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Front National triumphiert bei Regionalwahlen Frankreich rückt nach rechts

Gezeitenwechsel in Frankreich: Mit dem Vormarsch des Front National bei den Regionalwahlen wird die Fünfte Republik zum Drei-Parteien-System. Und beschreibt auch ideologisch eine Wende nach rechts.

Eine Gewinnerin, sonst vor allem Verlierer: Am Abend der ersten Runde der französischen Regionalwahlen kann Marine Le Pen jubeln. "Frankreich erhebt seinen Kopf", so die Chefin des Front National (FN) am frühen Abend: "Die nationale Bewegung ist damit die erste Partei Frankreichs."

Tatsächlich liegt der FN nicht nur in Madame Le Pens Wahlregion Nord-Pas-de-Calais-Picardie mit fast 42 Prozent an der Spitze; ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen könnte mit einem gleichen Ergebnis beim zweiten Durchgang die Gegend Provence-Alpes-Côte d'Azur erobern. Und zwei weitere FN-Promis führen im Elsass-Lothringen und im Languedoc-Roussillon-Midi-Pyrénées.

Der Front National hat sich mit rund 28 Prozent landesweit vor alle anderen Formationen geschoben und liegt in sechs von 13 Regionen vorn:  ein Erdbeben, das die politische Landschaft Frankreichs gründlich umgestalten wird. Von jetzt an findet das Rennen um die Wählergunst zwischen drei Blöcken statt - den Linken/Grünen, den Konservativen/Zentristen und den Rechtsextremen des FN.

Mit dem Vormarsch des FN ist Frankreichs Zweiparteienherrschaft ein für alle Mal beendet - jener eingespielte Machtwechsel, mit dem sich Sozialisten und Konservative über Jahrzehnte in der V. Republik eingerichtet hatten.

Mehr noch: Frankreich beschreibt auch ideologisch eine Wende nach rechts - eine Zweidrittelmehrheit aller Wähler hat sich für Konservative, Rechte und den Front entschieden.

Wahldebakel für die Sozialisten

Für die regierenden Sozialisten (PS) ist die Regionalwahl mit 23 Prozent ein wahres Debakel: Die Partei von François Hollande, die 2010 fast ganz Frankreich eroberte, hat nur in zwei Großräumen Chancen - in der Bretagne und der Südwestregion Aquitaine-Limousin-Poitou-Charentes. Nicht einmal die neue Popularität des Präsidenten nach den Attentaten vom 13. November konnte die vernichtende Schlappe verhindern.

Verloren haben aber auch die Republikaner (LR) von Nicolas Sarkozy (27 Prozent), die auf einen deutlichen Durchbruch bei den Regionalwahlen gehofft hatten und die in nur drei Regionen führen. Dabei hatte sich der LR-Boss als einzig "glaubwürdige Alternative" profilieren wollen, um diese letzte Abstimmung vor den Präsidentschaftswahlen 2017 als Sprungbrett für die eigene Karriere nutzen.

Weder LR noch PS gelang die Mobilmachung ihrer Anhänger. Zwar hat die Wahlbeteiligung gegenüber 2010 um rund vier Prozent zugelegt, dennoch blieb die Hälfte der Franzosen der Urne fern. Die Gründe: eine allgemeine Politikverdrossenheit, der Widerstand gegen die neu zugeschnittenen Provinzen und eine kurze Wahlkampagne, die nach den Anschlägen von Paris zum Votum über Immigration, Islamismus und Terrorangst geriet.

Entscheidung fällt erst im zweiten Wahlgang

Der Front National hingegen schaffte es, seine Gesinnungsgenossen zu motivieren - in den rechtsextremen Bastionen liegt die Beteiligung deutlich über dem Durschnitt. Davon profitierte die Partei. Und davon dürften die FN-Promis auch beim zweiten Durchgang am kommenden Sonntag profitieren.

In den Hauptquartieren der Parteien beginnen jetzt die großen Manöver. Die Republikaner reagierten mit dramatischen Warnungen vor der "demokratischen Gefahr" der Rechtsextremen; ein Bündnis mit den Sozialisten aber schloss LR-Chef Sarkozy noch am Abend aus und empfahl sich einmal mehr als Bollwerk gegen den Front National.

Vor dem zweiten entscheidenden Wahlgang bleibt der Regierungspartei damit wenig Spielraum. Parteichef Jean-Christophe Cambadélis kündigte bereits an, die Listen seiner Partei für den zweiten Wahlgang in den Regionen Nord-Pas-de-Calais-Picardie sowie Provence-Alpes-Côte d'Azur in einer Woche zurückzuziehen. Mit Erfolgen der konservativen Kandidaten könnte dort ein Sieg der Rechtsextremen verhindert werden. Hier liegen FN-Chefin Le Pen und ihre Nichte Maréchal-Le Pen nach dem ersten Wahlgang mit jeweils rund 41 Prozent deutlich vorn.

Marine Le Pen sieht sich schon am Abend der ersten Runde als Siegerin. "Der Front National ist die einzige Kraft, die eine wirklich französische Republik verteidigt", sagte sie vor triumphierenden Fans. "Wir stehen für die Wiedereroberung der verlorenen Gebiete der Republik." Und für den nächsten Wahlgang am kommenden Wochenende forderte sie: "Lasst uns unser Votum noch einmal ausbauen. Alle Franzosen haben Platz an unserer Seite auf dem Weg der Zukunft."

Es klang schon beinahe wie ein Appell für die Präsidentschaftswahl 2017.

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