Republikaner in der Enge Frust, Flügelstreit und ein Frontalangriff
Das schwarze Hemd ist weit aufgeknöpft, der kahle Kopf des Mannes glänzt vor Schweiß. Er nimmt immer wieder einen Schluck aus der Wasserpulle. Opposition macht durstig. Dann kann es weitergehen: "Barack Obama hat kommunikative Fähigkeiten, die kaum jemand übertreffen kann", donnert der Mann in den Saal. "Es bricht mein Herz, dass er diese Fähigkeiten nicht einsetzt, um die amerikanischen Bürger zu motivieren. Er tut genau das Gegenteil. Glaubt man Obama, ist Amerika derzeit eher eine Suppenküche in irgendeiner schäbigen Ecke."
Die Zuhörer im überfüllten Ballsaal des noblen "Omni Shoreham Hotel" in Washington johlen laut. Der Schweiß getränkte Bühnenartist ist Rush Limbaugh, seit Jahren der einflussreichste rechte Radiomoderator der USA.
Sonst wettert Limbaugh aus einem Studio im sonnigen Florida jeden Tag gegen Linke, Intellektuelle, die vermeintlich parteiischen Medien. Nun ist er dafür zur "Conservative Political Action Conference" ins kalte Washington gekommen. Er schimpft über angebliche Miesmacherei durch Obamas Regierung, Anstachelung zum Klassenkampf, drohende Gefahren eines überbordenden Wohlfahrtsstaates. "Was ist so seltsam daran, ehrlich zu sagen, dass ich Obama scheitern sehen will - wenn er das Land so umkrempeln möchte, dass Kapitalismus und individuelle Freiheit nicht mehr dessen Grundlagen sind?"
Für den Gedanken, beide US-Parteien müssten doch in der Krise zusammenstehen, hat Limbaugh kaum mehr als ein Schnaufen übrig. "Überparteilich? Die Leute bekommen ja heute fast einen Orgasmus, wenn sie das Wort hören. Aber was sollen wir als Republikaner tun? Wir müssen sie (die Demokraten - d.Red.) schlagen."
Republikaner im Dschungel
Limbaugh soll 20 Minuten reden, doch er überzieht fast eine Stunde. "USA, USA, USA", skandieren die Zuschauer, am Ende springen sie klatschend auf. Im Internet jubeln konservative Blogs postwendend, über diese Rede werde noch in Jahrzehnten gesprochen. Kommentatoren ziehen Parallelen zu Limbaughs Auftritten in den Clinton-Jahren. Da habe er als "zorniger weißer Mann" der konservativen Partei neues Leben eingehaucht.
Der Jubel um Limbaugh spiegelt wider, wie desolat die Republikaner dastehen - im Kongress ausgebootet von den Demokraten, an den Rand gedrängt von einem populären Präsidenten, abgeschlagen bei US-Minderheiten. Nur noch vier Prozent der Afroamerikaner haben bei der Wahl im vergangenen November für John McCain gestimmt.
Die Partei hat keine lebende Führungsfigur, auf die sie stolz ist. Von McCain spricht niemand mehr. Ronald-Reagan-Anstecker sind bei der Konferenz in Washington weit leichter zu finden als Souvenirs von George W. Bush. Ein neuer Hoffnungsträger ist nirgendwo in Sicht. "Derzeit geht es bei den Republikanern zu wie im Dschungel", sagt Parteikenner Justin Sayfie, ehemaliger Stabschef von Floridas beliebtem Ex-Gouverneur Jeb Bush.
In einer Probeabstimmung der Konferenzteilnehmer über die künftige Führungsfigur der Republikaner siegt Mitt Romney, Geschäftsmann und glückloser McCain-Herausforderer bei den Vorwahlen 2008. Doch knapp dahinter landet Bobby Jindal, 37, Gouverneur von Louisiana, der in der vergangenen Woche die Antwort auf Obamas erste Rede im Kongress geben durfte - und dabei wie ein aufgeregter Oberprimaner wirkte. Und die Bühne gehört sowieso Limbaugh, der selbst keine politischen Ambitionen hegt.
Die Bürger wollen Überparteilichkeit statt Tiraden
"Rush Limbaugh ist die Stimme der Republikanischen Partei und will den Präsidenten scheitern sehen", ätzt Obamas Stabschef Rahm Emanuel prompt auf CBS. Den geifernden Rechten als neues Gesicht der Republikaner zu zeichnen - davon verspricht sich das Weiße Haus Vorteile im Kampf um die Gunst der Öffentlichkeit.
Für Limbaugh ist es immerhin PR. Doch nützt es auch den Republikanern?
Limbaughs Tiraden mögen überzeugte Parteianhänger begeistern, doch in Umfragen fordert die Mehrheit der US-Bürger, dass die Opposition in der Krise Kompromisse mit Obamas Regierung schließen soll - statt wie Limbaugh eisern auf den republikanischen Prinzipien zu beharren, jeder sei seines Glückes Schmied und der Staat das Problem, nicht die Lösung.
Die Gouverneure der Republikaner stecken in einem Dilemma. Jindal zum Beispiel wetterte in seiner Replik auf Obama gegen üppige Staatshilfen für Bundesstaaten, die von der Finanzkrise gebeutelt werden. Danach musste er sich vorrechnen lassen, dass er in Louisiana selbst reichlich Staatshilfe einstreicht.
Viele Flügel, keine Klarheit
Die Richtungsfrage ist klar: Wollen die Republikaner wirklich weiter den Krawallkurs von Limbaugh oder McCains Vizekandidatin Sarah Palin einschlagen, mit Parolen gegen vermeintliche Sozialisten und angeblich linke Medien? Manche Redner bei der Konferenz in Washington tun genau das; sie zetern, Lenin und Marx würden sich über Obamas Pläne freuen.
Oder sollte sich die Partei einfach wieder auf Prinzipien wie Haushaltsdisziplin und Big-Business-Kompetenz besinnen? Die Anhänger dieser Richtung sahen sich schon von George W. Bush an den Rand gedrängt - aber "Konservatismus ist nicht tot", sagt etwa David Keene von der "American Conservative Union". "Die USA sind immer noch ein Mitte-rechts-Land."
Wieder andere wünschen sich eine Politik des Mitgefühls mit der einfachen Bevölkerung, zum Beispiel Ex-Baptistenprediger Mike Huckabee, der im Vorwahlkampf 2008 kurz Furore gemacht hatte. "Wir müssen klarmachen, dass wir nicht nur die Partei der reichen weißen Männer sind, die immer reicher werden wollen", fordert er.
Ein anderer Flügel kämpft dafür, eigene neue Ideen zu entwickeln, statt sich in bloßer Anti-Obama-Politik zu ergehen. Parteivordenker Newt Gingrich könnte Impulse dafür liefern; er war schon 1994 Architekt des Comebacks der Republikaner - zwei Jahre nach Bill Clintons erstem Sieg in der Präsidentschaftswahl. Gingrich sagt mit Blick auf die Kongresswahlen 2010: "Wir müssen die Partei der besseren politischen Lösungen sein."
Hoffen auf Obamas Absturz
Einig sind sich alle Flügel offenbar nur in einem Punkt - sie wissen, dass sie die Kommunikation mit den Wählern dringend modernisieren müssen. McCain fiel im Wahlkampf 2008 dadurch auf, dass er nicht mal einen Blackberry bedienen konnte. Obamas Team setzte neue Kommunikationsplattformen wie Facebook und Twitter virtuos ein. Strategen der Republikaner schwören, das werde ihnen nicht noch mal passieren: "Sie haben uns in Sachen Kommunikation im letzten Wahlkampf den Hintern versohlt", sagt einer. "Aber wir werden heute anfangen, ihnen den Hintern zu versohlen."
Tatsächlich liegt die Sache allerdings etwas komplizierter - gerade wenn es um Attacken auf den populären Präsidenten geht.
Aufwiegler wie Limbaugh können sich Angriffe auf Barack Obama problemlos leisten. Die Politiker der Republikaner noch nicht. Sie distanzieren sich auf dem Kongress in Washington eilig von Limbaughs Rede. Der Radio-Star sei bloß ein Entertainer, er spreche nicht für die Partei, ist zu hören. Niemand wolle den Präsidenten scheitern sehen: "Alle Präsidenten haben eine Schonfrist", sagt Keene von der "American Conservative Union".
Der passionierte Jäger fügt hinzu, was seine Hoffnung ist: "Es ist wie bei einem Vogel. Er schwingt sich hoch in die Luft. Aber er muss irgendwann auf die Erde kommen."