Reaktionen auf Griechenland-Paket "Das trifft uns hart"

Das Milliarden-Rettungspaket für Griechenland ruft unterschiedliche Reaktionen hervor: Europas Politiker sind erleichtert, die Märkte erholen sich. US-Analysten glauben jedoch, dass das Schlimmste noch nicht überstanden ist - und Deutsche-Bank-Chef Ackermann sieht private Gläubiger hart getroffen.
Deutsche-Bank-Chef Ackermann: Geldinstitute sehen sich hart getroffen

Deutsche-Bank-Chef Ackermann: Geldinstitute sehen sich hart getroffen

Foto: Maurizio Gambarini/ dpa

Berlin/Brüssel - Das monatelange Tauziehen um eine Notrettung Griechenlands hat vorerst ein Ende - die Euro-Länder und der Internationale Währungsfonds haben sich auf ein weiteres milliardenschweres Hilfspaket für den hochverschuldeten Mittelmeerstaat geeinigt.

Vor allem der griechische Regierungschef Georgios Papandreou zeigte sich erleichtert. Athen rechne nun damit, die Staatsschulden in Höhe von rund 350 Milliarden Euro bis Ende des Jahres 2014 deutlich reduzieren zu können. Die Einigung der 17 Euro-Staaten in Brüssel verschaffe " Griechenland und der Euro-Zone eine Atempause", sagte Papandreou.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, Europa habe eine "wichtige Etappe erreicht", die Euro-Zone habe Handlungsfähigkeit bewiesen. "Was wir Deutschen für einen stabilen Euro aufwenden, bekommen wir um ein Vielfaches zurück", sagte die Kanzlerin.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) mahnte eine strengere Haushaltsdisziplin in den EU-Mitgliedstaaten und eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit für Europa an. "Jetzt geht die eigentliche Arbeit erst richtig los".

Deutschland plant griechisches Investitionsprogramm

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will einem Bericht zufolge Griechenland mit einem Investitionsprogramm helfen. "Ohne Überwindung der Wettbewerbsschwäche der griechischen Wirtschaft kann die Krise nicht nachhaltig bewältigt werden", heißt es laut "Handelsblatt" in einem Konzept. Ziel sei es, Investitionsanreize für Unternehmen zu setzen, um dauerhaft das griechische Wirtschaftswachstum zu erhöhen.

Als zukunftsfähige Wachstumsbereiche gelten die Bereiche Erneuerbare Energien, Kraftwerksbau, Netzausbau und Energieeffizienz. Wirtschaftliches Potential sehe das Ministerium auch im Tourismus, in der Telekombranche und dem Transportwesen.

Milliarden für Griechenland - Die Ergebnisse des Euro-Gipfels

Spitzenpolitiker der Opposition kritisierten die Gipfel-Beschlüsse. Griechenland benötige einen "echten Schuldenschnitt", sagte SPD-Chef Sigmar Gabriel im ZDF-"heute journal". "Was sie jetzt machen, längere Laufzeiten und niedrigere Zinsen wird nur bedeuten, dass wir wieder Kredite ermöglichen. Aber es wird nichts daran ändern, dass die Griechen nicht in der Lage sind, diesen gigantischen Schuldenberg abzutragen."

Der FDP-Finanzexperte Frank Schäffler kritisierte den Euro-Kompromiss und kündigte an, im Bundestag dem zweiten Rettungspaket für Griechenland nicht zustimmen zu wollen. "Ohne eine Austrittsmöglichkeit aus dem Euro bringt der Schuldenschnitt nichts, sondern Griechenland wird weiter dauerhaft am Tropf der Geberländer hängen", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete am Freitag SPIEGEL ONLINE. Schäffler gehört seit längerem zu den internen Kritikern des Eurokurses der schwarz-gelben Koalition.

Schäffler kritisierte indirekt auch die Haltung der Bundeskanzlerin, sich auf den Kompromiss in Brüssel einzulassen. "Das Modell widerspricht auch dem Beschluss des Bundestags zum Euro vom Februar, in dem festgelegt wurde, keine Rückkaufprogramme für Schulden zu finanzieren. Dem kann ich nicht zustimmen", so Schäffler weiter. Die Staats- und Regierungschefs hatten sich am Donnerstag unter anderem auch darauf geeinigt, dem Rettungsschirm EFSF unter bestimmten Kriterien die Möglichkeit zum Rückkauf von Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt einzuräumen. Das war zuletzt in Deutschland von der FDP abgelehnt worden, namentlich noch Anfang der Woche durch Rösler.

Doch FDP-Chef und Vizekanzler Rösler verteidigte an dieser Stelle den Kompromiss und wies auf die hohen Hürden hin, die dabei festgelegt wurden: "Wichtig ist, dass Sekundärmarktkäufe nur in engen Grenzen möglich sind. Sie kommen nur im Ausnahmefall in Frage, um eine Ansteckung anderer Staaten zu vermeiden. Dazu ist auch eine Analyse der EZB notwendig. Zudem muss dafür Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten bestehen."

EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy verteidigte den Gipfelbeschluss als gemeinschaftliche Lösung: "Die Probleme konnten nur auf höchster Ebene gelöst werden. Wir mussten rasch handeln." Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy sagte mit Blick auf die Bankenbeteiligung: "Das machen wir nur für Griechenland, wir werden es für kein anderes Land der Euro-Zone machen. Wir sagen klar und deutlich, dies ist ein Sonderfall."

Sarkozy, Merkel und der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, hatten sich bereits am Mittwoch in Berlin auf Grundlinien des Kompromisses verständigt. Im Mittelpunkt steht die Beteiligung privater Gläubiger - laut Abschlusserklärung des Gipfels kann die Beteiligung des Privatsektors auf bis zu 50 Milliarden Euro steigen. Für den Zeitraum bis 2019, also bis weit nach Ablauf des Programms, werde der Anteil der Banken und Versicherungen etwa 106 Milliarden Euro erreichen.

"Das trifft uns hart"

Angesichts dieser Summen sehen Banken und Versicherungen ihren freiwilligen Beitrag an dem neuen Hilfspaket als großes Opfer: "Ja, das trifft uns hart", sagte Josef Ackermann dem ZDF. Der Deutsche-Bank  -Chef sprach von einem guten Kompromiss zwischen den Interessen Griechenlands, der Steuerzahler und der Investoren. "Damit sollte das griechische Problem gelöst sein." Ackermann hatte als Vorsitzender des internationalen Bankenverbands IIF an dem Treffen teilgenommen. Die Abschreibungen, die die Banken auf griechische Anleihen vornehmen, belaufen sich nach seinen Worten auf 21 Prozent.

Zur Griechenland-Rettung brechen die Staaten ein Tabu: Sie nehmen einen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands in Kauf. Denn die Einbeziehung privater Gläubiger wird wohl dazu führen, dass die Rating-Agenturen Griechenland für "teilweise zahlungsunfähig" erklären.

Insbesondere die EZB hatte sich lange dagegen gewehrt, weil sie Turbulenzen an den Finanzmärkten fürchtet. Trichet sagte im Anschluss an die Einigung: "Wir werden sehen, was passiert." Über Beteiligung privater Gläubiger war lange gestritten worden, vor allem Deutschland, die Niederlande und Finnland pochten darauf.

Experten: Paket kommt deutsche Steuerzahler teuer

Der Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, hält die vereinbarte Umschuldung griechischer Anleihen für nicht ausreichend. "Eine weitergehende Entschuldung um 50 Prozent wäre für Griechenland sicher besser gewesen", sagte der Chef des Sachverständigenrats der "Rheinischen Post".

Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger kritisierte, die Schuldenlast des Landes sei selbst nach der Umschuldung noch zu hoch. Zugleich lobte er die von den Euro-Staaten vereinbarte Senkung der Zinsen. "Das ist für mich der entscheidende Punkt: Wenn öffentliche und private Gläubiger Griechenland die Kredite für Zinsen von nur noch 3,5 Prozent geben, ist das ein großer Fortschritt", sagte Bofinger der Zeitung. Auch die Regelung, dass der Euro-Rettungsfonds notfalls griechische Anleihen am Markt aufkaufen kann, sei hilfreich.

Skeptischer äußerte sich Ansgar Belke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Er prognostizierte für die deutschen Steuerzahler eine Belastung in Milliardenhöhe durch die Euro-Rettungspakete. "Die Untergrenze der Belastung für Deutschland liegt bei 43 bis 48 Milliarden Euro", sagte Belke der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Falls sich künftig alle möglichen Länder über den Rettungsfonds finanzieren könnten, ginge die Entwicklung der Währungsunion "in Richtung einer kompletten Haftungsunion", und diese würde für Deutschland teuer werden.

Analysten sehen keine Dauerlösung

In den USA wurde das in Brüssel beschlossene Paket grundsätzlich begrüßt. Amerikanische Analysten erklärten jedoch, die Maßnahmen lösten die grundsätzlichen Probleme nicht. "Es ist vermutlich keine langfristige Lösung, aber es schafft etwas Klarheit", sagte Grant Turley von der ANZ-Bank. "Wenn alles gesagt und getan ist, befasst es sich nicht mit den wichtigsten Fragen, aber es wird eine Ansteckung verhindern."

"Es müssen noch viele Details ausgearbeitet werden", sagte Richard Franulovich von Westpac  . Die unmittelbaren Probleme hätten die europäischen Staats- und Regierungschefs zwar jetzt wohl in den Griff bekommen. "Das langfristige Problem ist damit allerdings nicht gelöst."

Die Erwartungen anderer Analysten wurden dagegen übertroffen. "Die Einigung auf dem Gipfel überrascht bezüglich ihrer Größe und ihres Umfangs", schrieb die leitende Wirtschaftsanalystin Marie Diron von Ernst & Young in einer ersten Einschätzung. "Die Maßnahmen sehen eine signifikante Beteiligung des Privatsektors und eine weitere umfassende Unterstützung aus der EU vor. Alle politisch vermittelbaren Maßnahmen wurden getroffen."

Märkte erholen sich leicht

Die Erleichterung über das neue Rettungspaket für Griechenland machte sich am Freitagmorgen beim Dax   bemerkbar. In den ersten Minuten stieg der Leitindex um 0,72 Prozent auf 7342 Punkte. Schon am Donnerstagabend hatte die sich abzeichnende Einigung Anleger in Kauflaune versetzt: Das deutsche Börsenbarometer schloss ein Prozent höher bei 7290 Punkten.

Der Euro legte kräftig zu und stabilisierte sich Freitagfrüh bei der Marke von 1,44 Dollar - im Zuge der Einigung gewann die Gemeinschaftswährung damit etwa vier Cent. Händler sprachen von einem "Befreiungsschlag" für die Finanzmärkte. Allerdings wende sich der Fokus der Investoren nun auch verstärkt den USA zu, wo die politischen Lager noch immer um die Anhebung der Schuldenobergrenze streiten.

Auch die asiatischen Börsen reagierten positiv auf die Euro-Einigung. In Tokio schloss der Nikkei-Index für 225 führende Werte zum Wochenende mit einem Plus von 1,22 Prozent bei 10.132 Punkten.

Gute Zahlen der US-Bank Morgan Stanley  sowie die Hoffnung auf eine Lösung der europäischen Schuldenkrise sorgten auch an der Wall Street für deutliche Kurszuwächse. Der Dow  -Jones-Index gewann 1,2 Prozent, der S&P 500 1,4 Prozent und der Nasdaq  -Composite 0,7 Prozent.

Die Ölpreise stiegen nach der Einigung der Euro-Staaten leicht. Ein Barrel (159 Liter) Rohöl der Nordseesorte Brent zur Auslieferung im September verteuerte sich im asiatischen Handel um 44 Cent auf 117,95 US-Dollar. Händler sprachen von einer spürbaren Entspannung. An den Finanzmärkten sei eine Erleichterung zu beobachten, und die sorge auch an den Ölmärkten für Kauflaune, hieß es.

amz/sev/dapd/Reuters /dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren