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Gespaltenes Frankreich: Wahlkampf am Arbeiterkampftag

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Präsidentschaftswahlen in Frankeich Die gespaltene Nation

Der Wahlkampf zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen treibt einen Keil zwischen Gewerkschaften, Parteien und Regionen. Den Tag der Arbeit feiern die Franzosen getrennt.

Die Mitglieder der reformorientierten CFDT-Gewerkschaft versammeln sich am Platz Stalingrad in Paris. Ihre Parole: "Weg mit der reaktionär-identitären Vision des Front National".

Die Genossen der weit weniger gemäßigten kommunistischen CGT und ihre Mitstreiter treffen sich am frühen Nachmittag am Place de la République. Ihr Aufruf lautet: "Nein zum Erpressungsversuch - Liberalismus oder Faschismus."

Es ist 1. Mai, Tag der Arbeit, Frankreichs Gewerkschaften zeigen ihre Macht. Sie mobilisieren, allerdings: Vereint sind sie nicht.

Der Grund für die getrennten Veranstaltungen ist ihre unterschiedliche Haltung zum Präsidentschaftskandidaten Emmanuel Macron . Die zentralen Fragen: Muss man Macron und seine Bewegung "En Marche" gegen Marine Le Pen, die Kandidatin des rechtsradikalen Front National (FN), unterstützen? Oder droht mit Ex-Banker Macron der Aufbruch in eine unternehmerfreundliche, neoliberale Ära?

Es sind nicht nur die Vertreter der Arbeiterklasse, die getrennt marschieren. Wenige Tage vor dem entscheidenden zweiten Durchgang der Präsidentschaftswahlen, ist das politische Frankreich eine geteilte Nation.

Sozialisten und Republikaner zerstritten

Der Kampf um den Einzug in den Élysée, die widerstreitenden Visionen von Macron und Le Pen, offenbaren ideologische Bruchstellen auch innerhalb der etablierten Parteien.

Nach dem Debakel des ersten Wahlganges sind die (noch) regierenden Sozialisten (PS) gespalten in sozialdemokratischen Realos und linke Hardliner. Auch Republikaner streiten nach der Niederlage ihres Kandidaten François Fillon über ihren Kurs, angesichts der nahenden Parlamentswahlen im Juni: traditionell konservativ oder Ruck nach Rechts?

Selbst der Front National, die Partei der rechtsradikalen Präsidentschaftskandidatin, ist geteilt. Marine Le Pen, die mit gut 21 Prozent als zweite aus dem ersten Wahlgang hervorging, muss vor der entscheidenden Stichwahl am 7. Mai präsidialer werden. Sie will als "Kandidatin des Volkes" erscheinen. Ihr Auftritt mit dem gaullistischen Rechtspolitiker Nicolas Dupont-Aignan soll Le Pens Öffnung zum Lager der national-gaullistischen Wähler unterstreichen. Ein "großes republikanisches Bündnis" verspricht sie - und plötzlich will sie nicht mehr den harten Austritt aus EU und gemeinsamer Währung, sondern ein Plebiszit darüber.

Vater Le Pen poltert

Der alte FN, das ist dann wohl Marines Vater Jean-Marie Le Pen, Gründer und ehemals Chef der rechtsextremen Partei. Der 88-Jährige, berüchtigt für seine rassistischen und antisemitischen Ausfälle, tritt getrennt von ihr auf und rügt die Kampagne seiner Tochter als "zu wenig aggressiv". Er poltert gegen Macron, "den Kandidaten des Systems." Und er giftet: "Macron spricht von Arbeitern aber ist ein ehemaliger Bankier von Rothschild, Macron redet von der Zukunft, aber hat keine Kinder."

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Gespaltenes Frankreich: Wahlkampf am Arbeiterkampftag

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Am Abend setzt Emmanuel Macron in seiner Wahlkampfrede alles daran, herauszustellen, dass der FN nach wie vor mehr die Partei des Vaters als der Tochter ist. Le Pen und ihre Partei seien Spalter: "Der Front National ist die Partei des Anti-Frankreich", rief Macron seinen Anhängern zu.

Die FN-Kandidatin wolle Frankreich in die Isolation führen. Ihr Programm sei "ein Programm der Abschottung, des Protektionismus, des Isolationismus, des Nationalismus", sagte Macron. "Sie nutzen die Wut, propagieren Lügen, stacheln Hass an, schüren Spaltungen." An die FN-Wähler gewandt, sagte Macron, er verurteile sie nicht, doch der FN habe die berechtigte Wut der Menschen nicht verdient.

Der Riss geht tief

Der Streit um die Ausrichtung der Parteien schlägt sich auch nieder in einer geographischen Spaltung der Nation - zwischen den modernen, urbanen Zentren und den Verlierern der Globalisierung auf dem Land. Zudem verläuft ein Riss von Nordost nach Südwest - die Großstädte, die Bretagne und die Regionen zwischen Atlantik und Zentralmassiv sind mehrheitlich auf die Seite von Macrons Linie; der FN dominiert in den bäuerlichen Landstrichen und den ehemaligen Industriezentren zwischen Elsass-Lothringen und Provence-Côte d'Azur.

Wenige Tage vor dem zweiten Wahlgang versuchen die Kontrahenten Le Pen und Macron die Kluft zu überbrücken; sie versprechen, einmal gewählt, als Präsident oder Präsidentin "aller Franzosen" zu regieren. Die FN-Kandidatin fordert dabei den Schutz der Nation gegen Macron und die "Herrschaft der Finanzwelt" und gibt sich als selbsterklärte Vertreterin eines kollektiven Volkswillens.

Macron will sich nicht auf die populistische Aufteilung zwischen rechts und links, arm und reich festnageln lassen. Der "Mann der Mitte" will lieber über Werte sprechen: Statt "Teilung und Hass" zu betonen, gibt er sich als Kandidat der Zukunft, als optimistischer Anwalt einer "radikalen, tiefen Erneuerung", welche die Republik gemeinsam schaffen soll.

In einer Umfrage für die Zeitschrift "Paris Match" führte Macron am Montag deutlich mit 59 zu 41 Prozent. Aber auch er weiß, wie knapp es werden kann: "Ich bin weder arrogant noch überheblich. Ich kämpfe um zu überzeugen. Niemand schreibt die Geschichte anstelle der Franzosen."

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