
Ex-Präsident Ben Ali und seine Frau: Tunesiens raffgieriges Paar
Revolte in Tunesien Die unersättliche Gier des Präsidenten-Clans
Rund 1,5 Tonnen Goldbarren ließ die Ehefrau des gestürzten Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali bei ihrer Flucht ins Ausland angeblich mitgehen: Rechtzeitig soll Leila Trabelsi dafür gesorgt haben, dass die Barren aus der Zentralbank abtransportiert und ins Ausland geschafft wurden. Dabei ist der Gegenwert des Goldes, umgerechnet 45 Millionen Euro, für die Ex-First-Lady eigentlich nur Peanuts.
Seit mehr als zwei Jahrzehnten an der Macht, hat der Clan von Ben Ali und seiner zweiten Ehefrau Leila Trabelsi die Maghreb-Nation systematisch ausgenommen und das Geld zugriffssicher im Ausland angelegt: Auf über fünf Milliarden Euro schätzt das US-Magazin "Forbes" den angehäuften Reichtum von Tunesiens früherem Dauer-Präsidenten und seiner Familie.
Zu ihren Besitztümern gehören Apartments in den schicksten Vierteln von Paris, ein Chalet im Nobel-Skiort Courchevel, Villen an der Côte d'Azur und Millionenbeträge auf Konten in Frankreich. Astronomische Summen seien nach Dubai und Malta geflossen, berichten Pariser Medien. Auch in Argentinien soll die Herrscherfamilie Immobilien besitzen.
Banken, Transport, Tourismus - keine Branche war vor Leila Trabelsi sicher
Ben Ali und seine Gattin Leila häuften das Vermögen durch ein Netzwerk von Firmen und Holdings an, die in erster Linie wohl einen Zweck hatten: die Habsucht des Präsidentenpaars und des dazugehörigen Clans von Leila Trabelsi zu befriedigen. Seit ihrer Heirat 1992 hatte die ehemalige Friseurin zielstrebig ihre Familienmitglieder in lukrative Jobs manövriert. Banken, Transport, Tourismus, Immobilien - keine Branche war vor dem finanziellen Appetit von Madame sicher, denn immerhin mussten zehn Brüder und Schwestern mit Posten und Pfründen bedient werden.
Die Raffgier erreichte bisweilen offen kriminelle Züge: So ließ Imed, ein Neffe Leilas, 2006 drei französische Luxusyachten stehlen - dummerweise gehörte eines der Boote einem Bankerfreund des damaligen französischen Präsidenten Jacques Chirac. Dank der guten Beziehungen wurde Imed jedoch den tunesischen Behörden überstellt - und freigesprochen. Doch im Gegensatz zu seiner Tante konnte er sich jetzt nicht mehr ins Ausland absetzen: Am vergangenen Wochenende wurde Imed Trabelsi von Unbekannten erstochen.
Der Yachten-Diebstahl belastete damals zwar vorübergehend die Beziehungen zwischen Tunis und Paris. Er ist aber eine Petitesse verglichen mit den Übergriffen des Trabelsi-Clans im eigenen Land. Unter dem Schutz des Präsidenten verschafften sich die Getreuen die Kontrolle über die Banque de Tunisie und besorgten sich über die Gruppe "Cactus" Einfluss in den Medien. Und als die Unternehmensgruppe Carthago (Hotels und Luftfahrt) 2004 an die Börse geht, "steigen deren Aktienkurse geradezu wundersam in die Höhe", wie der "Figaro" schrieb.
Selbst von gutgemeinten Ratschlägen aus dem Ausland profitiert das ausbeuterische Familienunternehmen: Als Tunesien auf Vorschlag des Weltwährungsfonds Anfang 2000 eine Privatisierungskur beginnt, nutzt der Trabelsi-Clan den wirtschaftlichen Umbau, um sich über Kredite in beispielloser Form zu bereichern. US-Diplomaten, zitiert in den Depeschen von WikiLeaks, sprechen von einer "Quasi-Mafia".
So schwierig wie deren kriminelle Aktivitäten zu belegen sind, gestalten sich jetzt auch die Nachforschungen internationaler Institutionen. Tracfin, Frankreichs Organisation gegen Geldwäsche, hat laut Präsident Nicolas Sarkozy "die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um verdächtige finanzielle Bewegungen im Bezug auf tunesische Vermögen administrativ zu blockieren". In erster Linie soll verhindert werden, dass die Konten von Ben Ali und Konsorten geleert werden.
Eine Tonne Goldbarren nach Dubai
Der Zugriff der Tracfin-Kontrolleure ist jedoch begrenzt: Die Wächter, die dem Wirtschaftsministerium zugeordnet sind, können bei Verdacht Kontobewegungen nur für 48 Stunden einfrieren. Danach sind juristische Entscheidungen oder internationale Sanktionen nötig, um den Abfluss von Geldern zu stoppen. Transparency International France und Sherpa, zwei NGO, wollen daher vor französischen Gerichten gegen Ben Ali, seine Frau und verschiedene Familienmitglieder klagen: wegen Korruption, Geldwäsche, Hehlerei und Unterschlagung, damit diese Vermögen wieder Tunesien zugutekommen. "Wir müssen unbedingt verhindern, dass sich diese Summen in den Nahen Osten oder in Steueroasen wandern", warnt Daniel Lebègue, Präsident von Transparency International France.
Die Untersuchung der sogenannten "unlauter erworbenen Vermögen" dürfte aber schon innerhalb Frankreichs schwierig werden. Die Goldbarren, die das ehemalige Präsidentenpaar vor seinem Sturz ins Ausland brachte, sind dort erst einmal ziemlich sicher. Im vergangenen Dezember hatte Leila Ali übrigens offenbar in weiser Voraussicht einen ähnlichen Transport wie jetzt veranlasst: Nach Angaben des Pariser "Figaro" ließ sie damals einen "beachtlichen Vorrat Gold" aus den Gewölben der Staatsbank schaffen. Insgesamt sollen die Barren eine Tonne schwer gewesen sein. Der Zielort: Dubai.