Tunesien Richter lassen Anti-Polizei-Rapper auf Bewährung frei

Rap-Fans vor Gericht in Tunis: Ihr Idol Weld El 15 kommt frei
Foto: FETHI BELAID/ AFPTunis - Eigentlich sieht Alaa Yacoubi aus, als könne er kein Wässerchen trüben. Ein schmächtiger Typ mit kurzen Haaren und schüchternem Lächeln. Ein tunesischer Durchschnittstyp. Doch wenn er zum Mikrofon greift, schlüpft der 25-Jährige in sein Alter Ego, dann wird aus Yacoubi Weld El 15.
Als Weld El 15 hat er es in den vergangenen Jahren zu einem der bekanntesten Rapper Tunesiens gebracht. Für besonderes Aufsehen sorgte sein Song "Boulicia Kleb " ("Die Polizisten sind Hunde"), den er Anfang dieses Jahres veröffentlichte. Darin rappt er unter anderem: "Anstatt Schafe sollten an Eid al-Adha (dem islamischen Opferfest - d. Red.) Polizisten geschlachtet werden."
Die Reaktion der tunesischen Justiz ließ nicht lange auf sich warten. Die Behörden leiteten ein Strafverfahren gegen Weld El 15 ein. Der tauchte daraufhin ab und verteidigte sich via Facebook: "Ich habe nur die Sprache der Polizei benutzt. Sie haben mich verbal und physisch angegriffen. Als ein Künstler kann ich ihnen nur mit meiner Kunst antworten. Ich habe ihnen gewaltsame Kunst gegeben", schrieb Weld El 15 auf Facebook.
"Historisches Urteil für Meinungsfreiheit in Tunesien"
Im März verurteilte ein Gericht in Tunis den Rapper in Abwesenheit zu zwei Jahren Gefängnis. Erst im Juni stellte er sich den Behörden und erschien zu einer Anhörung im Berufungsverfahren. Zunächst bestätigten die Richter jedoch das Urteil und Weld El 15 wanderte hinter Gitter.
Am 25. Juni gab es dann jedoch eine weitere Anhörung, während der sich der Musiker zumindest ein wenig einsichtig gab. "Ich entschuldige mich bei den ehrlichen Polizisten. Den anderen sage ich, dass ich zu dem stehe, was ich in meinem Song gerappt habe." Bei den Richtern machte Weld El 15 damit offenbar Eindruck - jedenfalls wandelten sie die ursprüngliche Strafe am Dienstag in eine sechsmonatige Bewährungsstrafe um. Noch am Abend kam der Rapper aus dem Gefängnis frei.
Sein Anwalt zeigte sich erleichtert: "Das ist ein historisches Urteil für Meinungsfreiheit und Demokratie in Tunesien", sagte Ghazi Mrabit. Vor dem Gericht bejubelten Dutzende Fans des Rappers das Urteil.
Noch am Montag hatte sich der tunesische Ministerpräsident Ali Larayedh persönlich in den Fall eingeschaltet. Er stellte klar, dass der Rapper nicht wegen seiner Meinungsäußerung, sondern wegen des Mordaufrufs bestraft worden sei.
Tunesiens Richter zeigen sich damit zum zweiten Mal binnen einer Woche nachsichtig mit meinungsfreudigen Regierungsgegnern. Erst am vergangenen Mittwoch hatte die Justiz drei Femen-Aktivistinnen aus Frankreich und Tunesien auf Bewährung freigelassen.
Trotz seiner Freilassung wird es Weld El 15 schwer haben, in Tunesien aufzutreten. Die tunesische Polizeigewerkschaft weigert sich, Beamte zum Schutz seiner Konzerte abzustellen.