Präsident bei "Fox News" Wie Obama seinen Top-Kritiker austrickste

US-Präsident Obama (Archivbild): "Bill, ich kenne mich mit Football aus!"
Foto: Matt Rourke/ APEr trug das hellblaue Hemd aufgeknöpft, ohne Krawatte. Doch selbst das war ihm noch zu förmlich. "Ich habe am Super-Bowl-Sonntag ein Jacket an", nörgelte auf die Frage, was ihm an seinem Job im Moment am wenigsten gefalle.
Sonntagnachmittag: Der US-Präsident saß im Blue Room des Weißen Hauses, locker zurückgelehnt, die Beine überkreuz. Ihm gegenüber, angriffslustig vorgebeugt wie ein Adler, lauerte Bill O'Reilly, der profilierteste Polemiker des konservativen Kabelsenders Fox News. Die Kameras liefen, live, die Sendung ungeschnitten.
Es war das erste Mal, dass die beiden seit Obamas Wahl vor mehr als zwei Jahren zum Interview aufeinandertrafen. Und erst das dritte Mal überhaupt, dass sich Obama mit Fox News abgab, dem im West Wing so verhassten Ziehkind des Medienmoguls Rupert Murdoch.
Alle Zeichen standen also auf Showdown. Die Themenlage war brisant: , das nächste US-Präsidentschaftsrennen dräut. Das Risiko war hoch: "Man wird sich nirgendwo verstecken können, wenn die Dinge schief laufen", hatte O'Reilly zuvor schon geahnt. Und die Uhr tickte: In einer Viertelstunde nur würde der Marathon des Super Bowls beginnen, bei dem mehr als 100 Millionen Amerikaner vor dem Triptychon von Football, Fernsehen und Konsum niederknien.
Dies werde "das am meisten gesehene Interview in der Geschichte", war O'Reillys großmäulige Prophezeihung gewesen. "Mehr Leute werden dieses Interview sehen als sonst ein Interview in der Menschheitsgeschichte."
Doch dann, das Undenkbare: Der Showdown schrumpfte zum Schmusefest. Obama ließ sich nicht anmerken, dass er gerade auf dem schmalsten aller Drahtseile balancierte. Er war charmant und leger, er lachte, parierte die paar Querschüsse lässig, sagte nichts Neues, weder zu Ägypten noch auf sonst eine Frage, und ertränkte O'Reilly stattdessen in Floskelsirup.
Der wiederum verkümmerte vom Hasser zum Fanboy im Bann der Obama-Aura: "Hoffentlich finden Sie, dass ich fair zu Ihnen bin."
O'Reilly, Sprachrohr der rechten Wut, wurde plötzlich handzahm. Ein vielsagender Flop: Mag die US-Regierung zu Ägypten auch noch so hilflos agieren, mag Washington noch so schwanken zwischen historischer Retter-Rolle und Realpolitik, mag Obama noch so hadern angesichts der rohen Revolution auf dem Tahrir-Platz - die Republikaner haben ihm dieser Tage wenig entgegenzusetzen.
Obama ließ sich nicht aus der Reserve locken
Im Gegenteil. John McCain, Obamas Wahl-Widersacher von 2008, lobte ihn sogar. "Bislang hat der Präsident die Krise gut gemeistert", sagte er im Gespräch mit dem SPIEGEL - immerhin handle es sich um die "größte Krise der US-Außenpolitik seit dem Ende des Kalten Krieges". Obama habe nur verkannt, wie sehr sich auch die Menschen im Nahen Osten nach Freiheit und Demokratie sehnten: "Er scheint das jetzt eingesehen zu haben, aber er hat lange dafür gebraucht."
Sarah Palin, potentielle Gegenkandidatin 2012, versuchte es am Wochenende zwar härter, in einem Interview mit dem christlichen TV-Sender CBN. Doch ihre Obama-Kritik soff in einem ihrer typischen Bandwurmsätze ab: "Und keiner hat bisher, keiner hat dem amerikanischen Volk bisher erklärt, was sie wissen, und sie wissen sicher mehr, als der Rest von uns weiß, wer es sein wird, der die Stelle von Mubarak einnehmen wird, und nein, nicht, nicht wirklich begeistert darüber, was es ist, das auf der nationalen Ebene und aus Washington getan wird, um die ganze Situation da in Ägypten zu verstehen."
Und Glenn Beck, Fox News' lautester Kreischer, verhaspelte sich in einer islamophobischen Zirkusshow, die selbst seine Vasallen zum Verzweifeln brachte: "Marxisten" wie Obama wollten jetzt gemeinsam mit den radikalen Islamisten ein muslimisches "Kalifat" errichten, das von Asien über Europa bis in die USA reiche. Mit solcher "Hysterie", schrieb da selbst der konservative Kommentator Bill Kristol, habe sich Beck endgültig ins Abseits getrieben.
Aus solchen Fetzen können die Republikaner kein Wahlkampfthema für 2012 schmieden.
Die Hoffnung lag auf O'Reilly, mit ein paar gepfefferten Fragen den Super-Bowl-Sonntag zum Super Bowl der republikanischen Obama-Hatz zu machen. Doch nichts: O'Reilly ließ sich von Obama zu Ägypten mit Allgemeinplätzen einwickeln: "ordentlicher Übergang", "sinnhafter Übergang", kennt man ja längst.
Wird Mubarak bald abdanken? "Nur er weiß, was er tun wird." Müssten die USA ihn nicht beseitigen? "Was wir tun können, ist, dass wir sagen: Die Zeit ist jetzt gekommen, in diesem Land den Wandel einzuleiten." Und was wird mit der Muslimbrüderschaft? "Ich glaube, die Muslimbrüderschaft ist nur eine Fraktion in Ägypten. Sie haben keine Mehrheit."
O'Reilly wandte sich der Gesundheitsreform zu, ohne Erfolg, und gab das schnell wieder auf. Er zitierte das "Wall Street Journal" und handelte sich damit nur ein Grinsen ein. Er scheiterte daran, Obama mit kumpelhaften Reizfragen aus der Reserve zu locken. Er probierte sogar verzweifelt, ihn als Football-Banausen zu entlarven. "Bill, ich kenne mich mit Football aus, Mann", schoss der eisig lächelnd zurück.
Am Ende blieb O'Reilly nur übrig, darüber zu meckern, dass er nicht zu Obamas Super-Bowl-Fete eingeladen worden sei. Zu der trafen zur gleichen Zeit Jennifer Lopez, Marc Anthony, Kongress- und Kabinettmitglieder im Privatflügel des Weißen Hauses ein, wo ihnen Bratwurst, Cheeseburger, Pizza, deutscher Kartoffelsalat und US-Bier serviert wurden.
"Ich will euch die Party nicht verderben", sagte O'Reilly zum Abschied. Keine Sorge.