Republikaner-Parteitag Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Arnold Schwarzenegger begeisterte den Republikaner-Parteitag mit einer furiosen Rede, die auf die Wähler der Mitte zielte. Ein anderes Gesicht der Partei zeigt sich abseits der Kameras: wertkonservativ, ideologisch, religiös - und kriegsbereit.



New York - Nichts bleibt dem Zufall überlassen. Für jeden Redner verteilt die Parteitagsregie hier im Madison Square Garden neue Pappschilder, mit denen die Delegierten auf Kommando winken. Abertausende identische Schilder sind es, auf denen zum Beispiel die Polit-Parole des Tages aufgedruckt ist: "Nation des Muts", "Menschen des Mitgefühls", "Land der Gelegenheit". An diesem Abend aber steht auf ihnen nur ein einziger Vorname: "Arnold!"

Stars brauchen keine Nachnamen. Madonna. Cher. Und heute abend, live, vom 38. Wahlparteitag der Republikaner in New York City: Arnold!

"Wow", staunt Arnold Schwarzenegger, als er unter Minuten langen Ovationen ans Podium tritt. "Das ist ja, als wenn man einen Oscar gewinnt." Kunstpause. "Als ob ich das wüsste."

Und so charmeurt er sich ins Herz des Wechselwählers, der liberale Gouverneur aus Kalifornien, den die restlichen Amerikaner aber bis heute meist nur als Action-Star kennen. Das dürfte sich nun geändert haben, da er sein Charisma in den Dienst des gar nicht so liberalen Präsidenten stellt: Schwarzeneggers Rede zur besten Sendezeit erinnert, mit all ihrem populistischen Hollywood-Wortbombast, an einen anderen aus der Zunft, der es in der Politik ganz hoch brachte - Ronald Reagan.

Alte Kalauer, neu aufgewärmt

Doch Präsident kann er selbst als im Ausland geborener Einwanderer nicht werden, und deshalb tut er, mit frisch getöntem Haar und schwer geschminkt fürs parteipolitische Close-Up, das Zweitbeste: Er hilft einem Präsidenten, im Amt zu bleiben.

Jedes Wort, jede Geste, jede Anekdote zielt auf den unentschlossenen Wechselwähler daheim, mit Schmäh und Schmuh und Emotion. Wie ein B-Movie-Drehbuch eben, das Klischees zu Visionen erhebt. "Dies ist der Traum eines Immigranten", sagt er über seinen Aufstieg vom Muskelmann zum Machtinhaber. "Das ist der American Dream!"

Womit er gleich beim verordneten Tagesmotto des Parteitags landet: "Es gibt kein Land, das mitfühlender ist als die Vereinigten Staaten." Welcher Amerikaner will da widersprechen?

Ein guter Amerikaner, spinnt Schwarzenegger die Assoziationskette parteikonform weiter, ist automatisch auch ein guter Republikaner, und das digitale Sternenbanner auf der Mammutleinwand hinter ihm weht sanft. Über Demokraten wollen wir lieber nicht reden: Die sind "Girlie-Men". Ja, diesen alten Kalauer bekommen sie auch hier zu hören, und sie jubeln, als hören sie ihn zum ersten Mal.

Instruktionen vom Ideologen

"Vielleicht stimmen Sie mit dieser Partei nicht in jeder Frage überein", sagt Schwarzenegger an die Adresse der "Swing Voters". Und versichert dann gleich: "Das ist nicht nur okay. Das ist es, was an diesem Land so toll ist."

Es ist genau die Message, die die Parteispitze an diesem Abend unter die Leute bringen will, mit Schwarzenegger und auch mit First Lady Laura Bush, die einen netten Vortrag über die sensiblen Qualitäten ihres Gatten hält: Wir sind wie ihr, wir sind nicht böse, wir sind nette, offene, spaßige, ja, liberale Menschen.

Ein schönes Spiel. Ein ganz anderes, zutreffenderes Gesicht der Partei zeigt sich jedoch abseits der Kameras: erzkonservativ, ideologisch, tief religiös - und kriegsbereit.

Zum Beispiel in den Katakomben eines Hotels an der Carnegie Hall, wenige Stunden vor Schwarzeneggers Auftritt. Dort versammelt sich eine Hundertschaft Delegierte und Basiskämpfer um Newt Gingrich, ihren legendären Chef-Ideologen und Revolutionär, um sich Wahlkampf-Instruktionen abzuholen.

Weltkrieg bis 2070

"Wir müssen als Republikaner viel härter werden", bläut Gingrich den Besuchern dieses "Grassroots-Seminars" ein, bei dem die Parteigänger vier Stunden lang für den Frontkampf trainiert werden. Gingrich kann das gut: 1994 inszenierte er den Marsch der Republikaner zur Kongressmehrheit. Heute wirkt er hinter den Kulissen, guter Hoffnung: "Die Dinge bewegen sich dramatisch."

Und damit sich das auch weiter zu ihren Gunsten bewegt, warnt Gingrich vor einer Zukunft ohne Republikaner: "Die Wahl ist nicht zwischen Krieg oder Frieden, die Wahl ist zwischen Krieg oder etwas viel Schlimmerem." Seine apokalyptische Vision ist die einer Nation, die von der "säkularen Linken" zerstört werde: Überrannt von Immigranten, die nicht wüssten, "wie man Amerikaner ist"; regiert von gottlosen Gerichten; ruiniert von neuen Wirtschaftsriesen wie China.

Doch Gingrich hat ein Gegenrezept: "patriotische Erziehung", verbindliches Schulgebet, öffentliche Zurschaustellung der zehn Gebote, Beurlaubung" von Richtern, "die nicht wissen, was sie tun" - und einen Terror-Weltkrieg "bis 2070 oder noch länger".

Stimmen der Ausgrenzung

Da jubeln die Anwesenden, denn solche Worte liegen den meisten von ihnen in Wahrheit näher als die gut verdaulichen Mainstream-Häppchen, die Schwarzenegger der TV-Nation serviert. Während Arnold die Wähler im Auge hat, zielt Gingrich auf die Seele der Partei: Zwei Drittel der Delegierten in New York bezeichnen sich als streng konservativ, nur ein Drittel dagegen als moderat. Allen sanften Tönen vom Rednerpult zum Trotz: Das Herz der Republikaner schlägt rechts.

Das zeigt auch das Wahlprogramm, das die Delegierten verabschieden - ein streng sozialkonservatives Dokument, das selbst in der Partei auf Unmut stößt. Doch setzt sich der rechte Flügel in allen gesellschaftlichen Streitpunkten durch: Abtreibungsverbot, Verfassungsverbot der Schwulenehe, keine staatliche Stammzellenforschung.

Es ist eine eklatante Schizophrenie, die die Republikaner bei ihrem "Passionsspiel" ("National Journal") hier an den Tag legen: sanft, tolerant und einfühlsam auf der TV-Bühne, hart, ausgrenzend und unverzeihlich hinter den Kulissen - Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Während sich die Redner als "Menschen des Mitgefühls" gerieren, mobilisiert Bush derweil, wie das "Wall Street Journal" berichtet, in den Kirchen des Landes die Stimmen der christlich-konservativen Basis - mit Hilfe der Pastoren.

Der Delegierte Amo Houghton aus New York, der sich selbst als moderat einstuft, bezeichnet sich schon als "aussterbende Rasse": "Die Partei ist zu weit nach rechts gewandert." Auch Patrick Guerriero sieht das so: Das "gemeine Wahlprogramm" sei von den "Stimmen der Ausgrenzung" diktiert worden, klagt der Vorsitzende der Log Cabin Republicans, der Schwulenfraktion der Republikaner. "Derweil werden die Stimmen der Eingrenzung in TV-Primetime präsentiert."

"We Love Laura"

Doch auch die Konservativen sind unfroh. Viele murren über Bushs PR-Avancen an die Mitte, über das gigantische Haushaltsdefizit, über gestiegene Staatsausgaben. "Wir sehen einen Kampf um die Zukunft der Partei", sagt Charlie Cook, Herausgeber des Newsletters "Cook Report".

Wie wichtig diese Zukunftsfragen sind, zeigt sich auch auf dem "Grassroots"-Seminar. Da gibt Ex-Parteichef Haley Barbour, heute Gouverneur von Mississippi, den Basishelfern Überlebenstipps für den Alltag in feindlichem Wahlland: Von Tür zu Tür gehen, Freunde und Nachbarn anwerben (selbst wenn die "nicht unbedingt Republikaner sind"), "nicht umfallen, sobald es die erste Kritik gibt" - und unbedingt "diszipliniert auf Message bleiben".

Zur Not hilft da die Parteiführung aus. Nach Schwarzeneggers Rede zum Beispiel werden den Delegierten im Saal neue Winke-Schilder in die Hand gedrückt, für die nächste Rednerin am Pult. Aufschrift: "We Love Laura."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren