
Schlangen vor Bankautomaten: Die Griechen fürchten um ihr Geld

Referendum in Griechenland Die verwirrte Nation

Ja, sie nerven, die Griechen. Ein Elf-Millionen-Volk hält seit Jahren halb Europa in Atem. Hundertschaften von Politikern und Beamten sind mit kaum etwas anderem beschäftigt, als eine Lösung für das Pleite-Land zu finden. Merkt in Athen eigentlich noch irgendjemand, wie sehr die griechische Sturheit den Rest Europas quält?
Alexis Tsipras und die anderen Superexperten in Athen schlagen immer neue Haken, um das eigene Land und den verrotteten Staatsapparat vor den dringend notwendigen Reformen zu bewahren. Jetzt soll ein Referendum die Krise lösen. Die Ankündigung ist eine weitere Zumutung, auch für die letzten Wohlmeinenden im Rest Europas.
Premier Tsipras drückt sich, Verantwortung für sein Volk zu übernehmen. Er hätte im Interesse seines Landes das Rettungspaket der Troika längst annehmen müssen. Oder er müsste einen kontrollierten Euro-Austritt verhandeln. Doch zu rationaler Politik ist er offenbar nicht fähig.
Tsipras ist Gefangener der unhaltbaren Versprechungen, die er den Griechen vor den letzten Wahlen serviert hat. Die große Geste des stolzen Kämpfers für die griechische Sache ist ein Hohn. Indem er die Illusion nährt, Griechenland könne auch ohne tiefgreifende Veränderungen oder ohne Hilfe der Europäer und des IWF durch diese Krise kommen, betrügt Tsipras sein Volk. Aber leider gehört es zum Wesen des Populisten, dass er große Sprüche mit immer noch größeren Sprüchen und waghalsigen Manövern übertönen muss - bis schließlich alles zusammenbricht. Griechenland verdient bessere Politiker, Politiker die führen und Wahrheiten aussprechen, statt die Menschen in die Irre zu führen.
Das Referendum ist brandgefährlich. Stimmen die Griechen für den Euro und für die Reformen, gut. Aber das Risiko einer Ablehnung ist groß. Griechenland ist eine verwirrte Nation. Durch die endlosen Debatten der vergangenen Jahre, durch die Sparmaßnahmen, die viele schon ertragen müssen, wissen viele Menschen schlicht nicht mehr, was richtig ist und was falsch. Rationale Entscheidungen sind in einer solchen Situation nicht zu erwarten. Bei einem Nein im Referendum droht die Situation vollends außer Kontrolle zu geraten.
Leider ist die Stimmung so: Wendet sich Griechenland in einem Referendum mit großem Getöse von Europa ab, wäre dies ein Schlag ins Gesicht all jener, die seit Jahren mühsam versuchen, Griechenland zu helfen. Die Griechen würden damit endgültig dokumentieren, dass sie nicht bereit sind, sich an die Regeln der Gemeinschaft zu halten.
Kein europäischer Politiker wird seinen Wählern dann noch erklären können, warum man Griechenland weiter helfen sollte. Wirkliche Unterstützung kann das Land danach nicht erwarten, höchstens noch Almosen.