Queen Elizabeth II. Das Schweigen

Sie lächelt, winkt - und ist neutral: So funktioniert Queen Elizabeth II. und mit ihr das Vereinigte Königreich. Der Brexit zwingt sie womöglich in eine neue Rolle.
Foto: John Stillwell/ REUTERS; [M] SPIEGEL ONLINE

Elizabeth II. ist ein Paradoxon. Sie ist die bekannteste Frau der Welt - doch wir wissen nicht, was sie denkt. In Zeiten, da jeder D-Klasse-"Promi" seine Befindlichkeiten ständig in irgendeine Kamera - gern die eigene - quatscht, schweigt die Queen.

Neutral zu sein, ist ihre Pflicht als Monarchin, gleichzeitig ist es ihre Jobgarantie.

Dem letzten König, der das englische Parlament nach Hause schicken wollte, um sein eigenes Ding machen zu können, wurde der Kopf abgeschlagen. Inzwischen hat sich auf der britischen Insel folgende Arbeitsteilung etabliert: Die Regierung macht die Politik, die Queen darf bei der Parlamentseröffnung öffentlich verlesen, wie diese Politik aussehen soll.

Einmal die Woche, immer dienstags, gibt's ein Tête-à-tête: Dann erscheinen Regierungschef oder -chefin für eine Stunde bei Elizabeth im Buckingham Palast, man tauscht sich aus. Über das Besprochene wird Stillschweigen gewahrt - was seit bald 70 Jahren funktioniert. Die Queen hält dicht.

Die seit Jahren unlösbare Streitfrage, ob und wie sich Großbritannien von der Europäischen Union abspalten soll, hat bereits zwei Premierminister verschlissen. Doch auch zum Thema Brexit, dem größten Problem ihres Landes seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, äußert sich die Queen öffentlich nie explizit. Sie bietet - Projektionsfläche, die sie ist - nur Zeichen an: ein EU-blaues Kostüm, das sie 2017 ausgerechnet zur Parlamentseröffnung trug, eine kurze Rede, in der sie Anfang dieses Jahres - so ganz allgemein - zur Überbrückung aller Differenzen mahnte.

Die Queen am 21. Juni 2017 in himmelblauem "Europa-Kostüm": Ein geheimes Zeichen wider den Brexit?

Die Queen am 21. Juni 2017 in himmelblauem "Europa-Kostüm": Ein geheimes Zeichen wider den Brexit?

Foto: CARL COURT/ AFP

Die greise Monarchin hat es Boris Johnson zu verdanken, dass nun auch sie, die strikt Neutrale, als Akteurin in das Himmelfahrtskommando Brexit hineingezogen wird.

Der neue Regierungschef zerrte die Queen Ende August durch seinen Taschenspielertrick, das Parlament in eine längere Zwangspause zu schicken, um ungestört einen harten EU-Austritt vorantreiben zu können, in die Niederungen der täglichen Chaospolitik.

Die Tabuverletzung war gewaltig, Johnson missbrauche die Queen, so der Vorwurf. Denn die Monarchin repräsentiert ja nicht nur; sie ist, gerade in ihrer machtlosen, neutralen Würde, das Symbol einer funktionierenden Gewaltenteilung, von Demokratie.

Die nächste Klippe wartet schon:

  • Was, wenn Johnson etwa nach einem Misstrauensvotum nicht wie üblich zurückträte, sondern gegen alle Gepflogenheiten im Amt bleiben wollte?
  • Was, wenn Corbyn dann bei der Queen vorstellig würde, um sich selbst mit der Regierungsbildung beauftragen zu lassen? Und die Queen, die neutrale Elizabeth, müsste dann entscheiden?

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