Protestcamp in Straßburg Mit Tränengas und Schockgranaten gegen die Clowns
Straßburg - Die Sonne brennt vom Himmel, Leute legen sich ins Gras, spielen Gitarre vor ihren Zelten oder besuchen Workshops über Straßenblockaden. Im Laufe des Tages wächst das Camp an, mittlerweile campieren mehrere Tausend Nato-Gegner hier. Am Nachmittag sammelt sich eine Gruppe Clowns am Campausgang. Die Clowns sind so etwas wie die "Abteilung Sympathie" der Globalisierungs- und Nato-Kritiker. Sie sind friedlich, grell geschminkt, sorgen mit ihren Späßen auf Demonstrationen für Entspannung und zeigen Zuschauern und Anwohnern, dass nicht nur verbohrte Krawallmacher gegen die Nato demonstrieren, sondern dass Protest auch Spaß machen kann.
Doch aus dem Spaß wurde Ernst. Die Polizei hielt den Bus mit etwa 50 Clowns an und ließ sie gar nicht erst in die Stadt. Die Clowns seien vor der Polizei auf die Knie gefallen, um sie zu bitten, sie durchzulassen, erzählt eine Teilnehmerin. Doch als die geschminkten Demonstranten der Polizei zu nahe kamen und jemand eine Saftflasche warf, antworteten die französischen Gendarmen mit Tränengas.
Per Telefon wurden schnell Freunde im Camp alarmiert. Eine Gruppe von teilweise Vermummten machte sich auf, um den Protest-Clowns zu Hilfe zu eilen. Campbewohner berichteten später, dass die Polizei eigentlich kurz vor Beginn der Ausschreitungen die Clowns durchlassen wollte. Doch die Stimmung war bereits aufgeheizt. Ob zuerst ein Stein oder eine Tränengas-Granate flog, war unklar - auf jeden Fall rechneten beide Seiten mit Auseinandersetzungen. Die Polizei rückte mit mehreren Wasserwerfer an, zwei Hubschrauber kreisten über dem Camp.
Regenbogenfahnen an den Fenstern
Auch auf der Zufahrtsstraße vom Camp kam es zu Krawallen. Zunächst beobachteten Anwohner das Geschehen von den Balkons ihrer Einfamilienhäuser aus. Manche hatten die Regenbogen-Friedensfahne gehisst, um ihre Solidarität mit den Protestlern zu zeigen - vielleicht auch aus Angst vor Zerstörungen. Bald mussten sich die Einheimischen jedoch zurückziehen und ihre Fenster dichtmachen. Die Polizei feuerte Tränengas- und Schockgranaten, die mit ohrenbetäubendem Lärm teilweise über den Köpfen der Demonstranten explodierten. Nach Angaben von Campbewohnern kam es zu mehreren Verletzten.
Die inzwischen rund 500 Autonomen warfen Steine, errichteten aus Baumaterial und Strohballen Barrikaden und zündeten diese an. Derweil sperrte die Polizei das Camp weiträumig ab. Wer es erreichen wollte, musste große Umwege machen. Wolken aus Rauch und Tränengas waberten durch die Straßen des Dorfes, aus dem Camp brachten immer mehr Vermummte Steine und Balken zur Blockade. In London beim G-20-Gipfel war ein Protestcamp von der Polizei aufgelöst worden.
Am frühen Abend, gegen 18.30 Uhr, flauten die Krawalle ab. Die Polizei zog ab - offenbar eine gute Entscheidung. Die Situation wäre sonst möglicherweise eskaliert: Die Campbewohner fühlten sich angegriffen und waren nicht bereit, sich ins Camp zurückzuziehen.
Morgen früh geht der Protest weiter: Ab sechs Uhr morgens wollen die Nato-Gegner die Zufahrtswege zum Gipfel blockieren. Für den Mittag ist dann die Hauptdemo angesetzt. Es wird ein langer Tag.