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Saudi-arabischer Blogger: Kampf um Badawis Freilassung

Foto: STEPHANE DE SAKUTIN/ AFP

Frau des verurteilten Bloggers Badawi: "Sie kommen immer nach dem Freitagsgebet - oder nicht"

Zehn Jahre Haft und 1000 Stockhiebe: So bestrafte Saudi-Arabien den kritischen Blogger Raif Badawi. Seine Frau ist mit den Kindern in Kanada, einmal in der Woche kann sie fünf Minuten mit ihm telefonieren. Sie hofft auf eine Begnadigung.

Das selbst für Saudi-Arabien harte Urteil gegen den Blogger Raif Badawi löste weltweit Empörung aus - zehn Jahre Haft und 1000 Stockhiebe. Als Begründung hieß es, der Internetaktivist sei "vom Glauben abgefallen", außerdem zeige er "Ungehorsam gegenüber dem Herrscher". Im Juni wurde das Urteil erneut bestätigt.

Der 31-jährige Badawi hatte 2008 das Internetforum "Die saudischen Liberalen" gegründet und diskutierte auf seiner Webseite aktuelle soziale Fragen. 2012 wurde der dreifache Vater verhaftet. Im Januar dieses Jahres wurden er erstmals durch 50 Hiebe in der Öffentlichkeit bestraft.

Der Fall offenbart die wachsenden Spannungen innerhalb der saudi-arabischen Gesellschaft. Zehntausende junge Saudi-Araber gehen jedes Jahr in die USA oder nach Europa, um dort zu studieren. Viele wünschen sich nach ihrer Rückkehr ins eigene Land eine offenere Debatte über Politik und Religion. Damit treffen sie aber, wie der Blogger Badawi, auf erbitterten Widerstand der strenggläubigen Wahhabiten. Deren puristisch-traditionalistische Auslegung des Glaubens ist Staatsreligion in Saudi-Arabien. Die Wahhabiten sind der Ansicht, den Islam authentisch zu leben und lehnen jegliche religiöse Liberalisierung meistens ab.

Um das fragile Machtgefüge auch in unruhigen Zeiten nicht zu gefährden, lässt die Regierung in Riad die Islamisten meist widerstandslos gewähren und opfert dafür, wie im Fall Badawi, die Menschenrechte. Der Zusammenhalt des Landes hat auch für den neuen König Salman oberste Priorität.

SPIEGEL ONLINE sprach mit Raif Badawis Ehefrau Ensaf Haidar, die inzwischen im kanadischen Exil lebt, über ihren Kampf um die Freilassung ihres Mannes und das undurchsichtige Machtgefüge in ihrem Land.

SPIEGEL ONLINE: Wie geht es Ihrem Mann?

Haidar: Im Gefängnis gibt es einen öffentlichen Fernsprecher. Er ruft mich pro Woche einmal kurz an, wir sprechen maximal fünf Minuten. Nach der Misshandlung durch die Stockhiebe hatte er schreckliche Schmerzen. Er schreibt viel, war aber bei unserem letzten Telefonat sehr pessimistisch. Er glaubt, er wird die ganzen zehn Jahre absitzen müssen.

SPIEGEL ONLINE: 50 Stockschläge pro Woche, so lautet das Urteil. Wann ist die nächste öffentliche Verabreichung der Schläge?

Haidar: Nach dem Freitagsgebet kommen sie und holen ihn oder eben nicht. Die Kinder und ich sind jedes Mal wie gelähmt. Wir weinen dann zusammen.

SPIEGEL ONLINE: Wer sind die Feinde der Freiheit in Saudi-Arabien?

Haidar: Innerhalb der Königsfamilie gibt es einige liberale Geister. Aber die Wahhabiten mit ihren islamischen Organisationen sind lebensfeindlich. Sie hassen die Freiheit.

SPIEGEL ONLINE: Der Arabische Frühling hat in anderen Ländern nicht die erhoffte Befreiung gebracht. Wünschen Sie sich einen Regime-Wechsel in Riad?

Haidar: Es ist sehr gefährlich, in Saudi-Arabien über Politik zu reden. Nur so viel: Die Königsfamilie ist zumindest besser als die anderen.

SPIEGEL ONLINE: Die Saud-Dynastie teilt sich die Macht mit den strengen wahhabitischen Rechtsgelehrten. Wird es künftig mehr Liberalisierung geben oder gewinnen die Hardliner?

Haidar: Auf welche Seite die Würfel am Ende fallen, weiß niemand. Ich hoffe, dass künftig mehr Toleranz herrscht gegenüber politischen Gefangenen.

SPIEGEL ONLINE: Wie ist Ihre Strategie beim Kampf um die Freilassung Ihres Mannes?

Haidar: Ich versuche, die europäischen Staatsführer zu überzeugen, sich für ihn einzusetzen. Die Regierungen von Deutschland und Frankreich habe ich gebeten, beim König um eine Begnadigung für Raif zu bitten. Das ist der einzige Weg.

SPIEGEL ONLINE: In Berlin trafen Sie kürzlich mit Angela Merkels Sicherheitsberater Christoph Heusgen und Vizekanzler Sigmar Gabriel zusammen. Haben Sie konkrete Zusagen erhalten?

Haidar: Beide, Herr Gabriel und Herr Heusgen, versicherten mir, dass der Fall für die Kanzlerin persönlich bedeutend ist. SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie jemals ins Königreich zurückkehren?

Haidar: Meine Kinder und ich haben in Kanada eine neue Heimat gefunden. Es ist ein tolles Land. Aber ich vermisse Raif so sehr, ohne ihn ist mein Leben nichts.

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