

Wladimir Putins Miene war ungerührt, als er der Eröffnung der Winterspiele von der Ehrenloge aus folgte. Der Rücken war durchgedrückt, die Arme hatte er fast militärisch an die Seite gelegt. Nur die Finger verrieten Nervosität, unentwegt walkte Putin die Hände. Olympia in Sotschi ist sein Projekt, sein Einsatz sorgte 2007 bei der Sitzung des Internationalen Olympischen Komitees für die Entscheidung, er hat zu Recht Kritik eingesteckt für Korruption und Umweltzerstörung, und wenn die Terroristen aus dem Nordkaukasus Anschläge in Sotschi ankündigten, dann vor allem deshalb, weil sie so den Kreml-Herrn treffen wollen.
Sotschi 2014, das sind Putins Spiele.
Die Eröffnungsfeier war gerade beendet, das Feuerwerk kaum verglüht, da machte sich das Staatsfernsehen auch schon daran, Russlands Fernsehzuschauer daran zu erinnern, wem sie dieses Fest zu verdanken haben. Direkt im Anschluss strahlte der Sender Rossija 1 eine 90-Minuten-Doku über die Vorgeschichte der Spiele aus. "Die Philosophie des weichen Weges" lautete der Name, der Inhalt war dann aber harte Propaganda. Es gehe "um den Mann, der Verantwortung für diese Spiele auf sich genommen hat", säuselte es aus dem Off. Die Szene zeigte einen Sonnenaufgang über den Wipfeln von Krasnaja Poljana, die Strahlen der Sonne scheinen Wladimir Putin ins Gesicht. "Ich habe diesen Ort persönlich ausgewählt", sagt der Präsident in die Kamera.
Putin hat die Planung von Olympia 2014 über ein Jahrzehnt mit großem persönlichen Engagement vorangetrieben. Jetzt ist Halbzeit in Sotschi, Zeit für ein Zwischenfazit. Es fällt vor allem auf, was Sotschi bislang nicht war: russisch-bombastisch etwa, womit alle bei der Eröffnungsfeier gerechnet hatten. Die Kreml-Planer überraschten die Welt mit einer fast schon bescheidenen und doch eleganten Show.
Es fehlt auch Putins große Macho-Show. Der Kreml-Herr ist bislang überraschend dezent präsent. Bereits am zweiten Abend besuchte er das Österreich-Haus, trank einen Schnaps und ließ sich beim Verzehr einer sogenannten Brettl-Jause filmen. Österreichs Ski-Legende Karl Schranz hatte im Vorfeld der Spiele den Austragungsort Sotschi wiederholt ausdrücklich gelobt und gegen jede Kritik verteidigt. Das hat ihm einen neuen Spitznamen eingebracht, in Österreich nennen sie ihn jetzt "Hof-Schranz".
Staatliches Fernsehen setzt Putin in Szene
Und obwohl es breite Proteste in den Niederlanden gegen Olympia in Sotschi gab, stattete der Präsident auch dem Heineken-Haus einen Besuch ab. König Willem-Alexander, der während der gesamten Spiele in Sotschi weilt, um die Oranje-Erfolge im Eisschnelllauf zu feiern, gehört definitiv nicht zu seinen Kritikern. Willem-Alexander, mittlerweile Ehrenmitglied, war abstimmungsberechtigtes reguläres Mitglied des IOC, als die Entscheidung zu Gunsten von Sotschi fiel.
Putin hat Julija Lipnizkaja geherzt, die 15 Jahre alten Gold-Gewinnerin mit dem Eiskunstlauf-Team, Russlands Zauberfloh. Im Eisberg-Palast brandete an diesem Abend Jubel auf, doch er galt allein den russischen Sportlern. Statt Putin zu feiern, gab es sogar leichte Unmutsbezeugungen, als sein Bild auf dem großen Videowürfel erschien. Womöglich hat der Präsident deshalb sogar ein wenig die Lust an Stadionbesuchen verloren.
Im russischen Fernsehen dagegen war von den Pfiffen keine Rede. Im Gegenteil: Die Spiele in Sotschi zeigen, wie die staatlichen TV-Kanäle den Präsidenten selbst dann in Szene setzen, wenn er sich selbst eher im Hintergrund hält.
Die Hauptnachrichten sind Putin-Nachrichten: Putin krault einen Leoparden im Tierpark in Sotschi. Putin begrüßt Sportler. Putin begrüßt Chinas Präsidenten Xi Jinping. Putin grüßt zusammen mit Chinas Präsidenten russische und chinesische Marinesoldaten bei gemeinsamen Manövern.
Botschaft des Boykotts nicht angekommen
Kein Wort dagegen über das Urteil, mit dem Richter den Olympia-Gegner und Umweltaktivistin Jewgeni Witischko am Mittwoch für drei Jahre in Haft schickten. Witischko hatte Widerstand gegen den Bau von Stadien und Straßen geleistet, vor allem aber gegen die Luxusvillen von Politikern. Angeblich soll er einen Zaun demoliert haben, den der Gouverneur des Gebiets um sein - mitten in einem Naturschutzgebiet liegendes - Anwesen gezogen hatte.
Stattdessen war ein Nachrichtensprecher zur besten Sendezeit minutenlang damit beschäftigt, die Namen all jener Staats- und Regierungschefs zu verlesen, die Putin in Sotschi ihre Aufwartung machen. Österreichs Kanzler Werner Faymann wird gesichtet, Japans Premier Shinzo Abe, und Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon trägt im Stadtzentrum von Sotschi die Fackel. Sage und schreibe 60 Regierungsmaschinen will das Staats-TV auf dem Rollfeld des Flughafens Adler gezählt haben und jubelt: "Sotschi ist derzeit nicht nur Hauptstadt des Weltsports, sondern auch der internationalen Politik."
Dank Putin natürlich.
Keine Erwähnung fanden die Politiker, die bewusst einen Bogen machen um Sotschi, US-Präsident Barack Obama etwa oder auch Bundespräsident Joachim Gauck. Die einseitigen Fernsehberichte zeigen zumindest bei der russischen Bevölkerung Wirkung. Die Botschaft, die vom Boykott der Spiele ausgehen sollte, kommt bei den meisten Russen nicht an. Das Gauck und Co. Olympia fern bleiben wegen der repressiven Politik des Kreml, glauben gerade einmal elf Prozent.
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Die Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi werden oft als Präsident Wladimir Putins Spiele bezeichnet - er weiß damit umzugehen (hier unter den Zuschauern beim Eiskunstlauf der Damen).
Bei der Eröffnungsfeier zeigte sich Putin an der Seite des IOC-Präsidenten Thomas Bach. Dessen Rede erhielt besondere Aufmerksamkeit - wegen der politischen Lage in Russland.
Bei einem Besuch im olympischen Dorf gab sich Putin volksnah und ließ sich mit einem jungen Landsmann fotografieren.
Im österreichischen Haus stieß er mit Teilen der Delegation an. Ein Bild des russischen Präsidenten mit Seltenheitswert.
Dem chinesischen Haus stattete Putin ebenfalls einen Besuch ab - und konnte einen Kampf zwischen zwei Kindern beobachten.
Wo Putin ist, scheint es, bringt er seinem Land sportliches Glück. In der Eisberg-Halle sah er den Teamwettkampf der Eiskunstläufer. Die Russen gewannen die erste Goldmedaille für ihre Nation.
PR-Stratege Putin ließ es sich selbstverständlich nicht nehmen, den Siegern persönlich zu gratulieren. Hier herzt er die jüngste Starterin Julia Lipnitskaja.
Auch EiskunstlaufstarJewgenij Pljuschtschenko, das Gesicht "seiner" Spiele, bekam präsidiale Glückwünsche.
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