
Fotostrecke: Sturm auf die Botschaften
Protest gegen Massaker in Homs Demonstranten stürmen syrische Botschaften
London - Sie schlugen Türen ein, zertrümmerten Fensterscheiben und Möbel, nahmen Computer mit. Polizisten mussten sie mit Schlagstöcken stoppen. In sechs Städten haben Demonstranten am Samstag syrische Botschaften gestürmt - aus Protest gegen das Massaker, das die Todesschwadronen von Präsident Baschar al-Assad in der Stadt Homs angerichtet haben sollen. Und aus Protest gegen Russland und China, die mit einem Veto eine Resolution des Uno-Sicherheitsrats stoppten, durch die das Morden ein Ende haben sollte.
Die Demonstranten stürmten mehr als ein halbes Dutzend Botschaften: Berlin, London, Athen, Kairo, Kuwait, Tripolis, Canberra: Ihr Protest reicht rund um den Globus. Es gab mehrere Festnahmen, in London setzte die Polizei Schlagstöcke ein, um die wütenden Menschen zurückzudrängen. Mehrere Fensterscheiben gingen zu Bruch. In Kairo, Kuwait und Tripolis hissten Demonstranten die Fahne der syrischen Opposition über den Botschaften.
Im australischen Canberra wurde die syrische Botschaft regelrecht verwüstet, teilte der Geschäftsträger Dschaudat Ali mit. Rund 50 Demonstranten hätten darin gewütet und geplündert. Mitarbeiter der Botschaft seien allerdings weder bedroht noch verletzt worden.
Grund für die Übergriffe waren die dramatischen Ereignisse der vergangenen Stunden in Syrien und im Uno-Sicherheitsrat. In der syrischen Stadt Homs sollen am Freitag und Samstag mehr als 400 Menschen gewaltsam zu Tode gekommen, weit über tausend verletzt worden sein. Augenzeugen berichten, dass Assads Truppen einen friedlichen Protestzug angegriffen hatten - Demonstranten, die Reformen im Land und den Rücktritt des Präsidenten fordern. Es war eine der brutalsten unter den Aktionen, die dem Terrorregime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zugeschrieben werden. "Menschen sterben im Schutt ihrer eingestürzten Häuser", sagte der Aktivist Aiman Idlibi der Nachrichtenagentur dpa.
Der Uno-Sicherheitsrat wollte in einer Resolution die Gewalt des Regimes verurteilen. Die Mehrheit war so groß wie selten - 13 der 15 Mitglieder stimmten dafür. Doch dann scheiterte die Resolution an einem Veto von Russland und China. Das Blutvergießen in Syrien geht ungehindert weiter.
"Beschämend", "ein wahrer Alptraum"
Die Reaktionen auf das Doppelveto sind vernichtend. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, es würde die Rolle der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft untergraben. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte ein Ende des Blutvergießens.
Die amerikanische Uno-Botschafterin Susan Rice nannte das Veto "beschämend". "Wir sind angewidert, dass einige Mitglieder uns davon abhalten, unsere Pflicht zu tun." Der Rat werde seit Monaten "in Geiselhaft gehalten von zwei Ländern, die nur an ihre eigenen Interessen denken". Im Text seien Sanktionen nicht einmal erwähnt worden. "Und besonders schändlich ist es, dann auch noch Waffen zu liefern."
US-Präsident Barack Obama verlangte den sofortigen Rücktritt Assads. US-Außenministerin Hillary Clinton warnte vor einem Bürgerkrieg, die Ereignisse in Homs seien ein "wahrer Alptraum".
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) nannte das Veto einen "großen Fehler". Der deutsche Uno-Botschafter Peter Wittig sagte, mit ihrem Veto müssten sich Russland und China jetzt "vor der Weltöffentlichkeit, aber insbesondere auch in der arabischen Welt verantworten".
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderte ein Ende der "syrischen Tragödie". Das Veto ermutige die syrische Führung, die Protestbewegung weiterhin niederzuschlagen. Der französische Außenminister Alain Juppé erklärte, China und Russland trügen eine "schreckliche Verantwortung". Die Arabische Liga erneuerte ihre Forderung, die brutale Unterdrückung der Proteste in Syrien zu beenden.
Verbittert zeigte sich Human Rights Watch: "Nach Wochen der diplomatischen Spielchen Russlands ist dieses Doppelveto ein Brandsatz." Der Schritt sei "nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Arabischen Liga, sondern auch ein Verrat am syrischen Volk". Amnesty International wertete den Vorgang als "einen schockierend kaltschnäuzigen Verrat an den Demonstranten".
Russland verteidigt Veto
Der russische Uno-Botschafter Witalij Tschurkin dagegen verteidigte das Veto. Der Resolutionsentwurf sende "ein unausgewogenes Signal" an die Konfliktparteien. Russlands Außenminister Sergej Lawrow will am Dienstag nach Damaskus reisen, um mit Assad über einen "politischen Ausweg" aus dem Konflikt zu beraten.
Chinas Uno-Botschafter Li Baodong sagte, solange die einzelnen Seiten noch uneins seien, trage ein Votum weder zur Geschlossenheit und Autorität des Sicherheitsrats noch zur Lösung des Konflikts bei. Geradezu zynisch klang die Äußerung von Syriens Botschafter Baschar Dschaafari. Er nannte sein Land "die Heimat der Toleranz". "Jeder friedliche Demonstrant ist willkommen", seine Regierung kämpfe nur gegen Terroristen. Er sprach von einer "internationalen Verschwörung, die Syrien zerstören will".
Bei den Protesten in Syrien wurden seit März 2011 mindestens 5000 Menschen getötet. Bereits im Oktober hatten Russland und China ihr Veto gegen eine Uno-Resolution eingelegt.