
Afghanistan-Wahl: Raketen und Gewehre
Präsidentenwahl in Afghanistan Anhänger Karzais und Abdullahs beanspruchen Sieg
Kabul - Eigentlich hatten Beobachter selbst mit inoffiziellen Ergebnissen der afghanischen Präsidentenwahl erst in einigen Tagen gerechnet - nun hat der Wahlkampfchef Hamid Karzais verkündet: Der Präsident sei im Amt bestätigt worden. Erste Hochrechnungen hätten ergeben, dass Karzai die Mehrheit der Stimmen erzielt habe. Ein zweiter Wahlgang sei somit voraussichtlich nicht notwendig, sagte der Wahlkampfmanager am Freitag.
Wenig später konterte das Team um Herausforderer Abdullah Abdullah. Auch sein Lager will Zählungen durchgeführt haben und hat die entsprechenden Ergebnisse in der eigenen Zentrale ausgehängt.
Offizielle Angaben zum Wahlergebnis gibt es bisher nicht, Beobachter rechnen frühestens am Samstag mit belastbaren Zahlen. Die Wahlkommission teilte lediglich mit, die Stimmenzählung sei inzwischen beendet. Die Wahlbeteiligung habe bei 40 bis 50 Prozent gelegen, 2004 lag sie noch bei rund 70 Prozent.
Trotz Anschlagsdrohungen und einiger Angriffe hatten sich am Donnerstag Millionen Afghanen an der Wahl beteiligt. Während der Wahlen waren bei Anschlägen und Gefechten mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen.
Amtsinhaber Hamid Karzai war als Favorit ins Rennen gegangen. Sein wichtigster Herausforderer war der frühere Außenminister Abdullah Abdullah. Insgesamt stellten sich 30 Kandidaten den Wählern, darunter zwei Frauen. Es war der zweite Urnengang seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001.
Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale begann die Auszählung der Stimmen. Am 17. September sollen die Endergebnisse der Präsidentschafts- und der parallel angesetzten Provinzratswahlen offiziell vorliegen. Sollte doch keiner der Bewerber um das Präsidentenamt eine absolute Mehrheit erreichen, kommt es nach derzeitiger Planung Anfang Oktober zu einem weiteren Wahlgang. Dann würden nur noch der Spitzenreiter und der Zweitplatzierte antreten.
Die Unabhängige Wahlkommission in der Hauptstadt Kabul teilte mit, in fast 95 Prozent der Wahlzentren im Land sei der Urnengang ohne Probleme verlaufen. 300.000 Sicherheitskräfte waren bei der Wahl im Einsatz. Dennoch kamen binnen weniger Stunden mehr als 50 Menschen bei verschiedenen Anschlägen und Gefechten ums Leben, rund die Hälfte davon waren Aufständische. Das Verteidigungsministerium zählte insgesamt 135 Zwischenfälle im ganzen Land, darunter vier Selbstmordanschläge.
Der Weltsicherheitsrat gratulierte den Afghanen zu den Wahlen in ihrem Land. "Die Mitglieder des Sicherheitsrats beglückwünschen die Menschen in Afghanistan zu ihrer Beteiligung an diesen historischen Wahlen", hieß es in einer am Donnerstagabend von der Ratspräsidentschaft in New York verbreiteten Erklärung. Zugleich wurden die Anschläge Aufständischer verurteilt. Zuvor hatte bereits Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon die Afghanen für ihren Mut gelobt, trotz Terrorattacken und massiver Drohungen der Taliban den Weg in die Wahllokale gewagt zu haben.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einem "wichtigen Abschnitt in der Geschichte der demokratischen Entwicklung" Afghanistans. die Wahl sei auch ein Zeichen dafür, dass sich in Afghanistan vieles geändert habe, sagte sie bei einem Besuch in Bielefeld. Außenminister Frank-Walter Steinmeier lobte die Wahl als "Erfolg demokratischer Tugenden" nach 30 Jahren Terror und Krieg. Nun gehe es darum, wachsam zu bleiben.
US-Präsident Barack Obama unterstrich, weiterhin gegen die radikal-islamischen Extremisten am Hindukusch vorgehen zu wollen. "Wir müssen sicherstellen, dass wir uns wirklich darauf konzentrieren, den Job in Afghanistan zum Abschluss zu bringen", sagte Obama. Das werde allerdings seine Zeit brauchen, räumte der Präsident ein.