Queen Elizabeth besucht Irland Charme-Offensive in Grün
Verbeugen oder nicht - die Frage hatte die irischen Medien vor dem hohen Besuch aus London beschäftigt. Der Cartoonist der "Irish Times" unkte, kein Ire müsse sich mehr vor der Queen verneigen. Allenfalls vor der Europäischen Zentralbank. Nach der Hilfe in der Finanzkrise gilt das Geldhaus als neue Fremdherrscherin in Dublin. Auch der "Irish Independent" gab Entwarnung: Es gebe nur eine goldene Verhaltensregel, wenn plötzlich eine kleine Frau mit einem großen Hut auf einen zustrebe: "Nicht anfassen". Verbeugen sei jedenfalls nicht nötig, das müssten nur Untertanen.
Als Queen Elizabeth II. am Dienstag zu ihrem viertägigen Staatsbesuch in Irland eintraf, verbeugte sich denn auch niemand - nur die Königin selbst. Im "Garten der Erinnerung", der Dubliner Gedenkstätte für gefallene irische Unabhängigkeitskämpfer, legte die Queen einen Kranz nieder, senkte den Kopf und ehrte die Opfer mit einer Schweigeminute.
Es sind solche historischen Gesten der Versöhnung, die von dieser Visite in Erinnerung bleiben sollen. Die Queen ist gekommen, um den endgültigen Schlussstrich unter die blutige Vergangenheit der beiden Nachbarn zu ziehen. "Ein kleiner Schritt für die Queen, ein großer Moment in der irisch-britischen Geschichte", kommentierte ein BBC-Korrespondent ihre Ankunft auf einem Dubliner Militärflughafen.

Von dem Moment an, als sie den Fuß auf irischen Boden setzte, startete die Queen ihre Charme-Offensive. Ihren Mantel und ihren Hut hatte sie in der irischen Nationalfarbe Smaragdgrün gewählt, und dann knipste sie auch noch ein für sie eher seltenes Dauerlächeln an.
Es ist das erste Mal seit hundert Jahren, dass ein britischer Monarch nach Irland kommt, und entsprechend hoch ist die Spannung, die den Gast umgibt. Die Iren mussten sich ihre Unabhängigkeit 1922 von der britischen Krone blutig erkämpfen - und die Narben sind nicht völlig verheilt. Ein Teil der Bevölkerung hat die Teilung der Insel in die Republik Irland im Süden und die britische Provinz Nordirland noch immer nicht verwunden.
Deshalb fuhr die Wagenkolonne der Queen am Dienstag durch menschenleere Straßen, abgesperrt und gesichert durch mehrere Hundertschaften der Polizei. Kontakt mit dem Volk war nicht vorgesehen - zu gefährlich. Schon vor dem Eintreffen des Gasts war eine Bombe in der Nähe von Dublin entschärft worden: Es war offenbar ein Versuch militanter Splittergruppen, in die Schlagzeilen zu kommen.
Rangeleien am Rande der Kranzniederlegung
Proteste störten auch die Kranzniederlegung im "Garten der Erinnerung", einem heiligen Ort der irischen Republikaner. Zwar hatte die Polizei den Platz so weiträumig abgesperrt, dass die Queen keine Demonstranten zu sehen bekam. Aber sie waren zu hören. Sie lieferten sich an den Barrikaden in der O'Connell Street heftige Rangeleien mit der Polizei, warfen Steine, entzündeten Böller und steckten einen Union Jack, die britische Nationalflagge, in Brand. Es waren allerdings nur ein paar hundert Menschen, eine kleine Minderheit. Die meisten der rund 4,5 Millionen Iren begrüßen laut Umfragen den Staatsbesuch.
Die irische Regierung war erleichtert, dass der erste Tag ohne größere Zwischenfälle über die Bühne ging. Doch bleiben noch drei Tage des Zitterns, bis der Besuch wieder abfährt. Am Mittwoch besucht die Queen das Nationalstadion Croke Park, wo 1920 britische Hilfspolizisten bei einem Fußballspiel 14 Menschen erschossen. Es ist ein weiterer Symbolort der Republikaner. Abends beim Staatsbankett in der Dubliner Burg wird sie die einzige Rede der Reise halten: Es wird spekuliert, ob sie vielleicht einige Worte des Bedauerns für vergangene Gewalttaten finden wird.
Selbst wenn es keine Entschuldigung gibt: Der Besuch gilt auf beiden Seiten der Irischen See schon jetzt als Erfolg. Die Tatsache, dass das britische Staatsoberhaupt nach so vielen Jahrzehnten seinen Antrittsbesuch macht und Irland als gleichwertigen Staat behandelt, ist vielen Iren Geste genug. "Es ist endlich möglich zu sagen, dass die Beziehung zwischen Großbritannien und Irland einfach normal ist", kommentierte die "Irish Times".
Gleiche Musik, gleicher Humor
Tatsächlich sind die Beziehungen der beiden EU-Partner enger denn je. Sechs Millionen Menschen in Großbritannien sind Iren oder haben irische Vorfahren. Man schaut die gleichen TV-Serien, hört die gleiche Musik und teilt den gleichen Humor. "Keine anderen Nachbarn - nicht einmal die mit gleicher Sprache wie Kanada und die USA - haben engere Bande als Großbritannien und Irland", schreibt der "Irish Independent".
Befriedigt wird in den irischen Blättern kommentiert, dass Staatspräsidentin Mary McAleese nun auf Augenhöhe mit der Queen sei. Die Gastgeberin hatte die Einladung schon 1998 nach der Unterzeichnung des Karfreitagsabkommens ausgesprochen. Mit dem Abkommen wurde damals die politische Lösung des Nordirland-Konflikts eingeleitet.
Dass es so lange gedauert hat, bis der Besuch geklappt hat, zeigt, wie speziell die Beziehungen zwischen den beiden Ländern immer noch sind. Normal, sagte der irische Historiker Sean Duffy, seien sie erst, "wenn ein Queen-Besuch uns so richtig langweilen würde".