Protokollzoff in Brüssel EU-Bosse streiten um ersten Handschlag mit Obama

Im Mai wollen Barack und Michelle Obama Europa besuchen - schon jetzt wird in Brüssel über die anscheinend wichtigste Frage gestritten: Wer darf dem US-Präsidenten beim EU-USA-Gipfeltreffen in Madrid zuerst die Hand schütteln, und wer darf wo beim Dinner sitzen?
Handschlag zwischen Obama und Sarkozy (verdeckt): Der Zauber der Bilder zählt

Handschlag zwischen Obama und Sarkozy (verdeckt): Der Zauber der Bilder zählt

Foto: The White House/ Getty Images

Wenn Michelle und Barack Obama am 23. Mai in Madrid aus der "Air Force One" steigen, ist jeder Schritt geplant, gesichert, Dutzende Male von Protokoll- und Sicherheitsbeamten durchgesprochen. Jedes Detail ist in einem Drehbuch festgehalten, Minute für Minute. Wann kommt das Auto, wie lange fährt es zum nächsten Ziel, wer steht dort, wo genau, wie soll die Begrüßung sein?

Das EU-USA-Gipfeltreffen ist ein wichtiges politisches Ereignis, neben dem Glamourpaar aus Washington werden die Staats- oder Regierungschefs aus allen 27 EU-Ländern dabei sein und die Führungscrew aus dem EU-Hauptquartier in Brüssel natürlich auch. Unzählige Fernsehkameras werden die Polit-Show einfangen und in alle Welt übertragen.

Deswegen geht es für alle Beteiligten vor allem darum, beim Empfang der Gäste aus Washington möglichst weit vorne zu sein. Denn nur dort kommt man gut ins Bild. Worüber Amerikaner und Europäer bei der Gelegenheit reden wollen, ist eher zweitrangig. Wichtig ist, wer schüttelt Obama als Erster die Hand und sagt "Hello" oder "Welcome"? Wer sitzt beim Essen neben ihm? Fragen, die Heerscharen von Brüsseler Protokoll-Bürokraten seit Wochen beschäftigen.

Die besten Chancen dürften im Gerangel um die besten Plätze zwei Personen haben. Da wären: ein blasser Belgier - und ein farbloser Spanier.

  • Herman van Rompuy habe das Recht des ersten Handschlags, fordern dessen Unterhändler. Van Rompuy ist der kleine, unscheinbare Belgier, zuletzt Ministerpräsident seines Landes, den außerhalb seiner Heimat keiner kennt und der in Sitzungen japanische Kurzgedichte verfasst. Er ist im Dezember "Präsident des Europäischen Rates" geworden. Und der stehe, so seine Fans, in der protokollarischen Rangfolge der EU nun einmal hinter dem Parlamentspräsidenten auf Platz zwei.
  • José Rodriguez Zapatero sei der natürliche Erstbegrüßer, halten dessen Unterstützer dagegen. Der spanische Ministerpräsident sei ebenfalls gerade "Präsident des Europäischen Rates" geworden. Denn trotz des auf zweieinhalb Jahre gekürten neuen Rompuy-Präsidenten hält die EU an der Sitte fest, jedes halbe Jahr ein Mitgliedsland mit der "Präsidentschaft" zu beauftragen. Dessen Regierungschef ist damit auch Präsident, also derzeit der zum Verwechseln mit Rompuy ähnlich unscheinbare und langweilige Zapatero. Außerdem, argumentieren seine Leute, sei der als Regierungschef des gastgebenden Landes ohnehin Hausherr.

Und was ist mit der eigentlichen Nummer eins in der formellen Rangfolge der Brüsseler Eitelkeiten? Der polnische Parlamentspräsident Jerzy Buzek kommt in dem Streit bislang nicht vor. Der hat im Rat, also im Konzert der Regierungen, sowieso nichts zu sagen.

Einen Kompromiss boten die Rompuy-Leute nach zähem Gefeilsche schließlich an: Zapatero bekommt die Hand, unser Präsident die rechte Seite des Amerikaners. Zapatero darf also als erster "Hi" sagen, Rompuy dafür beim Diner rechts neben Obama sitzen. Und Zapatero, wo soll der sitzen? Nicht auf Obamas anderer Seite oder wo immer der drittbeste Platz zum Speisen, Parlieren und Gesehenwerden auch sein mag - mischte sich eine weitere Euro-Gruppe in den Streit ein. Denn der Stuhl stehe dem Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso zu. Der rangiere in der offiziellen Wichtigkeitsskala auf Platz drei. Und den werde er auch nicht räumen.

Der eine bekommt die Hand, der andere die Seite

Nun soll Zapatero - so der aktuelle Stand, ob der Kompromiss bis in den Mai hält, ist nicht garantiert - Obama gegenüber platziert werden. Da kann er den US-Präsidenten ansehen und ihm ein paar nette Worte zurufen. Das Problem des Platzes: Die Fernsehkameras, die Obama fokussieren, erfassen Zapatero nicht.

Deswegen, stöhnen Brüsseler Protokollbeamte, sei alles längst noch nicht ausgestanden. Schließlich sei nichts so politisch und so wichtig, wie die Frage, wer wem wo und wann die Hand reicht, wer nebeneinander speist oder Witze reißt. Und das gilt nicht nur für die EU-Nomenklatura in Brüssel.

Vor den Feierlichkeiten zum 60-jährigen Bestehen des Nordatlantik-Paktes (Nato) im vorigen Jahr hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy gedroht, er werde dem Fest der Alliierten fernbleiben, sofern er nicht - gegen die protokollarisch vorgeschriebene Sitzordnung in alphabetischer Reihenfolge - im Zentrum, neben dem Nato-Generalsekretär und ganz nahe bei Obama sitzen dürfe. Er durfte - für zehn Minuten, solange die Fernsehkameras im Saal waren. Dann musste Sarkozy seinen Mittelplatz räumen und an den Rand rücken.

Aber wo er nach dem Abschalten der Kameras saß, war ihm ohnehin schnuppe.

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