Mursi-Anhänger Ägyptens Übergangsregierung will Protestlager räumen

Anhänger der Muslimbrüder: "Sisi ist ein Verräter"
Foto: Khaled Elfiqi/ dpaKairo - Das Ultimatum ist abgelaufen: Die Übergangsregierung in Ägypten will zwei große Protestcamps von Anhängern des gestürzten ehemaligen Präsidenten Mohammed Mursi in Kairo räumen lassen. Sie hatte schon vorher damit gedroht, die Versammlungen nach den Feierlichkeiten zum Ende des Fastenmonats Ramadan gewaltsam aufzulösen.
Auf einer Sitzung des Innenministeriums wurde nun beschlossen, dass die Polizei bereits an diesem Montag damit beginnen solle. Wie die Aktion tatsächlich ablaufen wird, darüber gibt es unterschiedliche Spekulationen. Drei Szenarien sind denkbar:
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Sofortige Räumung: Die Sicherheitskräfte könnten es sich nicht mehr leisten, den Protesten noch länger mehr oder weniger tatenlos zuzusehen, ist eine Hypothese, die unter Beobachtern in Kairo kursiert. Das würde für ein hartes Durchgreifen sprechen. Die Sicherheitskräfte planten, im Morgengrauen zunächst die Protestcamps zu umzingeln, um sie dann schließlich zu räumen, hieß es von Seiten der Behörden. Seit Mittwoch hat sich die Lage zudem weiter zugespitzt, nachdem die vom Militär eingesetzte Regierung die internationalen Vermittlungsbemühungen für gescheitert erklärt hatte. Beobachter fürchten nun eine Eskalation der Gewalt, da sich die Demonstranten bislang nicht kompromissbereit gezeigt haben und eine Wiedereinsetzung Mursis fordern. Mehr als 250 Menschen sind bereits bei den aktuellen Protesten ums Leben gekommen.
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Salamitaktik: Genau deshalb könnte es für die Interimsregierung noch schädlicher sein, wenn die Räumung der Lager nahe der Rabaa-al-Adawija-Moschee außer Kontrolle gerät und es weitere Todesopfer gibt. Aus diesem Grund ist es denkbar, dass sich die Aktion über Wochen, eventuell sogar Monate hinziehen könnte, meldet die arabische Zeitung "Al Schark al-Awsat". Zunächst sollten die Eingänge zu den Protestlagern blockiert werden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Anschließend werde die Polizei das Zeltlager mit Tränengas und Wasserwerfern angreifen. Außerdem wolle man den Protestierenden das Wasser abdrehen und dafür sorgen, dass keine Lebensmittel mehr in die Zeltstadt gelangten. Schwierig könnte für die Polizisten werden, die Apartmentblocks rund um den besetzten Platz zu räumen. Dort sollen sich Anhänger der Muslimbrüder eingemietet haben; denkbar ist, dass sie sich dort verschanzen.
- Weitere Verhandlungen: Zahlreiche ausländische Diplomaten hatten die Übergangsregierung in den vergangenen Wochen vor einem gewaltsamen Vorgehen gegen die Demonstranten gewarnt, die in Kairo nicht nur die Straßen rund um die Moschee, sondern auch den Nahda-Platz besetzt haben. Zwar hatte Übergangspräsident Adli Mansur die Bemühungen für gescheitert erklärt, die Europäische Union will sich aber trotzdem weiterhin engagieren. Nach Einschätzung von Diplomaten kann sich die Lage aber nur beruhigen, wenn ein ehrenhafter Ausweg für Mursi gefunden wird, seit dem Umsturz inhaftierte politische Gefangene freigelassen werden und die Muslimbrüder auch künftig eine politische Rolle spielen dürfen.
Barrikaden verstärkt
Die Armeeführung hatte Mursi, der aus der Muslimbruderschaft stammt, am 3. Juli nach einer Welle von Massenprotesten seines Amtes enthoben. Er wird an einem geheimen Ort festgehalten. Die Militärs setzten Mansur als Übergangspräsidenten ein und installierten eine neue Regierung unter Hasim al-Beblawi. Außerdem wurde eine Änderung der unter den Muslimbrüdern verabschiedeten Verfassung beschlossen.
Die Islamisten wollen mit ihrem Dauerprotest erreichen, dass Mursi wieder als Staatschef anerkannt wird. Sie hatten sich am Sonntag auch außerhalb der Protestlager zu neuen Demonstrationen versammelt. Im Osten von Kairo fuhr ein Konvoi von mit Mursi-Fotos geschmückten Wagen hupend durch die Straßen. Im Zentrum der Hauptstadt beteiligten sich Hunderte Teilnehmerinnen an einem Frauen-Marsch für Mursi. Mit Sprechchören wie "Sisi ist ein Verräter, Sisi ist ein Mörder" machten sie ihre Wut über Armeechef Abd al-Fattah al-Sisi deutlich.
In der Nacht zuvor hatte bereits ein kurzer Stromausfall rund um die Rabaa al-Adawija-Moschee, vor der sich eines der Protestcamps befindet, Panik ausgelöst. Einige der Teilnehmer verkündeten daraufhin in sozialen Netzwerken, die Erstürmung des Protestcamps habe begonnen.
Die Organisatoren des Protestlagers sagten der Nachrichtenagentur AFP, infolge des Stromausfalls seien die Barrikaden rund um das Camp mit zusätzlichen Sandsäcken verstärkt worden.