Referendum in Montenegro Mehrheit für Unabhängigkeit zeichnet sich ab
Podgorica - Die Befürworter einer Unabhängigkeit Montenegros von Serbien erklärten sich am Abend zum Sieger des Referendums. "Ich darf verkünden, dass Montenegro heute abend ein unabhängiger Staat geworden ist", erklärte Predag Sekulic vom Block für die Unabhängigkeit. Die Ja-Stimmen hätten die erforderlichen 55 Prozent deutlich überschritten. Nach Angaben des unabhängigen Zentrums für freie Wahlen und Demokratie (Cesid) votierten 55,3 Prozent für den Abschied aus dem Staatenbund mit Serbien. Diese Hochrechnung basiere auf 299 repräsentativ ausgewählten Wahllokalen von insgesamt rund 1100.
Nach Bekanntwerden der ersten Zahlen zogen Unabhängigkeits-Befürworter durch die Straßen, schossen vor Freude in die Luft und zündeten Feuerwerkskörper. Der Chef der Unabhängigkeits-Gegner Predrag Bulatovic lehnte indes ein Eingeständnis einer Niederlage ab. Er wolle auf die offizielle Bekanntgabe der Ergebnisse warten, sagte er am Abend.
Das Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro hatte eine Wahl-Rekordbeteiligung verzeichnet. Kurz vor Schließung der Wahllokale hatte die Wahlbeteiligung bei mehr als 86 Prozent gelegen. Bei der letzten Parlamentswahl vor vier Jahren waren rund 77 Prozent zur Wahl gegangen.
Die deutlich kleinere Teilrepublik des Bundesstaates Serbien- Montenegro entscheidet, ob sie sich als selbstständiger Staat vom Großen Bruder Serbien trennen soll. Befürworter der Souveränität und die proserbischen Gegner hielten sich nach letzten Meinungsumfragen in etwa die Waage. Die Wahllokale waren bis 21.00 Uhr geöffnet.
Verlässliche Ergebnisse werden vor Mitternacht erwartet. Nach Darstellung von Beobachtern zeigt die Rekordbeteiligung, wie emotional aufgeladen das Thema Trennung von Serbien oder Fortführung des Staatsverbundes mit dem "engsten Blutsverwandten" ist. Die Europäische Union hatte festgelegt, dass die Unabhängigkeit nur dann anerkannt wird, wenn mindestens 50 Prozent der Wähler an der Abstimmung teilnehmen und wenigstens 55 von ihnen mit Ja stimmen.
"Dies ist ein großer Tag für Montenegro", sagte Ministerpräsident Milo Djukanovic, der sich für die Unabhängigkeit stark gemacht hat. "Die Antwort auf die Frage im Referendum wird die Tore für eine euro-atlantische Integration öffnen." Nicht zuletzt fühlt sich die Regierung Montenegros in ihren Bemühungen um einen Beitritt zur Europäischen Union (EU) von Serbien gebremst. Kritiker sagen dagegen, ein unabhängiges Montenegro wäre zu klein, um alleine existieren zu können.
Montenegro hat ein eigenes Rechtssystem, eine von Serbien unabhängige Wirtschaft und einen eigenen Dialekt. Es wäre nach Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien die letzte Teilrepublik Jugoslawiens, die sich verselbstständigt und vom serbischen Zentrum des damaligen Vielvölkerstaates löst.
Das Fürstentum von Montenegro war auf dem von Fürst von Bismarck einberufenen Berliner Kongress 1878 von den europäischen Großmächten für souverän erklärt worden. 1910 wurde Montenegro dann zum Königreich. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der König abgesetzt; Montenegro verschmolz mit Serbien im Jahr 1918 zu einem neuen Balkanstaat unter Führung des serbischen Königs.
reh/AP/dpa/reuters