Rede des US-Präsidenten Pathos statt Plan

Angesichts katastrophaler Umfragewerte hat US-Präsident George W. Bush in einer Fernsehansprache seine Irak-Politik verteidigt. Details zur geplanten Machtübergabe im Irak waren Mangelware - stattdessen rechtfertigte Bush den Krieg erneut als Schlag gegen den internationalen Terrorismus.



Carlisle - An der Kriegsakademie der US-Army im Staat Pennsylvania erklärte Bush vor etwa 450 Offizieren, dass der Irak "die zentrale Front im Krieg gegen den Terror" sei. Die Fortschritte, die Amerika bei der Befriedung und Demokratisierung des arabischen Landes mache, seien "ein entschiedener Schlag gegen den Terrorismus im Herzen seiner Macht".

Die Rede des Präsidenten ist Teil einer groß angelegten PR-Offensive. Bis zur für den 30. Juni des Jahres avisierten Übertragung weit reichender Befugnisse an eine irakische Übergangsregierung will Bush wöchentlich im Fernsehen auftreten. Der Präsident möchte seine Landsleute davon überzeugen, dass er einen Plan für die Machtübergabe und den anschließenden Rückzug aus dem Irak hat.

Das ist auch dringend notwendig: Einer am Montag veröffentlichten Umfrage der Universität von Pennsylvania zufolge, sind 64 Prozent der Amerikaner der Ansicht, dass die Bush-Regierung eben einen solchen Plan nicht hat. Die regelmäßig eintreffenden schlechten Nachrichten aus Unruheherden wie Falludscha oder Kerbela haben auch der allgemeinen Beliebtheit Bushs geschadet. Seine bisher schlechtesten Werte erzielte der Präsident in einer Umfrage des Fernsehsenders CBS News, laut der nur noch 41 Prozent aller Amerikaner der Meinung sind, dass der Präsident seinen Job alles in allem gut macht.

Fünf-Punkte-Plan ohne Details

Wer sich von der Rede Bushs am Montagabend einen genaueren Zeitplan für den Irak erhofft hatte, wurde enttäuscht. Der Präsident erklärte lediglich, seine Regierung verfolge eine fünf Punkte umfassende Strategie. Man werde eine souveräne irakische Regierung einsetzen, für Sicherheit im Land sorgen, die Infrastruktur wiederherstellen, für mehr internationale Unterstützung werben und freie Wahlen organisieren - soweit nichts Neues.

Mit Details zu den einzelnen Punkten hielt sich Bush zurück. Im Mittelpunkt seiner Rede stand vielmehr erneut der Versuch, den Krieg gegen Saddam Husseins Regime als Teil des Kriegs gegen den Terror zu rechtfertigen. "Der Aufstieg eines freien und selbstbestimmten Iraks würde Terroristen einen Stützpunkt für ihre Operationen entziehen und Reformern in der gesamten Region Rückenwind geben", so der Präsident.

Einen Abzug der im Irak stationierten US-Truppen stellte Bush nicht in Aussicht. Vielmehr machte er deutlich, dass er die derzeitige Truppenstärke von 138.000 Mann aufrechterhalten werde. Mit Hinblick auf die US-Militärführung im Irak sagte Bush: "Wenn sie mehr Truppen benötigen, werde ich diese entsenden." Der Präsident erklärte weiter: "Wir werden durchhalten und diesen Feind besiegen und dieses hart erkämpfte Gelände halten - für das Reich der Freiheit."

Abu Ghureib soll geschlossen werden

Viele Beobachter sind der Ansicht, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis Bush weitere Soldaten in den Irak schicken muss. Anthony Zinni, Marinegeneral a. D., sagte am Sonntagabend in der CBS-Sendung "60 Minutes", die Truppenstärke sei von Anfang an viel zu niedrig gewesen. Zinni der von 1997 bis 2000 Oberbefehlshaber aller US-Truppen im Nahen Osten war, sprach in diesem Zusammenhang von "Pflichtversäumnis" und griff den Präsidenten scharf an. "Es werden Ressourcen benötigt. Es wird eine Strategie benötigt. Es wird ein Plan benötigt. Hat der Präsident einen?" Zinnis Ansicht nach könnte jederzeit ein Bürgerkrieg im Irak ausbrechen.

Vor allem, wenn die US-Regierung dem Irak am 30. Juni tatsächlich "die volle Souveränität" (Bush) überträgt, besteht die Gefahr, dass es zu weiteren Unruhen kommt. Bisher ist es dem Uno-Gesandten im Irak, Lakhdar Brahimi, dem Vernehmen nach noch nicht gelungen, die geplante Interimsregierung vollständig zusammenzustellen. Während der Diplomat bisher noch keine Aussage zum Abschluss der laufenden Verhandlungen gemacht hat, sagte der US-Präsident am Montagabend, Brahimi werde die irakische Regierung in spe bereits im Laufe dieser Woche der Öffentlichkeit vorstellen.

Im Verlauf der Rede äußerte sich Bush auch kurz zu dem berüchtigten Gefängnis Abu Ghureib. Der Präsident unterstrich, dass es sich bei den bekannt gewordenen Fällen von Folter im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses um isolierte Einzelfälle gehandelt habe. "Unter dem Diktator waren Gefängnisse wie Abu Ghureib Symbole von Tod und Folter. Dasselbe Gefängnis wurde zu einem Symbol schändlichen Verhaltens weniger amerikanischer Soldaten, die unser Land entehrten und unsere Werte missachteten." Die USA planten, den Bau eines modernen Hochsicherheitsgefängnisses im Irak zu finanzieren, so Bush weiter. Danach solle Abu Ghureib abgerissen werden, falls die Iraker dem zustimmten. Der Irak benötige ein humanes, gut überwachtes System von Gefängnissen.

"Fear Factor" und "Beautiful Mind" statt Bush

Am Montagabend wurde auch deutlich, wie stark der Präsident nicht nur in der Gunst der Wähler, sondern auch in der Gunst der Medien zurückgefallen ist. Als Bush im Mai 2003 das Ende der Kampfhandlungen im Irak verkündet hatte, warfen alle großen Fernsehsender ihre Programmplanung über den Haufen, um die Rede des Präsidenten in voller Länge übertragen zu können.

Diesmal war Bush lediglich im Kabelfernsehen zu sehen. Die als Big Four bekannten, per Antenne zu empfangenen Sender ABC, CBS, Fox und NBC strahlten zur besten Sendezeit lieber leichte Unterhaltung aus. Selbst der ultrapatriotische Sender Fox ließ seinen Präsidenten hängen. Während Bush sich mühte, das Chaos im Irak schönzureden, übertrug der TV-Kanal das Finale der Serie "The Swan". In der Spielshow versuchen plastische Chirurgen, den durchweg unattraktiven Kandidaten per Skalpell Sexappeal und Charisma zu verleihen.

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