Rache für US-Folter Bin-Laden-Vertrauter schneidet Amerikaner den Kopf ab

Der Krieg der Bilder wird immer brutaler: Auf einer islamistischen Website wurde ein Video veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie maskierte al-Qaida-Terroristen einem gefesselten Amerikaner bei lebendigem Leib den Kopf abtrennen. Bin Ladens Statthalter im Irak, Abu Musab al-Sarkawi, rühmt sich in einer Erklärung der Tat.

Berlin - "Abu Musab al-Sarkawi tötet einen Amerikaner" verkündet der Vorspann des gut fünfeinhalb Minuten langen Mord-Videos, das gestern Abend auf einer Internetseite auftauchte, die schon in der Vergangenheit Bekennerschreiben, Videos und Erklärungen des Terrornetzwerks al-Qaida veröffentlicht hatte.

Auf den ersten Bildern ist lediglich ein gefesselter Mann in einem orangefarbenen Overall vor einer gelblichen Wand zu sehen. Seine Kleidung erinnert stark an die Gefängniskluft der Insassen des US-Lagers von Guantanamo. Dann beginnt der junge Mann, dem ein vielleicht zehn Tage alter schwarzer Bart im weißen Gesicht steht, zu sprechen: "Mein Name ist Nick Berg, der Name meines Vaters ist Michael, meine Mutter heißt Suzanne", erklärt der Mann. "Ich habe einen Bruder und eine Schwester. Ich lebe in Philadelphia."

Im Hintergrund erscheinen nun plötzlich fünf schwarz gekleidete, mit verschiedenfarbigen Tüchern maskierte Männer. Einer von ihnen liest eine mehrseitige arabische Erklärung von Zetteln ab. Berg hört mit schockstarrer Mine zu, an Händen und Füßen gefesselt. Wie ein Lamm sitzt er vor seinen Mördern. Nach der Kommandoerklärung zieht einer der Maskierten ein Messer aus seinem Gewand. Die Vermummten stoßen Nick Berg auf den Boden.

Was dann geschieht, ist an Grausamkeit kaum zu überbieten: Unter furchtbaren Schreien, die sich mit dem Flehen des Opfers mischen, schneiden die Mörder dem Amerikaner in mehreren Anläufen die Kehle durch, trennen den Kopf vollständig ab und halten ihn am Ende triumphierend in die Kamera. Kurz vor, während und nach der bestialischen Hinrichtung brüllen die Mörder: Allah u akbar - Gott ist groß.

Der Mord fand schon vor einigen Tagen statt; der Tod Bergs ist bereits bestätigt. Der 26-Jährige, Besitzer einer Firma für Kommunikationszubehör, war in den Irak gereist, um beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Seine Mutter sagte heute, ihr Sohn sei bereits seit dem 9. April vermisst gewesen.

Blut und Seelen für Abu Ghureib

In der Erklärung, die vor der Enthauptung Bergs verlesen wurde, rechtfertigen die Täter den Mord mit den Misshandlungen irakischer Kriegsgefangener in Abu Ghureib durch Koalitionstruppen. An die Adresse der "Mütter und Ehefrauen der amerikanischen Soldaten" gerichtet erklärte der Sprecher, möglicherweise der Bin-Laden-Vertraute al-Sarkawi selbst, der als Schlüsselfigur des Terror im Irak gilt: "Wir teilen euch mit, dass wir der US-Regierung angeboten haben, diese Geisel gegen einige der Inhaftierten von Abu Ghureib auszutauchen. Aber sie haben abgelehnt." Die Würde der misshandelten Muslime von Abu Ghureib könne deshalb nur mit "Blut und Seelen" wiederhergestellt werden.

"Ihr werdet von uns nichts als Särge über Särge erhalten", heißt es in dem Statement weiter, das in Auszügen auch auf der Internetseite zu finden ist, auf der das Video veröffentlicht wurde. "Wie kann ein freier Muslim ruhig schlafen, wenn er sieht, wie der Islam abgeschlachtet wird und seine Würde blutet?", heißt es weiter in der Erklärung.

An den US-Präsidenten George W. Bush gerichtet, erklärte der Sprecher: "Erwarte schwere Tage! Du und deine Soldaten werdet bereuen, den Irak betreten zu haben." Den pakistanischen Machthaber Pervez Musharraf, ein Verbündeter der USA, bezeichnete der Rädelsführer als Verräter.

Eine Odyssee durch den Irak

Die Leiche von Nick Berg aus Philadelphia war am vergangenen Samstag von US-Truppen auf einer Autobahnbrücke nahe Bagdad gefunden worden. Die Mutter des Getöteten sagte der Nachrichtenagentur AP, dass ihr die Armee von der Enthauptung berichtet habe. Den Eltern wurde das Video der Enthauptung am Dienstag gezeigt.

Der 26-jährige Techniker war seit dem 9. April vermisst worden. Damals hatte er sich telefonisch bei seinen Eltern gemeldet und sagte, er wolle sich aus Mossul im Norden des Landes auf den Weg in die USA machen. In seinem Bagdader Hotel aber kam er nie an.

Bisher ist unklar, wie er reiste und wo er von Widerständlern festgenommen worden sein könnte. Allerdings verschwanden genau am 9. April auch mehrere Mitarbeiter der Ölfirma Halliburton, von denen schließlich vier getötet aufgefunden worden waren.

Vor seinem Verschwinden hatte Berg eine Odyssee durch den Irak hinter sich. Auf der Suche nach Arbeit war er durch das vom Guerilla-Krieg geschüttelte Land gereist und hatte nach Projekten gesucht. Nach einem ersten Aufenthalt von Dezember bis zum Februar war er im März 2004 in den Irak zurückgekehrt. Laut lokalen Zeitungen aus Philadelphia fand er aber zunächst in Bagdad keine Auftraggeber und reiste deshalb durchs Land.

Bei seinen Reisen wurde Berg Ende März auch mehrere Tage festgenommen. Nach Zeitungsberichten hatten ihn die US-Truppen mehrere Tage verhört, da der Grund seines Aufenthalts im Irak unklar war. Das FBI teilte den besorgten Eltern lediglich mit, dass sie den Grund des Aufenthalts von Berg im Irak recherchierten. Gegen die Festnahme und die mehrtägige Inhaftierung hatten die Eltern schließlich vor Gericht protestiert. Kurz darauf war Berg freigelassen worden.

Die brutale Hinrichtung Bergs erinnert an die ebenfalls von den Entführern auf Video festgehaltene Ermordung des US-amerikanischen Journalisten Daniel Pearl in Pakistan 2002. Vier militante Islamisten wurden für den Mord an Pearl mittlerweile verurteilt, sieben weitere Verdächtige, darunter der mutmaßliche Haupttäter, sind noch nicht gefasst.

Im April dieses Jahres war ebenfalls im Irak der Italiener Fabrizio Quattrocchi von seinen Entführern getötet worden. Er wurde von einer bis dahin unbekannten Gruppe erschossen, die mit der Drohung, auch die übrigen in ihrer Gewalt befindlichen Geiseln zu töten, den Abzug der italienischen Truppen im Irak erzwingen wollte.

Yassin Musharbash, Matthias Gebauer

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