Europäische Union schlägt Alarm "Rechtsextremisten sind auf dem Vormarsch"

Mitglied der Neonazigruppe "Blood and Honour" (Archivbild)
Foto: Laszlo Balogh/ REUTERSSicherheitsexperten der Europäischen Union sind besorgt über die wachsende Bedrohung durch Terrorismus von rechts. Das geht aus einem Protokoll des Treffens der EU-Innenminister von dieser Woche in Luxemburg hervor, das dem SPIEGEL vorliegt. Doch die einzelnen Staaten können sich bislang nicht mal auf eine gemeinsame Definition einigen, was gewalttätiger Rechtsextremismus ist.
Laut der Mitschrift des Ministertreffens vom Dienstag beklagten Fachleute der Polizeibehörde Europol, das Phänomen werde "nicht ausreichend dokumentiert".
Oft würden extremistische Verbrechen nicht als terroristische Taten verstanden. Vertreter der EU-Kommission warnten demnach, dass der gewaltbereite Rechtsextremismus sich zunehmend Methoden bediene, die man von Islamisten kenne, etwa bei der Verbreitung von Hass im Internet.
Der EU-Koordinator für Terrorismusbekämpfung, der Belgier Gilles de Kerchove, sagte laut Protokoll: Rechtsextremisten seien nicht nur in Europa, sondern weltweit "auf dem Vormarsch". Er verwies auf Attentate in Neuseeland, Norwegen und den USA. Unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gebe es allerdings bislang keine einheitliche Definition für den gewalttätigen Rechtsextremismus.
Als Vorbild bezeichnete der Anti-Terror-Koordinator Kanada, das vor wenigen Monaten die Neonazigruppen "Blood and Honour" und "Combat 18" auf die Terrorliste gesetzt hat. Ein ähnliches Erfassen gewaltbereiter rechtsextremer Gruppen wäre auch auf europäischer Ebene zu erwägen, schlug de Kerchove vor.
Mehrere Mitgliedstaaten, darunter Schweden und Deutschland, begrüßten ein schärferes Vorgehen gegen Rechtsextremismus in Europa.
Innenminister Horst Seehofer (CSU) wird mit den Worten wiedergegeben, man habe zuletzt "schmerzhafte Erfahrungen" machen müssen. Deshalb würden die deutschen Sicherheitsbehörden derzeit aufgestockt und mit zusätzlichen Befugnissen ausgestattet.
Darauf haben sich die Minister geeinigt
Die Vertreter anderer Länder äußerten sich teils zurückhaltender. Am Ende einigte sich die Ministerrunde laut einer Mitteilung unter anderem darauf, sich zunächst einen "besseren Überblick über gewaltbereiten Rechtsextremismus und Terrorismus" in Europa zu verschaffen.
Just am Tag nach dem EU-Treffen versuchte in Halle der 27-jährige Stephan Balliet eine Synagoge zu stürmen, um offenbar möglichst viele Juden zu töten. Als er daran scheiterte, mit Waffen und Sprengsätzen in das Gotteshaus einzudringen, erschoss er eine Passantin auf der Straße und einen Bauarbeiter in einem Dönerimbiss. Balliet filmte seine Anschläge und übertrug sie live im Internet. Er sitzt in Untersuchungshaft und hat seine Taten gestanden.
Die Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst sagte dem SPIEGEL, es müsse offiziell anerkannt werden, "dass es sich bei Rechtsextremismus um ein akut drängendes Problem handelt, das quer durch die EU besteht".
Nur so könne "dem Thema auch die nötige Priorität eingeräumt werden".