Propaganda-Feldzug Die PR-Maschine der Bush-Krieger

Ein propagandistisches Trommelfeuer ohnegleichen prasselt auf die angloamerikanische Öffentlichkeit ein: Vor allem die TV-Sender und Billigblätter des Murdoch-Konzerns, obskure Psychokrieger aus dem Pentagon und PR-Agenten mächtiger Pressure Groups blasen zum Angriffkrieg und zur Minderheitenjagd - mit Phantasieberichten, Fälschungen und gezielter Irreführung.
Von Jochen Bölsche

Zunächst klang es noch ganz witzig. Als Frankreich begann, gegen die US-Kriegspläne Front zu machen, attackierte der rechte Kolumnist Jonah Goldberg die "Käse fressenden Kapitulationsäffchen". Und TV-Moderator Conan O'Brian blödelte, er wisse ganz genau, warum die Pariser Regierung Saddam nicht bombardieren wolle: "Weil er Amerika hasst, Liebhaberinnen hat und eine Baskenmütze trägt. Leute, der Mann ist Franzose."

Mittlerweile haben sich einige journalistische Hurra-Patrioten in wahre Hassorgien hineingesteigert. Die rechtskonservative "National Review" schwadroniert von einer "Froschpest", Kolumnist Christopher Hitchens bezeichnet den französischen Präsidenten als "Ratte, die brüllen möchte". Ähnlich operieren die Billigblätter des amerikanisch-australischen Medienzaren Rupert Murdoch: Seine "New York Post" zeigt Deutsche und Franzosen als Wiesel, in Amerika das Symbol für einen verlogenen Feigling. Murdochs britisches Boulevardblatt "Sun" bildet auf der Titelseite einer Extraausgabe Chirac als widerlichen Wurm ab.

"Was Rupert Murdoch gehört, steht für Krieg", urteilt der österreichische "Standard". Dem Presse-Tycoon gehört so einiges: In England kommen seine Blätter ("Sun", "Sunday Times", "Times" und "News of the World") auf einen Marktanteil von immerhin 36 Prozent, in den USA besitzt er neben der aggressiven "New York Post" auch die Fox-TV-Kanäle, die CNN mit ihren Zuschauerzahlen bereits überrundet haben.

Murdochs Fox-Sender plädieren seit langem dafür, missliebige Länder samt ihrer Zivilbevölkerung brutal zu attackieren, im Extremfall nach dem Muster des "moral bombing", mit dem die Angloamerikaner einst deutsche Städte wie Hamburg und Dresden in Schutt und Asche legten: "Die Leute eines jeden Landes sind verantwortlich für die Regierung, die sie haben. Die Deutschen waren für Hitler verantwortlich."

"Lassen wir sie Sand fressen"

"Fox"-Kommentator Bill O'Reilly propagierte die Abstrafung der afghanischen Bevölkerung: "Wenn Sie sich nicht gegen ihre Regierung stellen, verhungern sie, Punktum." Er rief nach Sanktionen gegen Libyen: "Lassen wir sie Sand fressen." Und natürlich drängt er nun darauf, die irakische Bevölkerung (die zur Hälfte aus Minderjährigen besteht) "ein weiteres Mal intensiven Schmerz spüren zu lassen".

Wer die Untertanen US-feindlicher Diktatoren auf diese Weise gleichsam zu lebensunwertem Leben erklärt, den interessiert kaum die Zahl der zivilen Opfer der bisherigen Sanktionen gegen den Irak (schätzungsweise 500.000 Kinder) oder die von der internationalen Ärztevereinigung "medact" prognostizierte Zahl der Opfer des nächsten Irakkrieges (bis zu 260.000 Tote) - Meldungen, die in der Regel in den Papierkörben der Raketen- und Revolverjournalisten landen.

Dank einiger liberaler Qualitätsblätter kann von einer Gleichschaltung der US-Presse nicht die Rede sein. Doch ein beträchtlicher - und wirkungsmächtiger - Teil der angloamerikanischen Medien lässt sich einspannen für die Interessen eines obskuren Propagandaapparates, der weitgehend im Dunkeln operiert.

In einem Ausmaß wie kaum je zuvor füttern das Weiße Haus samt Pentagon und die Geheimdienste die amerikanischen Medien mit so genannter "schwarzer" und "weißer" Propaganda. Darüber hinaus versuchen auch PR-Agenturen, beauftragt von mächtigen Pressure Groups, das Volk im Interesse ihrer Auftraggeber in Kriegsstimmung zu versetzen.

"Systematische Manipulation der Meinung"

"Seit dem Vietnamkrieg gab es keine so systematische Verzerrung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, keine so systematische Manipulation der öffentlichen Meinung mehr," urteilt der US-Diplomat John Kiesling, Ex-Berater der US-Botschaft in Athen. Kiesling quittierte letzten Monat den Dienst - aus Protest gegen die politische Propaganda der Regierung Bush.

Washington habe den "Terrorismus zum Werkzeug der Innenpolitik" gemacht, schrieb der Diplomat in einem Offenen Brief an Außenminister Colin Powell: "Wir haben Verunsicherung und übertriebene Furcht in das kollektive Bewusstsein gepflanzt, indem wir Terrorismus und Irak, zwei Probleme, die nichts miteinander zu tun haben, verknüpften."

Hin und wieder fliegen krude Fehlinformationen auf - so etwa, als der von Washington gestreute Verdacht platzte, Hussein habe Anthrax-Briefe in den USA verschicken lassen; so auch jüngst, als sich eine angebliche britische Geheimdienststudie über den Irak als vergilbter Studentenaufsatz herausstellte.

Gefälscht vom Briefkopf bis zur Unterschrift

"Vollständig aus den Angeln gehoben" sah die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" ("FAZ") vorige Woche die Behauptung Powells, Saddam Hussein habe in Afrika Nuklearmaterial zu kaufen versucht: Ein entsprechendes Schreiben, mit dem der Außenminister die Uno-Inspekteure in Verlegenheit bringen wollte, erwies sich, vom Briefkopf bis zur Unterschrift, als Fake.

Dass die Regierung des mächtigsten Staates der Welt eine so primitive Fälschung präsentierte, um einen Angriffskrieg zu legitimieren, habe dazu beigetragen, dass sich in der Uno "der Wind gedreht" hat, analysierte die "FAZ": "Seit deutlich wird, welch grobe Fälschungen die Geheimdienste der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, aber auch anderer Staaten offenbar für authentisches Material gehalten haben, sind die Inspekteure in der Vorhand."

Nur spekuliert werden kann darüber, welche Dunkelmänner ein Interesse daran haben, mit so üblen Tricks die Weltöffentlichkeit für einen Angriffskrieg gegen den Irak zu gewinnen.

Niemand weiß Genaues. Die Mutmaßungen über die Quellen reichen vom israelischen Geheimdienst Mossad, dessen Regierung auf einen Sturz Saddams drängt, bis hin zu bewährten Profis aus amerikanischen Public-Relations-Agenturen.

Lesen Sie im 2. Teil, wie PR-Experten einen Kormoran aus Kanada an den Persischen Golf verpflanzten, warum US-Geheimdienstler ein Giftgas-Massaker des Irak dem Iran in die Schuhe schoben und warum sich einem deutschen Minister der Magen umdrehte.

Über besonders reiche PR-Erfahrungen aus dem vorigen Golfkrieg verfügt die Großagentur Hill & Knowlton, deren Geschäftsführer in Washington damals Craig Fuller war, ein Freund und früherer Stabschef von Präsident George W. Bush senior.

Fullers PR-Agenten vertraten die von den USA unterstützte Lobby-Gruppe "Citizens or a Free Kuweit". Vor TV-Kameras präsentierten die Kunden als angebliche Augenzeugin einer Vielzahl irakischer Babymorde eine junge Frau, die ein Jahr später von der Presse als Tochter des kuweitischen Botschafters identifiziert wurde. Bewegende Bilder eines krepierenden Kormorans, die Saddamsche Umweltsünden an der Golfküste belegen sollten, stammten aus Kanada.

Dass die Kuweit-Kampagne humanitären Motiven entsprungen sein könnte, halten Kritiker für wenig glaubhaft. Heute muss sich die Agentur immer mal wieder um ihr eigenes Image kümmern: Die Babymord-Geschichte hängt ihr an, obgleich sie "als lernendes Unternehmen", so Deutschland-Chef Michael T. Schröder, seit zehn Jahren "keinerlei Aufträge im direkten oder indirekten Umfeld solcher Themen" mehr annehme.

"Gezielte Verwendung von Begriffen wie Konzentrationslager"

Mit den Psycho-Aktionen zur Vorbereitung des Feldzuges gegen Serbien wiederum war die Konkurrenzfirma Ruder Finn Global Public Affairs beauftragt. Deren Präsident James Harff sah sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, im US-Establishment Sympathie für die traditionell als antisemitisch verrufenen Kroaten und Bosnier zu wecken.

Das gelang Harff nach eigenem Bekunden, indem er die serbische Gegenseite "in der öffentlichen Meinung mit den Nazis gleichsetzte". Durch gezielte Verwendung von Begriffen wie "ethnische Säuberung, Konzentrationslager und so weiter, bei denen man an Nazideutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt", sei es ihm geglückt, brüstet sich Harff, die amerikanischen "Juden auf unsere Seite zu ziehen" und die Öffentlichkeit für eine militärische Intervention zu gewinnen.

Rudolf Scharping drehte sich der Magen um

Sein Verständnis von Public Relations umriss Harff mit den Worten: "Es ist nicht unsere Aufgabe, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen... Unsere Aufgabe besteht darin, Informationen, die unserer Sache dienlich sind, schneller unter die Leute zu bringen und zu diesem Zweck sorgfältig ausgewählte Zielpersonen anzusprechen."

Dass bloße Gerüchte bereits politische Wirkung entfalten, zeigte sich, als Verteidigungsminister Rudolf Scharping im Kosovo-Krieg vor Journalisten Gräuel vom Hörensagen referierte: "Wenn beispielsweise erzählt wird, dass man einer getöteten Schwangeren den Fötus aus dem Leib schneidet, um ihn zu grillen und dann wieder in den aufgeschnittenen Bauch zu legen; wenn man hört, dass systematisch Gliedmaßen und Köpfe abgeschnitten werden; wenn man hört, dass manchmal mit den Köpfen Fußball gespielt wird, dann können Sie sich vorstellen, wie sich da einem der Magen umdreht."

Engagierte Menschenrechtlern, etwa in den Reihen von Amnesty International, dreht sich auch bei anderen Gelegenheiten der Magen um: wann immer sie wahrnehmen müssen, dass Meldungen über Gräueltaten je nach politischer Opportunität negiert oder instrumentalisiert werden.

Vom Helfershelfer zum Dämonen

Musterbeispiel Irak: Noch Ende der achtziger Jahre waren Berichte über massivste Menschenrechtsverletzungen durch Saddam in den USA auf taube Ohren gestoßen; eine von mehreren Staaten geforderte UN-Untersuchung wurde von den USA strikt abgelehnt - Saddam galt in Washington keineswegs als der Unmensch, der er tatsächlich auch damals schon war, sondern als eine Art Sicherheitspartner.

Schon 1963, in jungen Jahren, soll er der CIA geholfen haben, linke Intellektuelle zu liquidieren und den damaligen Präsidenten Abdel Karim Kassem zu stürzen; auf Kassems Programm standen, zum Missfallen der USA, eine Aufhebung des KP-Verbots und eine Verstaatlichung der Erdölindustrie. In den achtziger Jahren verhandelte Saddam unter anderem mit dem US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski sowie dem damaligen US-Sonderbotschafter (und heutigen Verteidigungsminister) Donald Rumsfeld über ein gemeinsames Vorgehen gegen den iranischen Fundamentalisten Ayatollah Chomeini.

So wichtig war der Tyrann von Bagdad den USA damals als Helfershelfer, dass sie ihm für seinen Krieg gegen den Iran heimlich Splitterbomben und Nährböden für Biowaffen wie Anthrax und Pockenkeime lieferten, wie jüngst der "Süddeutsche"-Reporter Hans Leyendecker berichtete. Die amerikanischen Freunde sprangen Saddam sogar noch bei, als irakische Giftgas-Massaker an der kurdischen Bevölkerung publik geworden waren: Bagdad wurde durch eine ominöse US-Geheimdienststudie entlastet, die nicht den Irak, sondern den Iran des Giftgas-Einsatzes beschuldigte.

Pressure Groups machen Propaganda

Dämonisiert wurde der Despot erst, nachdem die neokonservativen US-Globalstrategen und -Energieplaner Pläne für eine "neue Weltordnung" entwickelten und den Irak in ihr Machtkalkül für die US-Interessensphäre "Greater Middle East" einbezogen hatten.

Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Propaganda für einen Entmachtungskrieg gegen Saddam, als voriges Jahr in Washington ein "Committee for the Liberation of Iraq" (CLI) gegründet wurde, dessen Führer sich zugleich in diversen anderen rechten Pressure Groups tummelten:

  • Der Komitee-Chef und Ex-Geheimdienstoffizier Bruce Jackson, ein ehemaliger langjähriger Rüstungsmanager, trommelte schon für eine Osterweiterung der Nato, fädelte in Polen die Lieferung von F-16-Flugzeugen ein und wirkte jüngst als Drahtzieher hinter dem Protest zehn mittel- und osteuropäischer Länder gegen den Anti-Kriegs-Kurs der Kerneuropäer Schröder und Chirac (siehe Teil 7 dieser Serie: "Der Ex-Agent und die diplomatische A-Bombe");
  • sein "Executive Director" Randy Scheunemann arbeitete als "Sicherheitsberater" für diverse republikanische Spitzenpolitiker, organisierte Geldmittel für jene US-nahen irakischen Exiloppositionellen, die in der Nach-Saddam-Ära die irakischen Ölquellen privatisieren wollen, und streitet seit Jahren im PNAC, dem "Project for a New American Century" (siehe Teil 8 dieser Serie: "Der Krieg, der aus dem Think Tank kam").

Das Personal dieser und anderer Lobbygruppen überschneidet sich auf mannigfache Weise - zum Beispiel mit dem des offiziösen "Defense Policy Board" (Vorsitz: PNAC-Mann Richard Perle), der das Pentagon berät, an dessen Spitze mit Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz wiederum zwei PNAC-Mitglieder stehen.

Im Labyrinth dieser und anderer wohldotierter Zirkel vermuten Sachkenner wie der einstige UN-Chefinspekteur Scott Ritter die Urheber der erfolgreich lancierten Propagandalüge von einer "Irak-Connection" der (überwiegend saudischen) Attentäter vom 11. September 2001.

Im einem Artikel für den "Christian Science Monitor" ortete Scott die Quellen solcher Desinformation im Kreis um den US-nahen irakischen Oppositionsführer Ahmed Chalabi "und seine amerikanischen Sponsoren" - Scott nannte namentlich Wolfowitz, Perle und Ex-CIA-Chef James Woolsey.

"Die größte PR-Agentur ist das Weiße Haus"

Die im US-Fernsehen omnipräsenten Meinungsmacher aus den Hardliner-Klubs haben nach dem Urteil des US-Lobbyforschers Jim Lobe einiges gemeinsam - vor allem politische Gerissenheit, polemische Begabung und exzellente Medienkontakte.

Und: Sie verachteten die Vereinten Nationen ebenso wie die Eliten des alten Europa, weil sie, so Lobe, "absolut überzeugt" davon seien, dass Amerika dem Rest der Welt überlegen und daher "zur dauernden Erlöser-Mission" verpflichtet sei.

Seit ihr Protegé Bush nach verwirrenden Wahl-Rankünen im Weißen Haus gelandet ist, hat sich für die schwarzen Falken einiges geändert. Sie sind nicht mehr allein auf Spenden und PR-Agenturen angewiesen, um ihre elitäre Weltsicht und ihre friedensbedrohenden Omnipotenzfantasien unters Volk zu bringen - das lässt sich jetzt mit dem Geld der amerikanischen Steuerzahler bewerkstelligen.

"Die größte aller PR-Agenturen ist das Weiße Haus," sagt der Psychokriegsexperte John MacArthur, Autor des Buches "The Second Front". Verglichen mit der PR-Maschinerie des Bush-Regierung stünden sämtliche PR-Agenturen "wie Zwerge" da.

Lesen Sie demnächst, mit welchen Methoden staatliche Psycho-Krieger versuchen, Bush-Kritiker einzuschüchtern, und mit welchen Strategien sich die neu erstarkte US-Friedensbewegung gegen die Meinungsmacht der Meinungsmacher zu wehren versucht.

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