Protest gegen Staats- und Regierungschefs Kopenhagen-Fiasko entsetzt Umweltschützer

Forscher Lomborg: "Mit leeren Händen nach Hause zu fahren, wäre besser gewesen"
Foto: Christopher Patrick Grant/ ASSOCIATED PRESSKopenhagen - Umweltschützer haben den Uno-Klimagipfel in Kopenhagen als Fehlschlag kritisiert. "Der Gegensatz zwischen der Klimarhetorik und den tatsächlichen Beschlüssen kann Millionen Menschen das Leben kosten", sagte der Vorsitzende des internationalen Umweltverbands WWF, Kim Carstensen, am Freitagabend, nachdem US-Präsident Barack Obama den Entwurf eines Mini-Kompromisses mit den Entwicklungs- und Schwellenländern vorgestellt hatte. Er kritisierte vor allem das weitgehende Fehlen konkreter Verpflichtungen in der Übereinkunft, die von einer Gruppe von rund 30 Staaten getragen wurde.
"Sie gibt uns keine aktuellen Reduktionsziele, und sie ist nicht rechtlich verbindlich. Ich spreche über einen Nicht-Vertrag, der nicht fair ist, der nicht annähernd an das herankommt, was vorher in Aussicht gestellt wurde", sagte Carstensen und ergänzte im Hinblick auf einen neuen Klimagipfel in Mexiko-Stadt in einem Jahr in Mexiko-Stadt: "Hoffentlich wird Mexiko besser vermitteln können zwischen Nord und Süd als Dänemark."
"Wir haben die Angebote durchgerechnet, die von den Staaten heute Nacht in Kopenhagen auf den Tisch gelegt worden sind. Danach kommen wir auf eine Temperaturerhöhung von mindestens 3,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter", sagte Hans Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, zu SPIEGEL ONLINE.
Er nannte die politische Absichtserklärung der 30 Staaten "einen tragischen Triumph für uns Wissenschaftler". Erstmals habe die Politik das empfohlene Zwei-Grad-Ziel akzeptiert. Doch sei noch überhaupt nicht sichergestellt, ob "wir einen rechtlich verbindlichen Vertrag bekommen, der uns vor dem Absaufen bewahrt. Die Staaten haben sich darauf verständigt, im Jahre 2015 ihre Ziele nochmals zu überarbeiten. Bis dahin haben wir aber bereits weitere 200 Gigatonnen Treibhausgas in die Erdatmosphäre ausgestoßen".
"Präsident Barack Obama war zumindest ehrlich genug und hat zugegeben, dass es noch eine riesige Lücke in der Absichtserklärung gibt", sagte Schellnhuber. Unabhängig davon, ob ein verbindlicher Vertrag zustande kommt, könnten Bürger, Industrie und Staaten damit anfangen, Energie zu sparen und neue Techniken einzuführen, mit denen der Ausstoß von Treibhausgasen begrenzt wird.
Antonio Hill, Klimaexperte der Hilfsorganisation Oxfam, bemängelte, dass das Kompromisspapier kein verbindliches Datum habe, bis wann ein rechtsgültiger Vertrag unterzeichnet sein muss. "Aber die Entwicklungsländer hatten keine Chance. Wären sie abgereist, hätten sie überhaupt nichts bekommen." Die Absichtserklärung erzeuge in den Entwicklungsländern viel Frustration und Wut.

Fiasko in Kopenhagen: Drama bis zum Gipfel-Schluss
Mohammed Adow, Sprecher der Organisation Christian Aid, fand nur zwei Worte für Kopenhagen: "Floppenhagen! Brokenhagen!"
Die Umweltorganisation Greenpeace sprach von einem "ernüchternden" Kompromisspapier. "Kopenhagen ist der Tatort, von dem schuldige Männer und Frauen zum Flughafen fliehen. Es gibt keine Ziele zur Reduzierung von CO2-Emissionen und keine Vereinbarung über einen rechtlich verbindlichen Vertrag", sagte der britische Greenpeace-Geschäftsführer John Sauven.
Der politische Chef von Germanwatch, Christoph Bals, sagte: "Die Substanz ist erbärmlich schwach." Die Staatschefs sollten gleich einen neuen Termin vereinbaren.
"Mit leeren Händen nach Hause zu fahren, wäre besser gewesen"
"Die internationale Klimapolitik steht vor einem Scherbenhaufen", kritisierte das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt". "Viel zu lange haben Bundesregierung und EU taktiert, um die Kosten niedrig zu halten", sagte Direktorin Cornelia Füllkrug-Weitzel.
Der Kompromissplan der 30 Staaten sei nichts anderes als der Versuch der führenden Politiker, ihr Gesicht zu wahren, sagte Bjørn Lomborg, Direktor des Copenhagen Consensus Center. "Mit leeren Händen nach Hause zu fahren, wäre besser gewesen, als einen inhaltslosen Vertrag zu unterzeichnen. Die Strategie scheint zu sein, dass wir für das nächste Jahrzehnt schlicht die Daumen drücken - nach 17 Jahren vergeblicher Versuche, die CO2-Emissionen zu kappen."
Durch ihre Verzögerungstaktik hätten die Industriestaaten "Millionen Menschen zu Hunger, Leid und Tod verurteilt, während sich der Klimawandel beschleunigt", sagte der Vorsitzende des Umweltverbands Friends of the Earth International, Nnimmo Bassey. Das alles sei "eine Katastrophe für die ärmsten Länder".