

S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Der oberste Goldkettchenträger

Kreml-Chef Wladimir Putin: Russisches Geltungsbedürfnis
Foto: RIA NOVOSTI/ REUTERSUS-Außenminister John Kerry hat in einem Fernsehinterview darüber nachgedacht, ob es nicht an der Zeit sei, Russland aus der G8-Gruppe hinauszukomplimentieren. Von den vielen Vorschlägen, die in diesen Tagen herumschwirren, leuchtet dieser sofort ein. Die G8 ist der Zusammenschluss der führenden Industrienationen der Welt. Die Frage war immer, was Russland in diesem Kreis verloren hat.
Als Industrienation im landläufigen Sinn kann man Russland beim besten Willen nicht bezeichnen. Oder fällt jemandem irgendein Produkt aus russischer Herstellung ein, das weltmarktfähig wäre? Okay, die Kalaschnikow. Aber selbst die legen sich inzwischen nur noch Dritte-Welt-Staaten zu, die sich nichts Neueres leisten können. Ansonsten lebt das Land von seinen Rohstoffen. Was die wirtschaftliche Basis angeht, steht Russland damit auf einer Stufe mit Nigeria - eine Art Afrika mit Atomwaffen, wenn man so will.
Weil die Produktivität zu langsam steigt, gibt es wenig Hoffnung, dass sich die Lage verbessert. Vor zehn Jahren musste der Barrelpreis bei 20 Dollar liegen, um den russischen Haushalt auszugleichen. Inzwischen sind es 103 Dollar. Ein Barrel russisches Öl kostet im Augenblick rund 108 Dollar. Da ist nicht mehr viel Spielraum. Es geht auf Dauer nicht spurlos an einer Nation vorbei, wenn die politische Führung über Jahrzehnte jeden ins Lager steckt oder außer Landes treibt, der einen klaren Gedanken fassen kann, weil darunter ja auch ein kritischer sein könnte.
Wladimir Putin hat den Zusammenbruch der Sowjetunion als größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts bezeichnet. Das mag für die 143 Millionen Einwohner Russlands stimmen, wobei man schon daran Zweifel haben kann. Für die Millionen Menschen, die hinter dem Eisernen Vorhang lebten, bedeutete das Ende des Sowjetkommunismus eine lang ersehnte Befreiung. Man muss den Satz also nicht wörtlich, sondern psychologisch verstehen. Er zeigt den Mentalitätszustand eines Politikers, der sich als Führer einer Großmacht aufspielt, obwohl das Land nur noch eine im Abstieg befindliche Mittelmacht ist.
Putin ist der Goldkettchenträger unter den Staatsmännern. Das Hemd immer einen Knopf zu weit geöffnet (wenn er überhaupt eines trägt), die Beine immer etwas zu breit, jede Geste darauf berechnet, maximal zu beeindrucken. Wie alle Menschen, die mit ihrem sozialen Status hadern, ist Putin extrem empfindlich, was echte oder auch nur vermutete Kränkungen angeht. Man kann das lächerlich finden, aber das wäre ein Fehler. Unsichere Menschen neigen zu fatalen Handlungen. Das sollte man immer bedenken, erst recht, wenn sie mit Sprengköpfen hantieren.
Rest an Macht
Das Einzige, was Putin geblieben ist, ist die Fähigkeit, seinen Nachbarn eine Heidenangst einzujagen. Dafür reicht die verbliebene Macht. Ein Gutteil der Schwarzmeerflotte in Sewastopol mag so hoffnungslos verrostet sein, dass kein Nato-Soldat seinen Fuß auf diese schwimmenden Särge setzen würde: Um die Ukraine einzuschüchtern, genügt die Waffenschau allemal.
Es ist ein großes Rätsel, warum sich die EU in dieses Machtspiel hat ziehen lassen. Die Lage der Ukraine ist ja noch schlechter als die des großen Nachbarlands. Es gibt nicht viele Staaten auf der Welt, die Russland - was Korruption und staatliche Willkür angeht - übertreffen. Die Ukraine gehört dazu. Die ist nun quasi pleite, weil sie nicht über die Bodenschätze verfügt, um die allgemeine Misswirtschaft auszugleichen.
"You break it, you own it", heißt eine Regel, die in Amerika auch als "pottery barn rule" gilt: Wer etwas zerbricht, dem gehört es - was heißt, dass er anschließend dafür geradestehen muss. Man wüsste gerne, wie Russland für das "Brudervolk" aufkommen will, das es nun in der Ukraine wiederentdeckt hat.
Aber wie es aussieht, landet die Rechnung in den europäischen Hauptstädten. Elf Milliarden Euro hat der brave Herr Barroso der Ukraine gerade als Hilfe versprochen. Man darf vermuten, dass sich Putin im Augenblick so großartig fühlt wie seit langem nicht mehr.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Wladimir Putin war von 2000 bis 2008 russischer Präsident, seit 2012 hat er dieses Amt wieder inne. Erst kürzlich kürte ihn das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" zum einflussreichsten Menschen der Welt. Nun rüttelt der Politologe Stanislaw Belkowski in seinem Buch an dem sorgfältig aufgebauten Image.
Unter dem Titel "Wladimir" verspricht der Star-Kolumnist die ganze Wahrheit über Putin. Sein gesamtes Erwachsenenleben, so Stanislaw Belkowski, sei Putin auf der Suche nach einer Ersatzfamilie gewesen.
Um den russischen Präsidenten, der kürzlich die Hand von Papst Franziskus schütteln durfte, zu verstehen, müsse man dessen unglückliche Kindheit betrachten, orakelt der Autor der Moskauer Boulevardzeitung. Beweisen - etwa durch Auszüge aus dem Geburtsregister - kann er das nicht.
In Boris Jelzin habe Putin einen Ersatzvater gesehen und im Oligarchen und Fußballclubbesitzer Roman Abramowitsch, einem Waisenjungen, einen Ersatzbruder. Das schreibt Autor Stanislaw Belkowski.
Putin inszeniert sich immer wieder öffentlichkeitswirksam als starker Mann. Mal präsentiert er sich wie hier im Juli als Angler, der die besonders dicken Fische fängt.
Ein Sexualleben? Das sei Putin fremd, schreibt Belkowski - er sei gar "latent schwul". Als vermeintlicher Beleg für die Homo-Spekulation muss ein Fotoshooting von 2007 herhalten, bei dem Putin und Prinz Albert von Monaco posierten und ihre Angelruten in den Händen hielten.
Bilder mit nacktem Oberkörper hätten Putin den Ruf als Schwulen-Ikone eingebracht. Eine wahrhaftig erotische" Fotosession, erklärt der Star-Kolumnist.
Sein Sprecher weist den Vorwurf, Putin sei schwul, ebenso scharf zurück wie die Spekulationen über Putins angeblichen Reichtum oder die Fälschung seines Geburtsdatums.
Politisch hatte sich Putin immer wieder gegen Schwule und Lesben ausgesprochen: Mit der Unterzeichnung eines Anti-Homosexuellen-Gesetzes zu den Olympischen Spielen in Sotschi etwa, das international für Empörung sorgte. Sogar Boykott-Forderungen gegen die Spiele waren laut geworden.
Aus dem kleinen Wladimir, der praktisch ohne Vater und ohne die Liebe und Pflege seiner Eltern aufwuchs, wurde ein verschlossenes und grimmiges Kind, schreibt Stanislaw Belkowski. Laut seiner Veröffentlichung habe Putin bei seinem Geburtsdatum geschummelt: Er sei zwei Jahre älter und als Sohn eines Alkoholikers zur Welt gekommen. (Im Bild: Putin hoch zu Rosse im August 2009.)
Putins Ausflüge in die schier endlose russische Wildnis sind legendär - ebenso wie die Bilder, die bei den Trips entstehen. Wann immer der Politiker sein Image aufpolieren will, greift er auf die altbekannten Macho-Posen zurück: Im Nordmeer half er 2010 bei einem Forschungsprojekt über Wale.
Im September 2012 schwang er sich in den Sitz eines Ultraleichtfliegers. Ganz "nebenbei" entstanden neue Bilder des selbsternannten Naturburschen Putin, die seine PR-Abteilung fleißig verbreitet.
Auch unter Wasser ist Putin in seinem Element: Im August 2010 fischte der Premier zwei beschädigte Amphoren aus dem Asowschen Meer, mehr als 1100 Kilometer südlich von Moskau. Dass die Bruchstücke dort offensichtlich für den Politiker platziert wurden, räumte sein Sprecher später ein - und amüsierte sich über die Leichtgläubigkeit seiner Zeitgenossen.
Wladimir Putin war von 2000 bis 2008 russischer Präsident, seit 2012 hat er dieses Amt wieder inne. Erst kürzlich kürte ihn das US-Wirtschaftsmagazin "Forbes" zum einflussreichsten Menschen der Welt. Nun rüttelt der Politologe Stanislaw Belkowski in seinem Buch an dem sorgfältig aufgebauten Image.
Foto: ? POOL New / Reuters/ REUTERSMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden