Republikanische Garde und Fedajin Saddams Lebensversicherung
Berlin - Nach fast einer Woche Krieg haben massive Luftangriffe auf die Republikanische Garde und andere Machtpfeiler Saddam Husseins das irakische Regime jedoch nicht zum Wanken gebracht. Das Ziel der Alliierten, einen Kampf um Bagdad durch eine frühe Kapitulation der Regierung zu vermeiden, wurde verfehlt. Jetzt droht eine Schlacht zwischen den anrückenden US-Truppen und der von Saddam Husseins Sohn Kusai geführten Republikanischen Garde, ergänzt durch die Selbstmordattentäter, der Fedajin.
Der irakische Präsident Saddam Hussein baut auf seine Republikanische Garde. Angehörige der 1980 gegründeten Elite-Truppe bekommen die beste Ausrüstung, die beste Ausbildung, die beste Bezahlung und die besten Wohnungen. Diese Bevorzugung soll sicherstellen, dass die Garde bereitsteht, wenn es Saddam Husseins Leben zu schützen gilt.
Verteidigungsgürtel rund um Bagdad
Am Donnerstag sammelten sich die amerikanischen Streitkräfte rund 80 Kilometer südlich von Bagdad in der Nähe der Städte Nadschaf und Kerbela, um den Angriff auf die Hauptstadt vorzubereiten. Doch die Offensive gegen die Hauptstadt soll vermutlich erst beginnen, wenn die immer noch umkämpften Städte im Süd-Irak erobert sind. Der in Augen der USA unerwartet heftige Widerstand, zwingt die Angreifer zum Umdenken.
Gleichzeitig holte der Irak zum Gegenschlag aus: Amerikanische Aufklärer meldeten Truppenbewegungen eines Konvois von 1.000 Fahrzeugen und rund 5.000 Soldaten der Republikanischen Garde. Vermutlich sollten sie amerikanische Marine-Infanteristen am Ufer des Euphrat angreifen oder Barrieren errichten, um den Vormarsch der Amerikaner aufzuhalten.
Die Republikanische Garde bekommt zwar die beste Ausrüstung, über die der Irak verfügt - aber das ist nach Einschätzung von Experten sehr wenig. Nach zwei Kriegen und dem nach dem Überfall auf Kuwait 1990 verhängten Handelsembargo gilt die Ausstattung der gesamten irakischen Streitkräfte als schlecht. Der amerikanische Militär-Experte und Irak-Spezialist Anthony Cordesman nimmt an, dass die Republikanische Garde nur noch 65 bis 75 Prozent ihrer einstigen Schlagkraft besitzt.
70 Prozent Kampfkraft
Schon seit Tagen bombardieren amerikanische und britische Kampfflugzeuge gezielt Stellungen der Elitetruppe südlich von Bagdad, um deren Widerstand zu brechen. Doch die Mitglieder der Garde - nach Schätzungen des amerikanischen Forschungsinstituts GlobalSecurity sind es 50.000, anderen Quellen zufolge 100.000 - hätten bei einem Sturz Saddam Husseins viel zu verlieren. Junge Gardesoldaten bekommen ein Einstiegsgehalt von 80.000 Dinar (38 Euro), acht Mal so viel wie ein Beamter mit Hochschulabschluss verdient. Zudem erhalten sie schicke Grundstücke, extragroße Essensrationen und für ihre Kinder eine kostenlose Krankenversorgung und Ausbildung.
Nicht nur wegen ihrer Privilegien gilt die Republikanische Garde als Saddam Hussein treu ergeben. Sie rekrutiert sich auch fast ausschließlich aus den Clans und Familien rund um Tikrit, der Heimatstadt von Saddam Hussein. Doch der irakische Regierungschef vertraut niemandem blind: Nach Angaben des ehemaligen irakischen Offiziers Ahmed Radhi, der jetzt im Exil lebt, werden die Kommandeure der Garde von Geheimagenten Kusai Husseins überwacht.
Wie Radhi weiter berichtet, schickte Saddam Hussein vor Kriegsbeginn einige Einheiten der Garde in Gegenden, wo sie sich auf Bauernhöfen oder in Obstgärten verstecken können. Ihre Taktik bestehe darin, Kämpfe auf offenem Schlachtfeld zu vermeiden und die US-Truppen stattdessen in Straßenkämpfe in Wohngebieten zu verwickeln oder mit Guerillaaktionen zu attackieren.
Kugel von vorn oder hinten
Mit Kritikern, Deserteuren oder "unmotivierten" Kämpfern machen die Garden kurzen Prozess. Das ist in der irakischen Armee bekannt. Mehr als das Leben kann man auch im Kampf gegen Amerikaner und Briten nicht verlieren. So lange Saddams Unterdrückungsapparat funktioniert, haben normale Armeeangehörige oft nur die Wahl zwischen einer amerikanischen Kugel von vorne oder einer irakischen von hinten.
Nach Angaben britischer und amerikanischer Militärsprecher werden irakische Zivilisten unter Todesdrohungen von paramilitärischen Einheiten zum Kampf gezwungen. Der Sprecher des US-Kommandos Mitte, Jim Wilkinson, behauptete am Donnerstag, US-Kommandeure rund um die Stadt Nadschaf im Süden des Landes hätten derartige Vorfälle gemeldet. Die Milizen würden auch Kinder ergreifen.
Der britische Luftwaffengeneral Brian Burridge berichtete zudem, Anhänger von Staatschef Saddam Hussein hätten irakische Rekruten und reguläre Soldaten bei Basra zum Kämpfen gezwungen und für den Fall der Weigerung gedroht, sie oder ihre Familien zu töten. Nach Angaben des britischen Militärsprechers Al Lockwood saßen in den Panzern, die aus Basra ausbrechen wollten, Soldaten, deren Familien bedroht wurden: "Die Milizen gehen offensichtlich in die Häuser der Leute und zwingen die Männer, die Fahrzeuge zu fahren, um die Flucht aus Basra anzuführen. Sie zwingen sie zu diesen Handlungen. Wir hätten es lieber, sie würden sich ergeben." Die Informationen der USA und der Briten sind aber nicht überprüfbar.
Die Republikanischen Garden und Fedajin sollen angeblich auch jene Kämpfer sein, an die Saddam Hussein chemische Kampfstoffe ausgibt. Angeblich hat die irakische Führung um Bagdad eine Art "rote Linie" gezogen. Wenn diese Bannmeile überschritten werde, dürften die Elitetruppen Giftgas einsetzen.
US-Außenminister Colin Powell will auch über Geheimdienstinformationen verfügen, laut derer die Iraker bereit wären selbst eigene Zivilisten zu vergasen und den Angriff dann den USA zuzuschreiben. Aber auch für diese Information gibt es nur eine Quelle: das kriegführende Pentagon.