Reform Kubaner dürfen private Geschäfte eröffnen

Das krisengeschüttelte Kuba ist auf dem Weg zu mehr Privatwirtschaft: In 178 verschiedenen Bereichen können Kubaner künftig selbständig werden. Mit dem Aufweichen der Planwirtschaft soll die angekündigte Entlassungswelle im Staatsdienst abgefedert werden.
Verkäufer an einem staatlichen Obststand in Havanna: Die Regierung setzt nun auf Privatwirtschaft

Verkäufer an einem staatlichen Obststand in Havanna: Die Regierung setzt nun auf Privatwirtschaft

Foto: Str/ dpa

Havanna - Kuba stehen gewaltige Veränderungen bevor. Nach den Plänen der Regierung verlieren in den ersten drei Monaten des kommenden Jahres rund 500.000 Angestellte aus unproduktiven staatlichen Betrieben ihren Job - das ist jeder zehnte staatlich Beschäftigte. Sie sollen ihren Lebensunterhalt künftig durch selbstständiges Wirtschaften bestreiten. Die Parteizeitung "Granma" veröffentlichte am Freitag eine Liste mit den 178 Berufen, die demnächst auf eigene Rechnung betrieben werden: Handwerker, Zimmermänner, Elektriker, Masseure, Mechaniker, Friseure, Programmierer, Hauspersonal, Fahrlehrer, Blumenverkäufer, Schuhputzer und viele andere.

Die künftigen Selbständigen und deren Angestellte müssen Steuern zahlen und Beiträge zur Sozialversicherung leisten. In 83 der 138 Bereiche dürfen die Unternehmer dann auch Angestellte beschäftigen, berichtete "Granma" weiter. Es werde sogar überlegt, dass die Zentralbank Kredite an die Geschäftsgründer vergibt.

Kuba

Während die Zulassung von kleinen Geschäften und Handwerksbetrieben schon seit längerem eine beschlossene Sache ist, stellt die Vermietung ganzer Wohnungen eine Neuerung in dar. Bisher war nur die Vermietung von Zimmern in Wohnungen erlaubt. Auch dürfen kleine Restaurants und Bars auf eigene Rechnung betrieben werden. Die bisher schon existierenden "Paladares" genannten privaten Küchen dürfen ihre Kapazität von 12 auf 20 Sitzplätze erhöhen.

Die kubanische Regierung hat die Reform unter dem Druck wirtschaftlicher Not begonnen. Weltwirtschaftskrise, Unwetterkatastrophen, Korruption und eine starre Planwirtschaft haben die Regierung gezwungen, auf Privatinitiativen zu setzen, um einen völligen Zusammenbruch des Systems zu verhindern.

Von der Entlassungswelle in staatlichen Betrieben erhofft sich die sozialistische Führung eine Steigerung der Produktivität der schwächelnden Planwirtschaft. "Unser Staat kann und darf Unternehmen und Produktionseinheiten mit aufgeblasenen Belegschaften und Verlusten, die die Wirtschaft belasten, nicht weiter aufrechterhalten", hieß es kürzlich in einer Mitteilung der Gewerkschaft. "Sie sind kontraproduktiv, erzeugen schlechte Gewohnheiten und deformieren das Verhalten der Arbeiter."

Das Land muss unter anderem Lebensmittel für umgerechnet über eine Milliarde Euro importieren. Etwa 95 Prozent der kubanischen Wirtschaft sind in Staatsbesitz.

Fidel Castro

Zuletzt hatte Kubas Revolutionsführer weltweit für Aufsehen gesorgt, als er sich kritisch zur Lage im eigenen Land äußerte. In einem Interview hatte der 84-Jährige in Havanna gesagt, das kubanische Modell funktioniere "nicht einmal mehr für uns".

Wenig später sagte Castro, er sei falsch verstanden worden und habe "genau das Gegenteil" gemeint. Es amüsiere ihn zu sehen, dass sein Interview-Partner, der US-Journalist Jeffrey Goldberg, ihn "wortwörtlich" interpretiert habe. "Wie die ganze Welt weiß, ist meine Idee, dass das kapitalistische System nicht mehr funktioniert - weder für die USA noch den Rest der Welt", führte Castro bei der Vorstellung des zweiten Bands seiner Autobiografie aus. "Wie soll ein solches System dann für ein sozialistisches Land wie Kuba funktionieren?"

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