Platz zu nehmen.
Sechs Tage hat Khader noch - dann wird sich zeigen, ob die dänischen Wähler seinem Traum glauben.