Revolte in Ägypten Mubarak klammert sich an die Macht

Sie geben nicht auf: Demonstranten im nächtlichen Kairo
Foto: Khaled El Fiqi/ dpaTagelang hatte er geschwiegen - jetzt hat sich Ägyptens Präsident Husni Mubarak erstmals geäußert. Das staatliche Fernsehen strahlte eine Ansprache des Präsidenten aus. Mubarak verspricht Reformen: Er forderte das Kabinett zum Rücktritt auf und will bereits am Samstag eine neue Regierung benennen. Zudem sicherte er den Ägyptern mehr Demokratie und größere Bemühungen zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit zu. "Wir bewahren, was wir erreicht haben, und wir bauen darauf auf", fügte er hinzu.
Mubarak verteidigte den Einsatz der ägyptischen Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten. Ägypten müsse stabil und sicher sein. Er sei sich der rechtmäßigen Wünsche der ägyptischen Bürger bewusst. Die Probleme Ägyptens könnten aber nicht durch Gewalt und Chaos gelöst werden. Dadurch entstehe keine Demokratie.
"Wir werden unsere politischen, wirtschaftlichen und sozialen Reformen fortsetzen - für eine freie und demokratische ägyptische Gesellschaft", sagte Mubarak. Ägypten werde sich über Brandstiftung und Plünderung erheben, die die Grundlagen und Stabilität des Landes erschütterten. Was in den vergangenen Tagen geschehen sei, habe jedermanns Herzen mit Angst erfüllt. Er übernehme die Verantwortung für die Sicherheit des Landes und der Bürger und werde die Angst nicht in ihren Herzen leben lassen.
Es scheint, als wolle Mubarak, dem oft Abgehobenheit vorgeworfen wird, sich als Mann des Volkes präsentieren: "Meine Mitbürger, ich spreche heute nicht als Präsident zu euch, sondern als Ägypter." Er habe Tag für Tag für die ägyptischen Bürger gearbeitet. Die Anliegen der Demonstranten - Meinungsfreiheit, mehr Arbeitsplätze, niedrigere Preise, Armutsbekämpfung - seien ihm alle bekannt. Er werde immer auf der Seite der Armen sein.
Mubaraks Rede und die Neubesetzung der Regierung sind nach Ansicht internationaler Beobachter ein Versuch, die Proteste umlenken, indem er die Regierung zum Sündenbock für die vielen Missstände im Land macht. Der Regierungswechsel soll offenbar dazu dienen, die Protestewegung zu besänftigen. Das scheint nicht zu funktionieren. Unmittelbar nach der Rede riefen Demonstranten in Kairo: "Nieder mit Mubarak!"
Ärzte sprechen von achtzehn Todesopfern bei Demonstrationen
Am Freitag waren trotz Demonstrationsverbots mehr als 100 000 Menschen im ganzen Land auf die Straßen gegangen. Bei Zusammenstößen mit der Staatsgewalt sollen nach Berichten von Ärzten mindestens 18 Menschen getötet worden sein. Es habe über tausend Verletzte gegeben. Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei, der Tags zuvor in seine Heimat zurückgekehrt war und sich an den Demonstrationen beteiligt hatte, wurde unter Hausarrest gestellt. Die Regierung verhängte eine Ausgangssperre in den großen Städten des Landes. In mehreren Städten gingen am Abend Armee-Einheiten mit gepanzerten Fahrzeugen in Stellung.
Viele Ägypter hielten sich nicht an die Ausgangssperre. Auf den Straßen waren in der Nacht noch Tausende Demonstranten unterwegs. Einige zerstörten auf einer Nilbrücke in Kairo einen Truppentransporter. Am Rande der Proteste gab es Plüon Plünderungen. Hubschrauber kreisten über der Stadt, Schüsse waren zu hören.
Demonstranten versuchten, das Außenministerium und das Gebäude des Staatsfernsehens zu stürmen. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie das Hauptquartier der Regierungspartei NDP in Kairo in Flammen stand. Zuvor war bereits ein Parteigebäude in Suez in Brand gesteckt worden.
Bereits am Nachmittag war die Polizei mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen gegen Demonstranten vorgegangen. Schon vor Beginn der Kundgebungen hatte die Regierung das Internet und die meisten Mobiltelefon-Verbindungen gekappt.
An manchen Stellenkam es zu Verbrüderungsszenen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Protestler in Kairo einen gepanzerten Mannschaftswagen bejubelten, bei dem es sich augenscheinlich um ein Armeefahrzeug handelte. Zuvor hatten Demonstranten wiederholt das Militär aufgefordert, sie vor dem gewaltsamen Vorgehen der Polizei zu schützen.
Westen reagiert mit Besorgnis und Mahnungen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte ein Ende der Gewalt und mahnte Meinungs- und Informationsfreiheit an. "Ich rufe alle Beteiligten, vor allem auch die ägyptische Regierung und den Präsidenten auf, dass sie friedliche Demonstrationen genehmigen, dass die Meinungsfreiheit eine Chance hat", sagte Merkel am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos.
Auch die Vereinten Nationen mahnten die Einhaltung der Bürgerrechte an - insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Informations- und Versammlungsfreiheit. "Eines der Grundprinzipien der Demokratie ist der Schutz und die Gewährleistung der Meinungsfreiheit der Bürger", sagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Davos. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, forderte auch die Wiederherstellung der Internet- und Mobilfunkverbindungen.
US-Außenministerin Hillary Clinton rief die ägyptische Regierung auf, auf die Bevölkerung zuzugehen. "Wir glauben, dass die ägyptische Regierung sofort mit dem ägyptischen Volk über die Verwirklichung ökonomischer, politischer und sozialer Reformen sprechen muss", sagte sie am Abend in Washington. Präsident Barack Obama ließ sich von seinen Sicherheitsexperten über die Lage informieren. Die USA überprüfen die Streichung der milliardenschweren Hilfszahlungen für Ägypten.