Gezielte Tötung von Qasem Soleimani Ein Schritt in den Krieg

Mit der Ermordung von Qasem Soleimani haben die USA Iran de facto den Krieg erklärt. Teheran wird nun Vergeltung üben. Eine militärische Eskalation scheint unabwendbar.
Folgt auf die gezielte Tötung von Qasem Soleimani ein Krieg?

Folgt auf die gezielte Tötung von Qasem Soleimani ein Krieg?

Foto: Irans Supreme Leader Office/ EPA-EFE/ REX

Anderthalb Jahre nachdem Trump das Atomabkommen gekündigt und seine Strategie des maximalen Drucks gegen Iran begonnen hat, stehen die USA an der Schwelle zu einem bewaffneten Konflikt mit dem Regime in Teheran.

Mit Qasem Soleimani hat das US-Militär auf Befehl von Präsident Donald Trump den zweitmächtigsten Mann der Islamischen Republik getötet, eine militärische und politische Schlüsselfigur des Regimes. Das ist eine völlig neue Qualität in der aktuellen Auseinandersetzung zwischen Washington und Teheran - und weit darüber hinaus. Etwas Vergleichbares hat es in vier Jahrzehnten der Feindschaft zwischen Iran und den USA nicht gegeben.

Eine Eskalation ist damit unausweichlich geworden. Es ist ausgeschlossen, dass Iran nicht mit Vergeltungsschlägen reagieren wird, die dann wiederum amerikanische Gegenschläge nach sich ziehen würden. So beginnen Kriege.

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Sollte es bis Donnerstag noch Hoffnungen auf eine Entschärfung des Konflikts zwischen Washington und Teheran gegeben haben, sind diese nun passé. Gespräche, wie sie zuletzt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im September zu vermitteln versuchte, sind undenkbar geworden. Trumps Entscheidung ist damit ein bedeutender Sieg für die Hardliner in den USA, die gegenüber Iran auf Konfrontation setzen.

Die Tötung Soleimanis ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die mit dem Austritt der USA aus dem Atomabkommen im Mai 2018 begonnen hatte. Trump ersetzte die Verhandlungsstrategie der Europäer durch "maximalen Druck", seit dem vergangenen Sommer antwortet Iran darauf mit "maximalem Widerstand": Provokationen wie Angriffe auf Tanker im Persischen Golf, Ölanlagen in Saudi-Arabien und US-Ziele im Irak. Obwohl Iran sich zu den meisten Attacken nicht offiziell bekannte, zeigten sie die Verwundbarkeit der US-Amerikaner und ihrer Verbündeten in der Region.

Trump, dessen erklärtes Ziel es ist, die US-Truppen aus der Region abzuziehen, reagierte zunächst zurückhaltend - um nun mit maximaler Provokation den Konflikt zu eskalieren.

Denn die Bedeutung Soleimanis im Machtgefüge Irans ist kaum zu überschätzen. Er war viel mehr als der Kommandeur einer Elitetruppe. Die Revolutionsgarden, deren al-Quds Einheit er führte, sind seit Langem ein Staat im Staate, ihre Macht reicht weit in Politik und Wirtschaft des Landes. Viele sehen sie als die eigentlichen Machthaber der Islamischen Republik.

Soleimanis Tötung wird die Reihen des Regimes noch fester schließen

Soleimani prägte nicht nur die iranische Außen- und Verteidigungsstrategie, die Aktionen in der Region von Libanon über Syrien und Jemen bis in den Irak. Er war auch ein entscheidender politischer Player, wurde als möglicher Nachfolger von Präsident Hassan Rohani gehandelt. Sicher ist, dass er bei der Nachfolge des greisen Ayatollah Ali Khamenei entscheidenden Einfluss gehabt hätte. Und er war weit über Iran hinaus eine populäre Symbolfigur des schiitischen Widerstands gegen die amerikanische Vorherrschaft im Nahen Osten.

Seine Ermordung wird in Iran die Reihen noch fester schließen und Unterstützung für das Regime mobilisieren, das sich zuletzt im ganzen Land mit Massenprotesten gegen Misswirtschaft und Korruption konfrontiert sah.

Und Iran wird, das hat der religiöse Führer Ali Khamenei angekündigt, Vergeltung üben. Dank seiner zahlreichen verbündeten Milizen in der Region bieten sich dafür reichlich Möglichkeiten. Wenn die Iraner US-Ziele ins Visier nehmen, ist es sehr wahrscheinlich, dass bald auch amerikanische Soldaten sterben. Das wiederum könnte und würde Trump nicht unbeantwortet lassen.

Im Irak droht ein Stellvertreterkrieg

Wichtigster Schauplatz dieser Auseinandersetzung droht der Irak zu werden. Während Trump die Truppen dort zuletzt verstärkte, wird Iran alles daran setzen, die Amerikaner zum Rückzug aus dem Nachbarland zu zwingen. Fast 17 Jahre nach dem Einmarsch der US-Amerikaner ist der Irak von inneren Kämpfen zerrissen.

Demonstrationen der vergangenen Monate, die sich gegen Korruption und Misswirtschaft, aber auch gegen den iranischen Einfluss im Nachbarland richteten, wurden brutal niedergeschlagen. Es gab Hunderte Tote. Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi und Präsident Barham Salih haben ihre Rücktritte eingereicht. Nun droht das ohnehin instabile Land zum Schauplatz eines Stellvertreterkriegs zu werden.

Für die iranische Führung ist die Tötung Soleimanis ein schwerer Schlag, sie steht jetzt vor der Frage, wie rasch die Vergeltung kommen und wie heftig sie ausfallen soll, am Freitag war bereits eine außerordentliche Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats anberaumt. Sicher ist, dass der von vielen regimetreuen Iranern verehrte General den Machthabern auch nach seinem Tod noch dienlich sein wird: glorifiziert als Märtyrer, dessen Vermächtnis es nun zu wahren gelte.

Sendehinweis

Irans Schattengeneral (GB 2019)
Er ist Generalmajor der Quds-Brigaden, einer Eliteeinheit der iranischen Revolutionsgarden und der Meister geheimer Bündnisse. Doch sein Name ist kaum jemandem bekannt: Qasem Soleimani. Raffiniert leitet er die außenpolitischen Geschicke Irans und hinterlässt dabei keine schriftlichen Spuren. Wer ist dieser Mann? Und wie kam er in eine so wichtige Position?

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