Proteste in Syrien Regierung lockt mit Reformen - und schlägt zu
Damaskus - Die Gewalt in Syrien nimmt kein Ende: In Daraa haben die staatlichen Sicherheitskräfte Augenzeugen zufolge ihr gewaltsames Vorgehen gegen Demonstranten verschärft. Der Panzerbeschuss in der Altstadt des Zentrums der Proteste gegen Staatschef Baschar al-Assad sei in der Nacht zum Sonntag stärker geworden, sagte ein Einwohner. "Es ist die schlimmste Nacht. Frauen und Kinder rufen von den Dächern 'Gott ist größer' gegen den Tyrannen."
Sicherheitskräfte seien in Häuser eingedrungen und hätten Männer in Busse gezerrt. Am Samstag hatten die Sicherheitskräfte nach Augenzeugenberichten zusätzliche Panzer nach Daraa verlegt. Es habe den Anschein, als ob die Sicherheitskräfte ihre am Montag begonnene Aktion gegen die Proteste im Laufe des Tages abschließen wollten, sagte ein Bewohner am Samstag.
Im Zuge des intensivierten Vorgehens gegen die Demonstranten seit einer Woche wurden auch Strom- und Telekommunikationsverbindungen getrennt. Die meisten Informationen aus Syrien können von unabhängiger Seite nicht bestätigt werden, da viele Ausländer das Land verlassen haben und Journalisten die Einreise verweigert wird.
Gleichzeitig hat die syrische Regierung mit neuen Reformversprechen versucht, die Protestbewegung zum Einlenken zu bewegen. Am Wochenende kündigte sie einen "umfassenden Plan für Reformen" an. Dabei solle es in den kommenden Wochen ebenso um politische, juristische und wirtschaftliche Reformen gehen wie um Änderungen im Sicherheitsapparat, teilte Ministerpräsident Adel Safar am Samstag mit.
USA verhängen Sanktionen, EU kündigt sie an
Doch das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte steigerte die Wut der Demonstranten. Nach Angaben der Organisation syrischer Menschenrechtsbeobachter wurden seit Beginn der Protestwelle am 18. März bereits 545 Zivilisten getötet.
Zehntausende Syrer hatten auch am Freitag die Drohungen der Regierung ignoriert und erneut für demokratische Reformen demonstriert. Vielerorts kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften.
Wegen "fortgesetzter Menschenrechtsverletzungen" haben die USA Sanktionen gegen das Assad-Regime verhängt. Präsident Barack Obama unterzeichnete am Freitag einen Erlass, der Mitgliedern der Führungsriege um Assad Zugriff auf etwaige Vermögen in den USA verwehrt. Außerdem dürfen US-Bürger keine Geschäfte mit ihnen machen.
Auch die EU bekundete ernste Besorgnis über die Lage in Syrien. Angesichts der fortgesetzten Gewalt habe man ein Verfahren zur Verhängung eines Waffenembargos in Gang gesetzt, sagte die Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitagabend in Brüssel. Außerdem könnten millionenschwere Hilfszahlungen der Union an Syrien eingefroren werden. Die Sanktionen müssen allerdings noch förmlich beschlossen werden.
Am Sonntag nahmen syrische Sicherheitskräfte einen prominenten Menschenrechtsanwalt fest. Abdallah Khalil hatte das brutale Vorgehen der Regierung gegen die Aufständischen kritisiert.