Regionalwahlen in Frankreich Minarette wie Mittelstreckenraketen

"Nein zum Islamismus": Front-National-Chef Le Pen appelliert an den Fremdenhass
Foto: PATRICK VALASSERIS/ AFPProvokation und Polemik gehören zu wie rechtsextreme Sprüche und antisemitische Parolen: Der 81-jährige Führer des Front National hat in der Vergangenheit mit seinem populistischen Gründeln im niedersten Gefühlsgemenge stets für Aufregung und oft auch für überraschende Wahlergebnisse gesorgt.
Die Regionalwahlen, bei denen am Sonntag in ganz über die Zusammensetzung von 22 Volksvertretungen abgestimmt wird, bilden da keine Ausnahme. Im Aufwind durch die regierungseigene Kampagne über die "nationale Identität" überlegten sich die PR-Strategen des Front National eine medienwirksame Kampfansage: Unter der Schlagzeile "Nein zum Islamismus" verbreiteten die rechten Aktivisten ein Plakat, das unverkennbar an die Angst vor Andersgläubigen appelliert.
Das Poster zeigt eine Frau, verhüllt in einem schwarzen Ganzkörperschleier (Niqab) vor einer Karte Frankreichs in den Nationalfarben Algeriens, auf der sieben Minarette wie strategisch positionierte Mittelstreckenraketen in den Himmel ragen. Plakatiert wurde das Motiv von der Jugendorganisation der Rechtsextremisten vor allem in Südfrankreich - dort, wo der alternde Le Pen wohl zum letzten Mal die Liste seiner Partei anführt.
Bürgerrechtsorganisationen wie die Internationale Liga gegen Rassismus und Antisemitismus (Licra) oder die Bewegung für Bürgerrechte und Völkerfreundschaft (Mrap) liefen Sturm gegen die Kampagne, wurden jedoch mit ihren offiziellen Protesten in Marseille und in Nanterre bei Paris von den zuständigen Gerichten abgewiesen - aus formalen Gründen.
Algeriens Außenminister fordert "offizielles Eingreifen"
"Unter dem Vorwand, religiösen Extremismus anzuprangern", so der Journalist und Bürgerrechtler Mohamed Sifaoui, der zusammen mit dem Verband SOS-Rassismus rechtliche Schritte gegen den FN einleitete, "wird Angst und Ablehnung gegen Menschen muslimischen Glaubens, gegen Franzosen algerischer Abstammung und gegen Algerier geweckt."
Aus diesem Grund wurde vergangene Woche auch der Außenminister Algeriens, Mourad Medelci, aktiv. Er verlangte von Frankreichs Behörden ein "offizielles Eingreifen", weil "Symbole eines ausländischen Staates mit Füßen getreten werden". In Paris bedauerte der Sprecher des Außenministeriums zwar den Missbrauch der algerischen Landesfarben zu "wahltaktischen Zwecken", wollte aber zu der Entscheidung der Marseiller Richter keine Stellung abgeben.
Die Licra-Juristen schoben nach der ersten Niederlage eilig einen formal korrigierten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach und erreichten - zwei Tage vor der ersten Runde der Regionalwahlen - ein vorläufiges Verbot des provokanten Plakats.
Mögliche juristische Folgen wegen Plagiatsverdacht
Frankreichs Rechtsextreme könnten dennoch von dem öffentlichen Wirbel profitieren. Eifrig werden Verschwörungstheorien ventiliert: "Ich habe das Gefühl", mokierte sich Marine Le Pen, Tochter des FN-Chefs und dessen designierte Nachfolgerin, "dass sich diese kleinen Verbände professioneller Zensoren zu Handlangern der französischen Regierung machen, die - auf Geheiß Algeriens - dieses Plakat verbieten will." Die FN-Zentrale in Paris notierte zudem mit Genugtuung, dass bei der Entscheidung in Nanterre die Bewegung Mrap nicht nur abgewiesen, sondern auch zu 2000 Euro Strafe verurteilt wurde.
Die Bürgerrechtler wollen die Entscheidung nicht auf sich beruhen lassen. "Wir werden in Berufung gehen", sagt Bernhard Schmid, Rechtsanwalt und juristischer Berater der Pariser Bewegung. "Unabhängig vom Ausgang des zivilrechtlichen Eilverfahrens werden wir strafrechtliche Schritte gegen Jean-Marie Le Pen verlangen - wegen Volksverhetzung."
Unbill droht dem Front-National-Chef unterdessen nicht nur in seiner Heimat. Auch in der Schweiz könnte Le Pen juristisch verfolgt werden - wegen Plagiatsverdacht: Denn bei dem FN-Poster handelt es sich offensichtlich um eine Raubkopie jenes Motivs, mit dem die Schweizerische Volkspartei (SVP) vergangenen Herbst bei der Volksabstimmung gegen die Minarette in der Alpenrepublik Stimmung machte.