Erdogan zu Gast beim Kremlchef In Syrien passiert, was Putin will

Erdogan und Putin demonstrieren gern ihre Freundschaft. Aber wenn sie sich nun in Sotschi treffen, fehlt die Augenhöhe: Im Syrienkonflikt ist der türkische Präsident dem Kremlchef ausgeliefert.
Putin (r.) und Erdogan bei einer Luftfahrtausstellung bei Moskau

Putin (r.) und Erdogan bei einer Luftfahrtausstellung bei Moskau

Foto: Alexey NIKOLSKY / SPUTNIK / AFP

Sie besuchten eine Luftfahrtausstellung am Rand von Moskau. Sie inspizierten russisches Kriegsgerät. Und am Ende spendierte Russlands Präsident Wladimir Putin seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan ein Eis.

Als Erdogan im August zu Gast bei Putin war, demonstrierten die beiden Staatschefs geradezu aufreizend ihre Freundschaft.

Die beiden Politiker haben eine bewegte Beziehung hinter sich. Als türkische Soldaten 2015 einen russischen Jet über Syrien abgeschossen hatten, standen beide Staaten noch kurz vor einem Krieg. Seit sich Erdogan für den Vorfall entschuldigt hat, haben sich Putin und er immer weiter angenähert: Beide koordinieren ihre Syrienpolitik miteinander, und die Türkei hat erst im Juni, sehr zum Ärger der Nato, das russische Raketenabwehrsystem S-400 gekauft.

Wenn Erdogan und Putin nun am Dienstag erneut in der russischen Stadt Sotschi am Schwarzen Meer zusammentreffen, begegnen sie sich trotzdem nicht auf Augenhöhe: So sehr sich Erdogan auch als Führungsfigur im Nahen Osten verstehen mag, in Syrien ist er zunehmend von Putin abhängig.

Durch den Abzug der US-Truppen hat der Konflikt in Syrien eine weitere, dramatische Wende genommen: Die Türkei marschierte in den Nordosten des Landes ein, woraufhin die Kurdenmiliz YPG, die die Region bislang gemeinsam mit den USA kontrollierte, in ihrer Not Syriens Diktator Baschar al-Assad um Hilfe bat - und damit indirekt auch dessen wichtigste Schutzmacht: Russland.

Der syrische Bürgerkrieg geht durch diese Entwicklung nach acht Jahren in seine womöglich letzte, entscheidende Phase. Noch ist die Lage auf dem Schlachtfeld unübersichtlich, eines aber zeichnet sich schon jetzt deutlich ab: Gewinner sind die Despoten Putin und Assad, die Syrien unter sich aufteilen.

Zwar haben die Türkei und die USA vergangene Woche überraschend eine fünftägige Waffenruhe vereinbart: Die YPG soll sich nach dem Willen Ankaras und Washingtons nun aus dem Grenzgebiet zurückziehen. Doch ob dieses Arrangement Bestand hat und ob die Türkei letztlich jene Pufferzone an der eigenen Grenze bekommt, für die Erdogan seit Monaten wirbt, das entscheidet sich in erster Linie in Moskau.

Handlungsunfähig ohne Putin

Erdogan, so erzählen Vertraute, wurde von dem Deal zwischen den Kurden und Assad überrascht. Zwar beteuert der türkische Präsident nach wie vor, seinen Militäreinsatz fortsetzen zu wollen, bis auch der letzte YPG-Kämpfer aus dem Norden Syriens vertrieben ist. Doch er weiß selbst, dass er ohne die Unterstützung Putins in Syrien weitgehend handlungsunfähig ist.

Durch geschickte Diplomatie und skrupellose Kriegsführung hat es Putin geschafft, Assad an der Macht zu halten. Es gibt kaum ein Tabu, dass Russland und das Regime des syrischen Despoten in diesem Krieg nicht gebrochen haben: Assad setzte Giftgas gegen seine eigene Bevölkerung ein und ließ ganze Städte aushungern; russische Jets bombardierten gezielt Krankenhäuser.

Europäer und Amerikaner haben diese Gräueltaten kritisiert, aber wenig getan, um sie zu verhindern. Nun kann Putin bestimmen, wer in Syrien was bekommt.

Es spielt fast keine Rolle mehr, dass die USA Zugeständnisse an die Türkei gemacht haben: In Syrien passiert, was Putin will. Erdogan kann eine mögliche Pufferzone schwerlich von türkischen Truppen oder syrischen Rebellen bewachen lassen, wenn Moskau das ablehnt - er würde dann eine militärische Auseinandersetzung mit Russland riskieren.

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Putin verfolgt in Syrien verschiedene Ziele: Einerseits will er, dass Assad die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet zurückerlangt. Anderseits ist ihm daran gelegen, die Türkei und die Nato weiter zu spalten. Deshalb ist es durchaus möglich, dass der Kremlchef seinem türkischen Kollegen am Ende ein Stück des syrischen Territoriums überlässt.

Aber Erdogans Einfluss auf diese Entscheidung dürfte sehr gering sein.

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