Pressestimmen "Den Euro retten? Schmeißt Deutschland raus!"

Politiker Sarkozy, Merkel in Paris: "Im Schatten" der Kanzlerin?
Foto: Philippe Wojazer/ APBei der Kommentierung der Euro-Politik prescht in dieser Woche die britische Presse besonders weit vor. Die "Times" bescheinigt Deutschland, das "größte Hindernis auf dem Weg zu mehr Integration" zu sein, und gibt die Antwort auf die Krise gleich in der Titelzeile: "Den Euro retten? Schmeißt Deutschland raus!"
"Deutschland ist davon überzeugt, die wirtschaftliche Supermacht Europas zu sein und somit über das Recht zu verfügen, die Euro-Zone nach seinem Modell zu verwalten. Frankreich dagegen ist davon überzeugt, aus historischer Sicht das diplomatisch, intellektuell und bürokratisch führende Land und daher von Natur aus zur Verwaltung aller europäischen Institutionen bestimmt zu sein." (The Times, London, 17. August)
Mit einem geschickten diplomatischen Schachzug, so die "Times", könnte Nicolas Sarkozy jetzt zum Zuge kommen: Immerhin habe Berlin weder der Emission gemeinsam garantierter Euro-Bonds zugestimmt, noch habe es der Europäischen Zentralbank erlaubt, Italien, Spanien und Griechenland durch den Aufkauf ihrer jeweiligen Anleihen zu refinanzieren.
"Deutschland könnte aufgrund mangelnder Solidarität mit den Ländern der Euro-Zone höflich zum Gehen aufgefordert werden. [...] Ohne das deutsche Veto könnte die EZB umgehend italienische und spanische Anleihen in unbegrenzter Höhe erwerben. [...] Wo Clemenceau und Napoleon versagten, könnte Nicolas Sarkozy jetzt triumphieren. Le jour de gloire est arrivé!"
Auch die "Financial Times" findet die Lösung der Euro-Krise darin, dass man "nicht auf Deutschland warten" müsse, und weist darauf hin, dass jetzt "keine Zeit mehr" für die "Brüssler Etikette" sei.
"Wenn wir die Euro-Zone ohne Deutschland [...] betrachten und auch Griechenland ausschließen, stellen wir fest, dass die restlichen elf Länder einen Anleihenmarkt im Wert von 3500 Milliarden Euro schaffen könnten, dessen makroökonomische Daten nur unwesentlich schlechter wären als diejenigen der Euro-Zone insgesamt. Aus politischer Sicht könnte bei den deutschen Wählern die Angst, bei der europäischen Integration hintanzustehen, sogar ihre Bedenken übertreffen, zum Zahlmeister Europas zu werden. Wäre dies der Fall, läge die Macht ganz klar in den Händen der anderen Mitgliedstaaten der Euro-Zone - und das sollten sie ausnutzen." (The Financial Times, London, 16. August)
Auch "La Libre Belgique" setzt sich kritisch mit den Ergebnissen des deutsch-französischen Gipfels und der Rolle Deutschlands in der Bekämpfung der Euro-Krise auseinander. Nicolas Sarkozy befinde sich derzeit "im Schatten Merkels":
Die Mitteilungen von Merkel und Sarkozy sind ganz klar nicht ausreichend, um an den Neustart des deutsch-französischen Motors zu glauben. Im Augenblick ist es Merkel, die den Weg vorgibt und immer wieder die Lösungsvorschläge torpediert, die den deutschen Steuerzahler belasten würden. Sarkozy zappelt herum, aber dabei bestätigt er nur die deutschen Befürchtungen, dass man für die Schulden der anderen wird zahlen müssen. Es wird sich noch herausstellen, ob diese Befürchtung die Situation im Euro-Raum nicht noch verschlimmert. (La Libre Belgique, Brüssel, 17. August)
Die spanische Zeitung "ABC" sieht nach dem Treffen von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy und ihren Vorschlägen zur Stabilisierung die Gefahr, dass die "Deutsche Mark wiederauferstehen" könnte.
Zehn Jahre nach Einführung der gemeinsamen Währung passiert das gleiche, als wenn der Markt sich eine starke Leitwährung ausgesucht hätte. Jetzt übernimmt Deutschland die Kontrolle des Euro, um den Kollaps eines der wichtigsten europäischen Integrationsprojekte zu vermeiden". (ABC, Madrid, 18. August)
Die Spanier müssten sich nun daran gewöhnen, ärmer als andere zu sein, und - wenn der Euro nicht entwertet werde - "weniger Euros oder weniger Mark [zu haben], was heute genau das gleiche ist", schließt "ABC". Das Konkurrenzblatt "El Pais" bezeichnet das Versprechen, eine "echte europäische Wirtschaftsregierung" zu schaffen, als "enttäuschende Leistung von Merkel und Sarkozy."
Aufgrund des niederschmetternden Zeitmanagements des Duos Merkel und Sarkozy haben sie eine weitere Chance vertan, um die verlorene Glaubwürdigkeit seit Beginn der griechischen Tragödie zurückzugewinnen. [...] Die Kanzlerin befindet sich im freien Fall, und diese Schwäche macht es gegenwärtig unheimlich schwer, ihre führende Rolle in Europa zu behaupten. Für die Investoren gab es [...] ein weiteres Negativsignal: die Ablehnung der Euro-Bonds durch Merkel und Sarkozys Einlenken auf ihre Linie. (El Pais, Madrid, 18. August)
Auch die französische Presse kommentiert die Ergebnisse der deutsch-französischen Treffens kritisch. Der Chefredakteur der Wirtschaftszeitung "La Tribune" gibt zu bedenken, dass nach dem Gipfel nichts darauf hinweise, dass die Krise nun überwunden werden könne. Dazu brauche es weitreichendere Maßnahmen.
Sogar die deutschen Exporteure beknien die Kanzlerin, dass sie ihre Haltung gegenüber europäischen Schuldscheinen ablegen möge [...]. Die sehnlichst erwartete politische Antwort muss Aufschwung-Politik sein. Geldströme müssen fließen, indem die Banken neues Kapital erhalten, es muss ein neues europäisches Industriemodell gefunden werden, und Europa muss seine Schulden umschichten [...]. Um die Krise zu überwinden, ist der Föderalismus ein guter Weg. Aber ein Wachstumsföderalismus und nicht ein Sparföderalismus. (La Tribune ,Paris, 17. August)
Ähnlich äußert sich die französische Zeitung "Les Echos". Natürlich sei die Krise noch nicht schlimm genug, um jetzt an Euro-Bonds zu denken, schreibt der Kommentator ironisch.
Morgen werden die Euro-Bonds nicht nur der einzig mögliche Weg sein, um die Krise zu überwinden, sondern auch um die europäische Einigung voranzutreiben und ein Auseinanderbrechen zu verhindern. Denn die Krise ist in einem Europa entstanden, dessen Wirtschaftsunion hinkt, und das zwar eine gemeinsame Währung, aber eine autonome Budgetpolitik hat. (Les Echos, Paris, 17. August)