Regierungskrise in Italien Comeback für Berlusconi?
Rom - Die Krise kam schneller als erwartet. Keine 24 Stunden nach der Schlappe bei den Regionalwahlen hat der italienische Ministerpräsident Massimo D'Alema seinen Rücktritt angeboten. Der ehemalige kommunistische "Apparatschik" vermied es zwar zunächst, in der Öffentlichkeit zu erscheinen, doch in internen Krisengesprächen übernahm er die Verantwortung. Zu herb war die Niederlage, zu hoch das Pokerspiel, doch der Hauptgrund dürfte ein anderer sein - schon seit längerem steht der glücklose Premier in den eigenen Reihen unter Druck.
Lange nicht mehr war ein Wahlkampf in Italien so aufgeheizt, waren die Angriffe so giftig ausgefallen. Nur vordergründig ging es um die Regionen. D'Alema, der in drei Tagen seinen 51. Geburtstag feiert, hatte selbst klargemacht, dass die Macht in Rom auf dem Spiel steht.
Nicht wenige im linken Lager tragen es dem smarten Taktiker D'Alema immer noch nach, dass er im Herbst 1998 seinen erfolgreichen Vorgänger Romano Prodi aus dem Amt gedrängt hatte. Seitdem konzentriert sich D'Alema aufs Taktieren, doch dringend notwendige Reformen packte er aus Furcht vor internen Querelen gar nicht erst an.
Auch in der Krise am Montag zeigte er Sinn für taktische Finessen. Zwar sei er zum Rücktritt bereit, doch entscheiden sollte Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi. Im Klartext heißt das: D'Alema hält sich alle Türen offen.
Im Hintergrund wartet Silvio Berlusconi. Der 63-jährige Medien-Milliardär mit mehreren Gefängnisstrafen in erster Instanz wegen windiger Geschäftsgebaren, hat die Macht voll im Visier. Fünf Jahre hat der Ex-Ministerpräsident auf diesen Tag gewartet. In acht der 15 Regionen errang sein rechtes "Polo"-Bündnis die Mehrheit und schnitt damit besser ab, als selbst Optimisten erwartet hatten.
Doch auf dem Spiel steht nicht nur ein Machtwechsel in Rom. Es geht um mehr. Der Triumph des Bündnisses von Berlusconi und dem Liga-Nord-Chef Umberto Bossi in gesamt Norditalien droht, alte Wunden wieder aufzureißen. "Devolution" nennt Bossi sein Ziel auf Englisch - und meint damit seine alte Forderung nach Autonomie oder gar Abspaltung des reichen Nordens vom armen Süden des Landes.
Ein explosives Thema in Italien. "Der Norden ist die bevölkerungsreichste, die fortschrittlichste, die reichste Gegend Italiens, der Teil, der Europa am nächsten ist", kommentiert der römische "Messaggero". 140 Jahre lang ist das moderne Italien politisch zusammen, doch eine echte wirtschaftliche Einheit ist es noch lange nicht, die kulturellen Differenzen zwischen "effizientem Norden" und "laxem Süden" sind erheblich.
Seit Jahren schürt Bossi Antipathie und Aversion des steuerreichen Nordens auf "Roma ladrona", das "diebische Rom". Kritiker vergleichen ihn mit dem österreichischen Rechtspopulisten Jörg Haider. Doch auch Bossi hat dazugelernt. Seine Forderung nach einem unabhängigen Nordstaat "Padania" hat er in aller Stille begraben, jetzt setzt er (zumindest öffentlich) auf regionale Autonomie.
Das Problem: Berlusconi dürfte kaum vergessen haben, dass es niemand anderes als Bossi war, der ihn im Dezember 1994 nach neun Monaten an der Regierung stürzte. "Ein Judas, ein Stimmen-Hehler, nie mehr einen Pakt mit diesem Herrn", schäumte Berlusconi seinerzeit. Doch jetzt wird es wohl kaum ohne den "unsicheren Kantonisten" gehen.
Peer Meinert