Reaktion auf Obama-Wahl Verlegene Gratulation aus Downing Street

Schadensbegrenzung der britischen Regierung: Premier Brown muss nach der Wahl Barack Obamas gut Wetter machen. Denn der Labour-Mann hatte es sich mit dem US-Demokraten bereits verscherzt - weil er sich frühzeitig auf Hillary Clinton festgelegt hatte.
Von Sebastian Borger

London - Normalerweise - und häufig zu Recht - rühmen sich die Briten ihrer Geschmeidigkeit, mit der politische Kurswechsel hinter subtiler Rhetorik versteckt werden. Dagegen hatten die Statements der Parteichefs zu Barack Obamas klarem Sieg beinahe etwas Rührendes: Allzu deutlich gerieten die Gratulationen des Labour-Premierministers und des konservativen Oppositionsführers zur ungeschlachten Fortsetzung des innenpolitischen Schlagabtausches, der in den vergangenen Wochen an Härte zugenommen hat.

"Ich kenne Barack Obama”, behauptete Gordon Brown – ein Hinweis auf das zweistündige Treffen in der Downing Street Ende Juli. Seine Welttournee aber hatte der damalige Präsidentschaftskandidat nicht – wie erhofft – in London begonnen, sondern dort beendet; die außenpolitische Rede hielt er in Berlin, nicht in London; vor die Presse trat er allein ohne Brown - nicht wie in Paris mit Staatspräsident Nicolas Sarkozy.

Das war die Strafe dafür, dass Brown und seine Leute, die seit Jahren beste Verbindungen zu den Demokraten pflegen, im US-Vorwahlkampf allzu offensichtlich auf Hillary Clinton gesetzt hatten. Zudem wirkte Brown noch vor drei Monaten wie ein sicherer Verlierer – mit so jemandem zeigt man sich nicht gern, wenngleich er der einzige Mitte-Links-Regierungschef der vier größten Staaten Europas ist.

Im Finanzdebakel der vergangenen Wochen hat sich Brown als Krisenmanager bewährt, worauf der Premier in seiner Stellungnahme hinwies. Obama und er teilten "die Entschlossenheit zu zeigen, dass Regierungen den Menschen durch die schweren Zeiten helfen können". Brav lobte der Labour-Mann den Demokraten zudem für "seinen inspirierenden Wahlkampf und seine Zukunftsvision".

Auch von Obamas "progressiven Werten" war die Rede wie schon im September, als der Premierminister sich nach Hillarys Niederlage dann doch öffentlich und vorschnell auf die Seite Obamas schlug – was John McCains Leute ironisch als "die heiß ersehnte Unterstützung durch Premierminister Brown" abtaten.

Den Peinlichkeiten aus der Downing Street stand die Stellungnahme der Konservativen in nichts nach. Vor zwei Jahren trat John McCain als Gastredner bei ihrem Parteitag auf. Man habe "den zukünftigen US-Präsidenten" zu Gast gehabt, prahlten die Tories hinterher.

Davon war in den letzten Wochen nicht mehr die Rede. Hingegen verwiesen Mitarbeiter des Parteichefs David Cameron gern auf dessen Zusammenkunft mit Obama im Juli, als sich die beiden über den enormen Druck austauschten, der auf Politikern lastet.

Die Gemeinsamkeit soll andauern: Amerika, betonte Cameron, habe sich "nach einer Veränderung gesehnt – so wie die Menschen überall in diesen schwierigen Zeiten auf Veränderung hoffen”. Wer die Parallele mit Großbritannien noch immer nicht verstanden hatte, bekam folgenden Satz um die Ohren geschlagen: Obama sei "der erste in einer neuen Generation von Regierungschefs weltweit, die den Wandel vollziehen”.

Richtig staatsmännisch klang da die Stellungnahme der kleineren Oppositionspartei. Gleich nach seiner Gratulation listete der liberaldemokratische Parteichef die Probleme auf, deren Lösung er sich von Präsident Obama erhofft: "Klimawandel, Weltwirtschaft und die Bedrohung unserer gemeinsamen Sicherheit”, so Nick Clegg, bedürften "einer radikal anderen Herangehensweise” als in den acht Jahren der Bush-Präsidentschaft.

Außenpolitische Kommentatoren in London haben in den letzten Tagen versucht, die hohen Erwartungen an den neuen Präsidenten zu dämpfen. Obama sei mit "riesigen, unrealistischen Erwartungen und einer angsteinflößenden Liste von Problemen konfrontiert”, mahnt "The Guardian".

Eine "Welt voller Probleme" sieht Bronwen Maddox, Außenpolitik-Spezialistin bei "The Times". Die EU dürfe nicht nur auf Initiativen aus Washington warten, glaubt der frühere Europaminister Denis MacShane: "Die Europäer müssen größere Anstrengungen machen, in der Sicherheitspolitik mit einer Stimme zu sprechen."

Innenpolitisch Interessierte analysieren Obamas Erfolg, junge Leute und ethnische Minderheiten für Politik zu begeistern.

Sogar die konservative "Daily Mail" rühmt den Wahlkampf des Siegers und zieht den Vergleich mit der Insel: "Hier besteht Politik zu oft aus einem für Außenseiter geschlossenen Streit zwischen den großen Parteien.” Dass sich daran etwas ändern möge, hofft auch Bildungsminister David Lammy. Der prominenteste Schwarze in der Labour-Regierung hat wie Obama die US-Eliteuniversität Harvard absolviert und steht mit dem neuen Präsidenten im Gespräch. Anders als die Partei-Promis aber nutzt Lammy die Wahl seines Bekannten nicht zu plumper Innenpolitik. Ganz schlicht sagt er: "Ein Traum ist wahr geworden."

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