Qaida-Basis Westerwelle drängt Jemen zu Kurskorrektur

Deutschland macht die jemenitische Regierung für das Erstarken der Qaida verantwortlich. Das hat Außenminister Westerwelle Präsident Salih bei seinem Besuch klargemacht. Unmissverständlich.
Außenminister Westerwelle, Kollege Abu Bakr al-Kirbi bei Pressekonferenz: Eisige Mienen

Außenminister Westerwelle, Kollege Abu Bakr al-Kirbi bei Pressekonferenz: Eisige Mienen

Foto: Nasser Nasser/ AP

Guido Westerwelles

Es war das erste Mal, dass der deutsche Außenminister bei einer Pressekonferenz im Ausland nicht fortwährend lächelte. Miene war eisig, als er nach einem knapp einstündigen Gespräch mit dem jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih vor die Kameras trat. Es sei "ziemlich direkt und ungeschminkt zur Sache gegangen", hieß es in der deutschen Delegation. Aus dem Diplomatendeutsch übersetzt heißt das, dass man sich fast angeschrien hat.

Jemen

vereitelten Anschlag auf ein US-Passagierflugzeug

Westerwelle war zum Abschluss seiner Arabien-Reise am Montag überraschend zu einem knapp dreistündigen Besuch in den gereist. Das Land ist in den letzten Jahren zu einem Rückzugsort für Qaida-Kämpfer geworden. Seit dem kurz vor Weihnachten, der vom Jemen aus gesteuert worden sein soll, herrscht im Westen und der arabischen Welt Alarmstimmung. Man fürchtet, das Land könne ein zweites Afghanistan werden.

Westerwelle machte ziemlich unverblümt klar, was die Bundesregierung von der Politik Salihs hält. "Wir glauben, dass eine militärische Lösung nicht erfolgreich sein kann", sagte er. Er sei der Überzeugung, dass nur eine politische Lösung dem Terror den Nährboden entziehen könne. Das, so hieß es hinterher, habe er auch dem Präsidenten in aller Deutlichkeit gesagt.

al-Qaida

In Deutschland und bei wichtigen Verbündeten macht man den Kurs der jemenitischen Regierung für das Erstarken von verantwortlich. Im Norden des erst seit 1990 vereinten Landes geht das jemenitische Militär mit aller Härte gegen schiitische Huthi-Rebellen vor, im Süden gegen eine Separatistenbewegung. Während die Einnahmen des Regimes aus der Ölförderung zurückgehen, explodiert die Einwohnerzahl. Die wirtschaftliche Lage der Bevölkerung verschlechtert sich auch deswegen immer mehr. Das treibt den Terroristen Unterstützer zu.

Druck auf Präsident Salih

Die Bundesregierung und wichtige europäische Verbündete wie Großbritannien drängen Salih, endlich etwas für die Lage der Bevölkerung zu tun und stärker gegen Korruption und Misswirtschaft vorzugehen. Deutschland hat dem Jemen 79 Millionen Euro Entwicklungshilfe für zwei Jahre zugesagt und ist damit sein größter europäischer Unterstützer. Dieser Hebel soll genutzt werden, um den Präsidenten zu einer besseren Regierungsführung zu drängen. Pünktlich zum Besuch Westerwelles hatte Salih angekündigt, er sei bereit zum Dialog mit al-Qaida, falls die Terroristen ihre Waffen niederlegten. Das reichte allerdings nicht aus, um deutsche Befürchtungen zu zerstreuen.

Allerdings haben die Deutschen Sorge, zu viel öffentlichen Druck auszuüben. Sie fürchten, dass Salih sonst im Land als Marionette des Westens gelten und weiter an Einfluss verlieren könnte. Mit einiger Beunruhigung betrachtet man im Auswärtigen Amt deshalb auch die amerikanische Unterstützung für das jemenitische Militär, die bislang nicht an politische Reformen geknüpft ist.

Westerwelle hatte vor seinem Besuch in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa unter anderem mit dem saudischen König Abdallah ausführlich über die Lage im Jemen gesprochen. Saudi Arabien ist der größte Geldgeber des Landes. Die Saudis fürchten, dass Iran unter den Huthi-Rebellen an Einfluss im Jemen gewinnen könnte. Außerdem wollen sie verhindern, dass Qaida-Terroristen aus dem Süden Jemens nach Saudi-Arabien einsickern.

Zweifel an der guten Nachricht über die Lage der Geiseln

Die internationale Gemeinschaft will sich einen Tag vor der für den 28. Januar geplanten Afghanistan-Konferenz mit dem Jemen befassen. Man sei bereit, dem Land zu helfen, hieß es aus der deutschen Delegation. Voraussetzung sei aber, dass es in London konkrete Ergebnisse gebe, was die Frage von Reformen und einer politischen Lösung der Konflikte Jemens angehe.

Zum Schluss gab es für Westerwelle noch eine vermeintlich gute Nachricht. Vor zwei Stunden, so Salih im Gespräch mit Westerwelle, habe er eine erfreuliche Mitteilung erhalten. Man wisse jetzt, wo sich die fünf deutschen Geiseln aufhielten, die vor sieben Monaten im Jemen entführt worden seien.

Unter deutschen Diplomaten war man allerdings skeptisch, was den Wahrheitsgehalt der Information anging. Es dient nicht unbedingt der Sicherheit der Geiseln, den Entführern zu signalisieren, dass man ihren Aufenthaltsort kennt. Die Äußerung Salihs wirkte wie ein Versuch, gute Stimmung zu machen und möglicherweise auch zu signalisieren, dass man sich gegenseitig brauche. Westerwelle dankte dem Präsidenten für ein Engagement für die deutschen Geiseln. Seine Skepsis ließ er auch durchblicken: Man habe allerdings keine eigene Einschätzung, ob Salihs Angaben zuträfen.

Regeln der Höflichkeit

Bereits vergangene Woche hatte der stellvertretende jemenitische Ministerpräsident Raschid al-Alimi verbreitet, die Regierung in Sanaa habe aktuelle Informationen über den Verbleib der Familie. "Ja, sie sind noch am Leben - zumindest nach den Informationen, die wir haben", so Alimi. Diese Informationen wurden jedoch von deutscher Seite umgehend als reine Hoffnungserklärung abgetan, die nach den lokalen Gebräuchen und den Regeln der Höflichkeit im Jemen durchaus üblich sind. Bisher gibt es keine Hinweise, dass Jemen über konkrete Informationen verfügt.

Ermittler sehen hinter den Verlautbarungen bei offiziellen Anlässen durchaus ein politisches Interesse. Die jemenitische Regierung beschuldigt die Huthi-Rebellen, die Teile des Nordjemens kontrollieren, an der Verschleppung beteiligt zu sein. Ob diese Anschuldigungen stimmen, gilt zumindest im deutschen Krisenstab als fraglich. Zu offenkundig ist das Interesse Sanaas, die aufständischen Huthis zu diskreditieren. Es wäre zudem das erste Mal, dass Huthis und al-Qaida gemeinsam operieren. Belege für die Behauptung blieb der Jemen stets schuldig.

Von den Eltern Johannes und Sabine H., beide 37, fehlt seit der Verschleppung in der nordjemenitischen Provinz Saada am 12. Juni jede Spur. Gemeinsam mit ihnen wurden ihre Kinder Lydia, 5, Anna, 3, Simon, 1, und ein britischer Staatsbürger entführt. Die Familie war mit zwei deutschen Bibelschülerinnen und einer Südkoreanerin gekidnappt worden. Drei Tage später wurden die verstümmelten Leichen der zwei deutschen Frauen sowie der Koreanerin entdeckt - sie waren erschossen worden.

Mitarbeit: Matthias Gebauer
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