Parlamentswahl Regierungspartei siegt in Algerien
Es war Algeriens erste freie Wahl - und doch ändert sich wenig. Die seit 50 Jahren regierende FLN bleibt stärkste Partei. Die Islamisten hatten auf den Sieg gehofft, wurden aber nur drittstärkste Kraft. Sie sprechen nun von Wahlbetrug.
Algier/Paris - Die Islamisten haben den erhofften klaren Sieg in Algerien deutlich verfehlt. Die aus drei gemäßigt islamistischen Parteien bestehende Allianz "Grünes Algerien" wurde nur drittstärkste Kraft - und sprach bereits von Wahlbetrug.
Mit Abstand stärkste Kraft wurde wieder die FLN von Präsident Abdelaziz Bouteflika. Das teilte das algerische Innenministerium am Freitag mit. Die seit der Unabhängigkeit vor 50 Jahren regierende Partei verfehlte mit 220 Sitzen zwar die absolute Mehrheit in der 462 Sitze umfassenden Volksvertretung. Sie behält jedoch gemeinsam mit ihrem Partner RND des Ministerpräsidenten Ahmed Ouyahia eine komfortable Mehrheit. Die RND (Demokratische Nationale Sammlung) wurde mit 68 Sitzen zweitstärkste Partei. Ouyahia bezeichnete die Wahl am Donnerstag als wichtige Etappe der Demokratie in Algerien. Neuer Ministerpräsident wird wahrscheinlich FLN-Chef Abdelaziz Belkhadem.
Der stellvertretende Vorsitzende der MSP-Partei (Mouvement pour une société de paix), Abderrezak Mokri, erhob dagegen auf einer Pressekonferenz Betrugsvorwürfe. "Die in einigen Wilaya (Wahlkreisen) bekanntgegebenen Ergebnisse entsprechen nicht der Realität", betonte der Vize der Partei, die als einer der drei Bündnispartner zur islamistischen Allianz "Grünes Algerien" gehört. Zudem hätte das Militär in Massen für die Regierungsparteien gestimmt.
Wahlbeobachter sind zufrieden
Nach einem ersten Fazit der EU-Wahlbeobachtermission verlief der Urnengang dagegen abgesehen von kleineren, sehr begrenzten Störungen zufriedenstellend. Ein ausführlichere Erklärung will Chefbeobachter José Ignacio Salafranca an diesem Samstag abgeben. Das Beobachterteam der Afrikanischen Union (AU) sprach von einer "freien, transparenten, regulären und gerechten Wahl", berichtete die Nachrichtenagentur APS.
Insgesamt 145 der gewählten Abgeordneten sind Frauen. 68 davon gehören der FLN an, 23 der RND sowie 48 dem Islamistenbündnis. Die Ergebnisse sind noch vorläufig, da sie noch vom Verfassungsrat gebilligt werden müssen.
Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei 42,36 Prozent und damit deutlich höher als vor fünf Jahren (36,6 Prozent)."Mit dieser außergewöhnlichen Beteiligung hat das algerische Volk eine große Herausforderung gemeistert", sagte Innenministerminister Dahou Ould Kablia. Die politische Macht des Parlaments ist aber beschränkt.
Es war der erste demokratische Urnengang seit Aufhebung des langjährigen Ausnahmezustands vor 15 Monaten in dem Erdöl-Staat. Im flächenmäßig größten Land Afrikas waren 21 Millionen der 39 Millionen Algerier wahlberechtigt.
Der Arabische Frühling mit seinem politischen Umwälzungen ist an Algerien weitgehend vorbeigegangen. Zwar kam es auch dort zu Protesten. Nach wirtschaftlichen Zugeständnissen an die Bevölkerung gab es allerdings keine Massenbewegung. Algerien leidet noch unter dem Trauma des jahrelangen blutigen Bürgerkrieges in den neunziger Jahren.
ler/dpa/Reuters